Björn Biester über sein Buch "75 Jahre mediacampus frankfurt" „75 Jahre mediacampus frankfurt ist ein Stück erforschte Branchengeschichte der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart“

Das Buch 75 Jahre mediacampus frankfurt zeichnet die ungewöhnliche Entwicklungsgeschichte der Buchhändlerschule zum heutigen Mediacampus nach. Das war Anlass für unser heutiges Gespräch mit dessen Autor Dr. Björn Biester.

Dr. Björn Biester: „75 Jahre mediacampus frankfurt ist ein Stück erforschte Branchengeschichte der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart“

Worum geht es im Kern in 75 Jahre mediacampus frankfurt ? Erzählen Sie, so verstehe ich den Titel, darin alle 75 Jahre nach?

Björn Biester: Es geht mehr um die höchst ungewöhnliche Einrichtung, die 1946 von engagierten Buchhändlern und Verlegern unter schwierigsten äußeren Bedingungen im zerbombten Köln gegründet wurde und die sich später als Buchhändlerschule in Börsenvereinsträgerschaft immer weiterentwickelt hat, eben bis zum mediacampus frankfurt. Es handelt sich einerseits um eine – hoffentlich – gut und unterhaltsam lesbare und anschauliche Erzählung. Andererseits geht es um ein Stück erforschte Branchengeschichte der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.

Ich war nie auf der Buchhändlerschule, aber nicht nur meine Frau hat wie viele andere immer wieder von ihrer Zeit dort geschwärmt und von den damals dort entstandenen Freundschaften.

Ja, 75 Jahre mediacampus frankfurt ist ein Buch für alle, die eine persönliche Verbindung zu dieser Einrichtung haben. Ich habe versucht, mit Text und Abbildungen etwas von der Atmosphäre der alten Buchhändlerschule einzufangen, an der es beispielsweise über all die Jahrzehnte ein herausragendes Lesungsangebot gab (und heute natürlich immer noch gibt).

Machen Sie mir Appetit mit Beispielen?

Im Buch gehe ich näher ein auf Lesungen von Uwe Johnson, den Siegfried Unseld mitgebracht hatte, und Jurek Becker, der in Seckbach seine spätere Ehefrau kennenlernte.

Für wen  haben Sie das alles aufgeschrieben?

Na ja, es ist eigentlich ein Buch, dass interessierte Buchhändler:innen und Verleger:innen für sich selbst erwerben könnten,  zumindest alle, die dort waren.

Sie waren aber wie auch ich nicht dabei?

Die Darstellung beruht auf Quellenrecherche im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, auf Literaturauswertung und auf Gesprächen mit Zeitzeugen wie Monika Steinkopf, Heinrich Otto, Thomas Bez, