Für sein Buch "Trottel" Wilhelm Raabe-Literaturpreis geht an Jan Faktor

Der Schriftsteller Jan Faktor hat für sein Buch Trottel den von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestifteten und mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2022 erhalten.

Jan Faktor (Mitte) bei der Preisverleihung © Daniela Nielsen/Stadt Braunschweig

Der Braunschweiger Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue überreichten die Auszeichnung am heutigen Sonntag, 6. November. Die Laudatio hielt der österreichische Kulturjournalist Paul Jandl. In Trottel bringe Jan Faktor das traditionelle Genre des Schelmenromans zum Explodieren, heißt es in der Begründung der Jury.

Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue in seiner Rede bei der Preisverleihung: „Jan Faktor hat einen komischen Roman über sich selbst geschrieben. Je mehr er die klassischen Rituale der Selbstdarstellung mit komischen Mitteln über den Haufen wirft, umso intensiver tritt die ins Wahnhafte reichende Komik der spätsozialistischen Gesellschaft und ihrer anarchischen Feinde zu Tage. Allein dieser Ton und dieser Duktus des Romans haben mitreißende Qualität.“

Mit der Verleihung des Wilhelm Raabe-Literaturpreises zeichnen die Stadt Braunschweig und der Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus, das einen besonderen Stellenwert in der Entwicklung der Preistragenden markiert. Dieses muss im Vergabejahr erschienen sein. Ausgeschlossen ist die Würdigung eines Erstlingswerkes oder des Gesamtwerkes.

Am Vorabend der Verleihung lasen Jan Faktor und weitere Schritfstellerinnen und Schriftsteller beim Literaturfestival „Braunschweiger Literaturzeit“. Bei der Verleihung wurde auch Dr. Hubert Winkels, langjähriger Jury-Vorsitzender des Wilhelm Raabe-Literaturpreises, verabschiedet. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und wird am Samstag, 26. November, ab 20.05 Uhr im Deutschlandfunk bundesweit ausgestrahlt. Zudem berichten am Montag, 7. November, die Literatursendungen „Büchermarkt“ (16.10 Uhr, Deutschlandfunk) und „Lesart“ (10.05 Uhr, Deutschlandfunk Kultur) von der Veranstaltung.

Die Begründung der Jury: „Jan Faktor bringt das traditionelle Genre des Schelmenromans zum Explodieren: Als „Trottel“, so der Titel des Werks, erzählt er sein Leben – aber wilder, überdrehter, radikaler als man es sich bislang vorstellen konnte. Dabei ist ein Werk von erstaunlicher Kraft entstanden. Jan Faktor setzt im „Trottel“ sein autobiografisch grundiertes Schreibprojekt fort: Hatte er 2010 seine Kindheit und Jugend in der kommunistischen Tschechoslowakei beschrieben, erzählt er nun vom Leben eines jungen Mannes aus Prag, der Ende der 1970er Jahre der Liebe wegen in die DDR kommt. Voller Wortspielereien, atmosphärischer Beschreibungen und grotesker Szenen bietet er einen ungewöhnlichen böhmischen Blick auf die schon so oft erzählte Lebenswelt der Ost-Berliner Bohème und in der späten DDR.

Tschechische und deutsche Literaturtraditionen amalgamiert Faktor. Formale Experimentierfreude wird mit exzessivem Witz kombiniert, gebettet in einen mitreißenden Erzählstrom. Die Kunst Faktors erweist sich in der Konfrontation mit einer Lebenskatastrophe: Der Suizid des Sohnes wirkt als ständiger Kontrast in dieser Lebenserzählung. In schlichter, fortdauernder Trauer wird von dessen Weg in die Depression erzählt, aus der es kein Entrinnen gab. Albernes und Tragisches beleuchten sich bei Faktor gegenseitig – eine radikale Lebensbeschreibung, die das Genre des autofiktionalen Schreibens revolutioniert.“

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