Birgit Francan über das Erwachsenen-Programm des Carl Ueberreuter Verlags „Wir haben großartige Autor:innen und spannende Themen – für den gesamten deutschen Sprachraum“

Vor ein paar Tagen hatten wir über den Erfolg der Stinatz-Krimis von Thomas Stipsits in Österreich berichtet. Noch allerdings ist dieser Erfolg nicht auf den deutschen Markt übergeschwappt. Das war einer der Anlässe für unser heutiges Gespräch mit Birgit Francan, der Leiterin des Wiener Carl Überreuter Verlages.
Brigit Francan: „Den österreichischen Charme unserer Bücher und unser Motto „Klein, aber fein“ müssen wir einfach stärker verkaufen! Wir haben großartige Autor:innen und spannende Themen – für den gesamten deutschen Sprachraum“

Frau Francan, in der vorigen Woche hatten wir über ihre drei Stinatzs Bestseller berichtet, die aus meiner Sicht beim deutschen Buchhandel bisher lange nicht die Resonanz haben wie bei Ihnen. Woran mag das liegen?

Brigit Francan: In Deutschland ist die Wahrnehmung von Ueberreuter in hohem Ausmaß auf das Kinder- und Jugendbuch konzentriert, das sich in den vergangenen Jahren höchst erfolgreich entwickelt hat.
Das Erwachsenen-Programm des Carl Ueberreuter Verlags kann hier nur punktuell Aufmerksamkeit erzielen und wird meist nicht als eigenständiger Verlag wahrgenommen. Wir erreichen daher in den Buchhandlungen oft gar nicht die richtigen Adressaten.

Auch ich hatte Ueberreuter bislang nur als Jugendbuchverlag auf dem Zettel, hatte für mich auch nicht abgespeichert, dass der Jugendbuchverlag komplett in Berlin sitzt.

In Deutschland ist unser Schwesterverlag, der Ueberreuter Kinder- u Jugendbuchverlag mit Sitz in Berlin ja auch bestens bekannt, nicht zuletzt durch die großartige und sehr erfolgreiche Reihe „Das kleine böse Buch“. Wir arbeiten aber daran, auch den Bekanntheitsgrad von Carl Ueberreuter zu verbessern. Rein rechtlich sind wir getrennte GmbHs, haben aber mit Georg Glöckler einen gemeinsamen Eigentümer.

Dann bringen Sie mich doch bitte auf den aktuellen Stand.
Der Verlag wurde 1946 als Carl Ueberreuter Verlag in Wien gegründet. Im Laufe der Zeit etablierte sich das Unternehmen mit der Marke UEBERREUTER sowohl für Kinderbuch und Jugendliteratur und ab den 70er-jahren auch mit Büchern für Erwachsene. Vor allem letztere waren mit vielen Bestsellern prägend für den österreichischen Buchmarkt der 80iger und 90iger Jahre. In den 2000er-Jahren wurde die wirtschaftliche Lage immer schwieriger, viele Umstrukturierungen waren die Folge, auch wurde 2012 der Ueberreuter Kinder- und Jugendbuch nach Berlin verlegt.

Das war vor 2014.

Wieder ja, da hat der österreichische Verleger Georg Glöckler sowohl den Ueberreuter Kinder- und Jugendbuch Verlag unter der Marke „Ueberreuter“ bzw. „Annette Betz“ als auch das Sachbuchprogramm unter der Marke „Carl Ueberreuter Verlag“ übernommen – die räumliche und inhaltliche Trennung blieb aber bestehen. Das Brandimage und der Name Ueberreuter sind daher in Deutschland und Österreich jeweils stark mit der thematischen Ausrichtung verbunden.

Und wo liegen die Hürden bisher, dass sie in Deutschland nicht so ankommen wie sie es sich erhoffen? Generell wundere ich mich, dass auch viele andere österreichische Verlage in Deutschland nicht als deutschsprachige, sondern als österreichische Verlage wahrgenommen werden.
Natürlich publizieren bei uns viele österreichische Autoren, die in Deutschland noch nicht so bekannt sind. Aber viele unserer Themen und Inhalte sind natürlich für den deutschen Markt interessant bzw. manchmal sogar im Hauptbezug auf Deutschland ausgerichtet. Leider dringen wir aber mit diesen Themen nicht immer zu den Buchhändler:Innen durch.

