Heute wird Christian von Zittwitz 75 Jahre alt. Das ist Anlass, den Erfinder des Sonntagsgesprächs einmal selbst zu einem solchen zu bitten. Sein Freund Peter Prange befragt den Gründer, Herausgeber und bisherigen Chefredakteur von BuchMarkt:

Laut Personalausweis wirst Du heute 75, davon sieht man Dir allerdings maximal 65 an. Verrate uns das Geheimnis Deines blendenden Aussehens.
Christian von Zittwitz: Peter, untertreib nicht so, ich sehe höchstens aus wie 63, höre leider aber nur wie 80. Und meine Gelenke siehst Du auch nicht, Tennis geht zum Beispiel auch nicht mehr.
Du hast Tennis gespielt, obwohl Du früher gequalmt hast wie ein Schlot? Auf Facebook hast Du kürzlich ein Foto gepostet, als Du mit gerade mal 23 Jahren den BuchMarkt herausgebracht hast. Wie kam es eigentlich zur BuchMarkt-Gründung?

Nicht nur ich fand damals das Börsenblatt einfach langweilig. Und ich fand, dass eine Fachzeitschrift für die Buchbranche genau das nicht sein dürfte. Klaus Werner gab mir nach meiner Lehre in seinem Verlag die Chance das zu beweisen, und so bin ich daran “schuld”, dass das Börsenblatt heute auch nicht mehr langweilig ist; unsere Kollegen in Frankfurt wurden damals von Roland Ulmer zu Änderungen verdonnert.
Auf dem Foto strotzt Du vor Selbstbewusstsein: Ein junger Mann, der sich anschickt, mit dem BuchMarkt den Buchmarkt zu erobern. Ging es gleich vom Start weg bergauf?
Nein, das hat ganz schön lange gedauert, aber es kam mir nicht schwer vor. Zum Glück wusste ich nicht, was Jakob Augstein viele Jahre später erst in seinem schönen Gartenbuch Die Tage des Gärtners als Rat für angehende Gärtner (beinahe wäre ich dadurch einer geworden, denn es ist stellenweise eine kleine Lebensphilosophie, wie ich merkte) sinngemäß schreibt: „Wenn man keine Ahnung hat, dann kommt einem alles leicht vor. Wenn man dann merkt, worauf man sich eingelassen hat, glaubt man es nicht zu schaffen. Aber wenn man dann noch ein bisschen mehr Ahnung hat, weiß man, man kriegt es irgendwie hin.“ Zweifel und dann Ängste hatte ich bald nach dem Start tatsächlich auch.
Aber jetzt nicht mehr?
Eine wenig mehr Ahnung habe ich ja jetzt, deswegen glaube ich: Irgendwie kriege ich es hin.
Worauf bist Du besonders stolz von alledem, was seitdem passiert ist?
Dass ich es bisher hingekriegt habe.
Was waren Deine drei größten Erfolge?
Meine drei Kinder, meine Ehe mit Dörthe und gemeinsam mit ihr die Gründung von Mrs. Books. Hier in Meerbusch denken die Kinder, das englische Wort für Buchhandlung heiße Mrs. Books. Für den deutschen Buchhandelspreis hat es aber, was unsere Kunden wundert, bislang nicht gereicht.
Gehört das zu Deinen drei, falls Du so viele zusammenbekommst, größten Misserfolgen?
Das hat mehr meine Frau gewurmt. Ich war mir immer sicher, dass die Idee richtig war, den Kunden das Bestellen und das Abholen so schön wie möglich zu machen. Was vor 28 Jahren auf den Wettbewerb am Ort zielte, wurde dann auch die bislang richtige Antwort auf das Internet. Mein Frau wäre stolz gewesen auf den kleinen Videofilm, den unsere Kollegen vom Börsenblatt über Mrs. Books gedreht haben.
Und was siehst Du als Misserfolg?
Dass es mir nicht immer gelingt allen zu erklären, dass die 30.000 MitarbeiterInnen in den einzelnen Buchhandlungen im deutschen Sprachraum, also unsere Zielgruppe, wichtige „Influencer“ sind, die man umwerben und begeistern sollte, damit sie ihre Kunden besser beraten können. Dafür braucht es Handelswerbung, die aber vor allem von den Konzernverlagen immer weniger gemacht wird. Die unabhängigen Verlage haben das begriffen.
Das hört sich an, als habe Dir die Arbeit früher mehr Spaß gemacht?
Ja und nein. Die Lust überwiegt, denn wir haben täglich mit spannenden und kreativen Menschen zu tun – falls man sie spontan ans Telefon bekommt. Da hat sich ziemlich viel geändert in all den Jahren. Wenn Du heute eine Auskunft willst, ist unser Gesprächspartner in einer Sitzung oder in einem Workshop oder wir veranlassen den durch unseren Anruf. Das ist gerade im Nachrichtengeschäft lästig.
