Peter Prange über sein neues Buch "Der Traumpalast" „Wir erleben mit der Entstehung der Ufa zugleich die Entstehung einer bis dahin völlig neuen Kunstgattung“

Sein Verlag und der Buchhandel kann sich auf Peter Prange verlassen: Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft legt der Bestsellerautor ein neues Buch vor. Auch Der Traumpalast. Im Bann der Bilder (ab 13. Oktober bei Scherz) hat wieder ein urdeutsches Thema und scheint wieder auch auf erfolgreiche Verfilmung angelegt. Das war Anlass für unser heutiges Autorengespräch:

Peter Prange:Der Traumpalast ist eine aufregende Geschichte der 20er Jahre, vom Freiheitsrausch nach dem ersten Weltkrieg bis zur kollektiven Selbstentmündigung eines ganzen Volkes 1933. Und wir erleben mit der Entstehung der Ufa zugleich die Entstehung einer bis dahin völlig neuen Kunstgattung“ (c) Gaby Gerster

Peter, Du hast wieder ein sehr deutsches Thema gewählt. Worum geht es diesmal? 

Peter Prange: „Der Traumpalast“ erzählt imRoman die Geschichte der Ufa-Traumfabrik – der deutschen Antwort auf Hollywood.
Wie ich Dich kenne, hast Du aber noch mehr hinein gepackt.
Stimmt natürlich, eigentlich erzähle ich drei Geschichten, dazu nämlich die alles andere als alltägliche Liebesgeschichte zwischen Rahel Rosenberg und Konstantin Reichenbach …
zwei Figuren, die manche Leserinnen und Leser schon aus Deinem allerersten Roman, dem „Bernstein-Amulett“, kennen. 
Und schließlich ist „Der Traumpalast“ auch eine aufregende Geschichte der 20er Jahre, vom Freiheitsrausch nach dem ersten Weltkrieg bis zur kollektiven Selbstentmündigung eines ganzen Volkes 1933.
Wie könnten die Buchhändlerinnen und Buchhändler den Roman am besten empfehlen?
Abgesehen von der Liebesgeschichte, die den Freiheitsrausch der Roaring Twenties auch in der Beziehung der Geschlechter widerspiegelt, vor allem mit zwei Argumenten: Im „Traumpalast“ erleben wir mit der Entstehung der Ufa zugleich die Entstehung einer bis dahin völlig neuen Kunstgattung.
Dass der Film ja eine ganz neue  Kunstform war, darüber habe ich noch nie nachgedacht.
Ja, uns man kann dessen Anfänge wie bei der Schallplatte genau datieren. Die Anfänge aller anderen Kunstgattungen wie Malerei, Literatur oder Musik verlieren sich ja unaufspürbar im Dunkel der Menschheitsgeschichte. In nur einem Jahrzehnt wird aus einem Kirmes-Groschen-Vergnügen die alles dominierende Kunstform des 20. Jahrhunderts, mit so herausragenden Werken wie „Dr. Caligari“, „Metropolis“ oder „Der Blaue Engel“, Filme, die bis heute cineastische Maßstäbe gesetzt haben.
Und die zweite Besonderheit des Romans?
Die Verflechtung der Ufa-Geschichte wie auch der Liebesgeschichte mit den Zeitläuften. Die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts waren mit all ihren Gegensätzen eine Art Versuchslabor der nächsten hundert Jahre. Eine Gesellschaft, die von der Idee der Freiheit wie besessen war. Doch verunsichert durch wirtschaftliche und politische Krisen sehnten die Menschen sich zugleich nach Sicherheiten, die es nicht gibt, und allzu viele waren dafür bereit, ihre Freiheit aufzugeben und politischen Rattenfängern zu folgen, die sie und die Welt ins Verderben führten. Insofern könnte diese Geschichte vielleicht sogar ein klein wenig helfen, die 20er Jahre dieses Jahrhunderts, also unsere eigene Zeit und Gegenwart, besser zu verstehen.


Alle Deine Romane haben wichtige historische Ereignisse und Zeiten zum Thema. Woher kommt Deine Leidenschaft für die Geschichte?

Sie wurde mir nicht in die Wiege gelegt, im Gegenteil, als Schüler war ich im Fach Geschichte allenfalls Durchschnitt – Geschichte allein um ihrer selbst willen hat mich nie interessiert. Meine Lehrer würden sich deshalb wohl im Grab umdrehen, wüssten sie, dass ich historische Romane schreibe. Tatsächlich habe ich die Leidenschaft für Geschichte erst durch das Schreiben selbst entwickelt.

Das musst Du erklären.

Eine der stärksten Antriebsfedern, sich Tag für Tag der Mühe des Schreibens zu unterziehen, ist eine gehörige Portion Ich-Besessenheit. Das ist für uns Autoren nicht besonders schmeichelhaft, aber ich fürchte, ohne diese Egomanie geht es nicht – Schreiben ist ja kein Zuckerlecken, sondern eine ziemlich anstrengende, oft qualvolle, manchmal sogar verzweifelte Tätigkeit, die sonst kein Mensch auf sich nehmen würde.  In meinem Fall ist meine Motivation die Hoffnung, durch das Schreiben Antwort auf eine sehr einfache, aber gerade darum sehr grundlegende Frage zu finden: Wie wurde ich der, der ich bin?

Und hast Du die Antwort gefunden?

Natürlich nicht, da müsste ich ja ein ziemlicher Einfaltspinsel sein, nach gerade mal zwanzig Büchern (lacht). Aber immerhin komme ich mir immer mehr auf die Spur, indem ich mit meinen Romanen versuche, die Denkweisen und Werte, die mich geprägt haben und weiterhin prägen, in ihrer Entwicklung zurückzuverfolgen. Bei diesem Graben nach meinen geistigen und emotionalen Wurzeln bin ich immer tiefer hinein in die europäische Geschichte der letzten tausend Jahre gelangt, vor allem aber in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, deren Kind ich ja bin. So entstand die Idee, ein Panorama dieses Jahrhunderts zu schreiben. Es begann mit meinem ersten Roman, „Das-Bernstein-Amulett“, und findet nun nach „Unsere wunderbaren Jahre“ und „Eine Familie in Deutschland“ mit dem „Traumpalast“ seine Fortsetzung

„Der Traumpalast – Im Bann der Bilder“ spielt in den 20er Jahren. Warum hast Du diese Zeit gewählt?

In „Eine Familie in Deutschland“ habe ich versucht, ein möglichst lebensnahes Bild der Nazizeit vom ersten bis zum letzten Tag zu zeichnen. Wie haben ganz normale Menschen die deutschen Jahrhunderttragödie erlebt? Im „Traumpalast“ spüre ich der Frage nach, wie es möglich war, dass Hitler 1933 überhaupt an die Macht gelangen konnte, in einer Kulturnation wie Deutschland, und das ganze Volk, mit Kant und Goethe im geistigen Gepäck, ihm und seiner barbarischen Ideologie mit zunehmender Begeisterung folgte. Die Suche nach einer Antwort führte mich in die Zeit der Weimarer Republik, genauer: nach Berlin, der aufregendsten Metropole der damaligen Zeit in ganz Europa.

Die 20er Jahre in Berlin haben für uns sichtlich einen besondern Reiz.

Ja, denn sie waren eine unglaublich faszinierende Zeit des Aufbruchs. Mit dem Ende des Kaiserreichs brach sich ein vollkommen neues, jahrhundertelang unterdrücktes Lebensgefühl Bahn: Freiheit! Freiheit in Politik und Gesellschaft, Freiheit in Kunst und Musik – und nicht zuletzt Freiheit in der Liebe, in der die Menschen fast alle zuvor geltenden Tabus brachen. Und der Ort, an dem diese neu gewonnenen Freiheiten am intensivsten und radikalsten ausprobiert wurden, war Berlin. Eine Stadt im Freiheitsrausch.

Ein  Rausch aber nur von kurzer Dauer …

richtig, gerade das macht diese Zeit aber so spannend. Die Menschen damals waren im Gebrauch der Freiheit ja vollkommen ungeübt. Sobald die politische oder wirtschaftliche Lage problematisch wurde – und das wurde sie andauernd, das Jahrzehnt war geprägt von Revolution und Straßenkämpfen, von Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise –, bekamen viele Menschen Angst vor der eigenen Courage. Dann sehnten sie sich nach alten Autoritäten zurück, oder, schlimmer noch, sie sehnten neue Autoritäten herbei. Das war Hitlers große Chance. 

Es gibt viele Parallelen zu heutigen Ereignissen wie eine Pandemie, die plötzliche Veränderung des bisher gewohnten Lebens, sowie die „Verführung von politischen Rattenfängern“. Deine Botschaft?

„Hitler hat ja nicht die Macht „ergriffen“, wie er selbst später behauptete, er wurde in freien Wahlen gewählt – die sogenannte Machtergreifung war in Wahrheit eine kollektive Selbstentmündigung des deutschen Volkes“ (Durch Klick auf Cover zum Buchtrailer auf YouTube)

Erich Kästner hat sinngemäß einmal gesagt: „Hitler konnte man 1933 nicht mehr verhindern, das hätte schon in den 20er Jahren geschehen müssen.“ Insofern gibt es durchaus Parallelen – nicht nur wegen der „Spanischen Grippe“, der Corona-Epidemie der damaligen Zeit. Auch heute leben wir in einer Epoche schwindender Sicherheiten, alles ändert sich immer schneller, und wie damals treten Politiker auf den Plan, die uns weismachen wollen, es gebe einfache Lösungen für hochkomplexe Probleme. Solchen Rattenfängern zu folgen war der Sündenfall der Weimarer Republik. Hitler hat ja nicht die Macht „ergriffen“, wie er selbst später behauptete, er wurde in freien Wahlen gewählt – die sogenannte „Machtergreifung“ war in Wahrheit eine kollektive Selbstentmündigung des deutschen Volkes. Daran sollten wir alle denken, wenn wir uns bei Wahlen überlegen, welcher Partei wir unsere Stimme geben.

Wie gelingt es Dir, deine Figuren in einen historischen Kontext zu setzen?

Indem ich mich frage, wie ich mich in der Zeit verhalten hätte, über die ich schreibe. Was hätte ich gefühlt, gedacht, getan? So komme ich ganz von allein ins Gespräch mit den historischen Figuren. Solche fiktiven Gespräche habe ich übrigens schon lange Zeit, bevor ich Autor wurde, geführt – nämlich als Leser. Ich erinnere mich noch bestens an meine Lektüre des „Zauberbergs“ in meiner Jugend. Ich war von den Disputen zwischen den Herren Naphta und Settembrini so fasziniert, dass ich mit beiden stundenlange Gespräche über alle Themen führte, die mich damals beschäftigten, oft mit erstaunlichen Antworten, die vielleicht sogar Thomas Mann, den Schöpfer der beiden, verblüfft hätten und die mir in meinem wirklichen Leben auf jeden Fall oft weiter geholfen haben.

Was bedeutet Kino für Dich?

Das Erlebnis völliger Selbstvergessenheit: Es wird dunkel im Saal, der Vorhang geht auf, und mit einem Mal bin ich in einer ganz und gar anderen Welt. Und gleichzeitig doch ganz und gar bei mir.

Einer der ganz großen Fernsehhits, wenn nicht der größte, war im letzten Jahr die Verfilmung Deines Romans Unsere wunderbaren Jahre.

Das war der persönlichste Roman, den ich je geschrieben habe. Er spielt nicht nur in meiner Heimatstadt Altena, sondern darin wimmelt es auch von realen Figuren aus meiner Verwandtschaft. Insofern freue ich mich ganz besonders, dass der WDR gerade eine zweite Staffel angekündigt hat – der bisher gezeigte Dreiteiler basiert ja nur auf dem ersten Drittel meines Romans.

Und wie fühlt es sich an, Deine Figuren dann auf der Leinwand bzw. Auf dem Bildschirm zu sehen?

Faszinierend und befremdlich zugleich. Weil die Figuren, die in meinem Kopf entstanden sind, sich in dem neuen Medium ja in gewisser Weise selbstständig machen und ein zweites Leben annehmen. Ein manchmal beglückender, manchmal aber natürlich auch schmerzlicher Kontrollverlust.

Wird es auch eine Verfilmung des Traumpalastes geben?

Eine nicht ganz unbekannte Film- und Fernsehfabrik, die es auch schon in den 20er Jahren gab,  interessiert sich tatsächlich für den Stoff. Ob je etwas daraus wird, steht natürlich noch in den Sternen.

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