Spitzentitel aus dem Frühjahrsprogramm von Carl Ueberreuter (Durch Klick auf Cover zum Verlagsprogramm)

Haben Sie ein Beispiel parat?
Ich darf hier als Beispiel unsere im Frühjahr erschienen Biografie der Hirnforscherin Cécile Vogt anführen. Zwar wurde sie in Frankreich geboren, ihr Karriere und Forschung fand aber nur in Deutschland statt, wo sie viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann Oskar Vogt am von ihnen aufgebauten Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin forschte und arbeitete, von den Nazis dann aber in den Schwarzwald vertrieben wurde. Eine durch und durch spannende Lebensgeschichte.

Zurück zu den Hürden, die Sie überwinden wollen …

… vielleicht liegt es auch an den schwindenden Mitarbeiterressourcen im Buchhandel, dass immer weniger Zeit bleibt, sich auch mit kleineren Verlagen zu befassen. Alles muss schneller gehen, da bleibt wenig Zeit für einzelne Titel. Und natürlich die Konzentration im Einkauf der großen Buchhandelsketten. Generell wird der deutsche Buchmarkt sehr stark von den großen (Konzern-)Verlagen beherrscht. Als kleiner, unabhängiger Verlag können wir natürlich weder bei den Werbe- und Marketingkosten noch bei Vertriebsunterstützungen mithalten. In Österreich können wir besser punkten: wir sind bestens vernetzt und können das österreichische Markenimage gut einsetzen.

Und das wollen Sie jetzt ändern.

Ja, das würde ich jetzt gerne ändern. Den österreichischen Charme unserer Bücher und unser Motto „Klein, aber fein“ müssen wir einfach stärker verkaufen! Wir haben großartige Autor:innen und spannende Themen – für den gesamten deutschen Sprachraum.

Dann machen Sie doch den ersten Schritt, erzählen Sie mir mehr.
Im Zuge des Neuaufbaus des Ueberreuter Erwachsenenprogramms ab 2014 wurde neben dem Schwerpunkt Sachbuch eine erfolgreiche zusätzliche Öffnung zum Thema Belletristik, insbesondere Krimis, umgesetzt. Die Anfangsjahre waren schwer, der Verlag war vor dem Verkauf leider wirtschaftlich sehr schwach und hatte auch viele Autor:innen verloren. Aber durch harte Arbeit ist es uns gelungen, das Ruder wieder herumzureißen, die positive Wahrnehmung der Marke aus vergangenen Jahren wieder zu beleben und auszubauen.

Und Ihr Programm? 
Eine besondere Freude sind natürlich die Krimis, aber auch im Sachbuch sind wir stark. Carl Ueberreuter steht im österreichischen Buchhandel heute für erfolgreiche Bücher und ist beständiger Bestseller-Lieferant und in den Bestseller-Listen vertreten. Carl Ueberreuter ist  Heimat für Biografien, große Künstler, aktuelle gesellschaftsrelevante Themen (Politik, Wirtschaft, Zeitgeist) oder Populärwissenschaft und Humor. Wir waren zum Beispiel jahrzehntelang der Verlag des leider verstorbenen, unvergleichlichen Karikaturisten Manfred Deix.

Und natürlich haben Sie  viele Bücher über die Habsburger im Programm.

Wieder ja, aber nicht nur über Sisi und Franzl. Herausragend und erwähnenswert bei uns ist auch zum Beispiel die zeithistorische Bestseller-Trilogie von Herbert Lackner (Als die Nacht sich senkte, Die Flucht der Dichter und Denker, Rückkehr in die fremde Heimat), da geht’s auch um unsere gemeinsame Geschichte. Diese Bücher würden sicherlich auch die deutschen Leser:innen begeistern. Carl Ueberreuter steht für Themenvielfalt, Wissen und – heutzutage wichtiger denn je – Unterhaltung, denn die Menschen wollen unterhalten werden. Damit sind Österreicher und Deutsche gleichermaßen zu bewegen.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz
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