Du meinst Eure Nachrichtenseite?
Ja, für uns ist das Internet erfunden worden. Da muss ich uns als Team mal loben: BuchMarkt konnte dadurch als „langsames“ Monatsmagazin die Nachrichtenhoheit der Branche übernehmen; es motiviert uns alle hier, dass wir bei heißen Meldungen fast immer die schnellsten sind, und manchmal sogar die besten.
Schön, dass Du keine Selbstzweifel hast …
Doch, die habe ich, zum Beispiel habe ich auch nach über 50 Jahren BuchMarkt das Gefühl, man könnte manches besser machen. Aber ich scheitere ja schon daran, dass ich meinen mein Schreibtisch nie aufgeräumt bekomme. Und da ich jetzt meist von unterwegs und von zuhause arbeite, habe ich nun noch zwei Problemfälle mehr.
Würdest Du Dich als fleißig bezeichnen?
Nein. Aber wenn ich arbeite, dann möglichst schnell.
Laut Goethe ist das Glück in den Tüchtigen vernarrt. Entweder irrt sich unser aller Lehrmeister oder aber Du bist fleißiger, als Du tust. Das Glück ist ja auch Dir im Laufe Deiner Karriere immer wieder zu Hilfe gekommen. Wann am meisten?
Als ich es brauchte.
Hast Du Dir je irgendwas zuschulden kommen lassen, das Dir so peinlich ist, dass Du versucht hast, es vor der Öffentlichkeit zu verbergen? Jetzt hast Du Gelegenheit, Dein Schweigen zu brechen!
Ich verstehe Deine Frage. Und Du verstehst mich sicher, wenn ich die auch heute nicht beantworte. Aber da wir hier unter uns sind, sage ich Dir: Nein.
Du stehst im Ruf, in der Branche buchstäblich das Gras wachsen zu hören. Hast Du Dir dabei mal die Finger verbrannt?
Ich kann mich nicht erinnern, und falls Du auf einen aktuellen Fall anspielst: Warte ab, ich hatte recht.
Und würdest Du, in der Rückschau betrachtet, etwas anders machen, wenn Du noch mal von vorne anfangen könntest?
Ich weiß, welche Fehler ich gemacht habe, aber ich würde sie immer wieder machen.
Wollte Deine Frau mit Gründung ihrer „Mrs. Books“ testen, ob die Praxistipps, mit denen der BuchMarkt die Branche immer wieder inspiriert, auch tatsächlich funktionieren? Oder wollte Sie es dem – pardon – „klugscheißernden“ Ehemann eher zeigen?
Nein, sie hat wie viele BuchhändlerInnen immer vom eigenen Laden geträumt – und der hat dann sehr meinen Blick auf das „Ideenmagazin“ BuchMarkt beeinflusst und mich auf Themenideen gebracht. Das war eine ideale Verbindung, heute hilft uns dabei meine Tochter.
Wenn Du den Buchmarkt zur Zeit der Gründung des BuchMarkts mit heute vergleichst: Was sind die radikalsten Veränderungen?
Dass die Controller in unserer Branche die Macht übernommen haben. Und es ist nicht die Digitalisierung, die der Buchbranche die größten Probleme macht, aber es sind deren Folgen, wie etwa das Smartphone und damit die Veränderung der Lesegewohnheiten.
Was können Buchhändler dagegen tun?
Alles, was dazu führt, dass die Kunden lieber zu ihnen in den Laden kommen als bequem vom Sessel aus zu bestellen.
Altern ist nichts für Feiglinge, ich merke das gerade am eigenen Leib. Da Du mir ein paar Jahre voraus bist, erlaube mir eine vielleicht absurde Frage: Gibt es irgend etwas Gutes am alt werden?
Es soll schlimmer sein, wenn man es nicht wird.
Im Rückblick noch: Hat Dir der Buchmarkt durch BuchMarkt etwas gegeben?
Viel. Ich habe meinen Traumberuf gefunden und viele Freundschaften begründen können – wie auch die unsere. Ich sage das mit Dankbarkeit, auch wenn sich das sicherlich pathetisch anhört. Und ich danke unseren Abonnenten, die uns so viele Jahre die Treue halten.
Letzte Frage: Was soll – natürlich in einer möglichst fernen Zukunft – einmal auf Deinem Grabstein stehen?
Mein Name. *
*Anmerkung der Redaktion: Wir gehen davon aus, dass der dann auch ohne Tipp/Setzfehler da stehen wird, da nicht von ihm selbst gemeißelt.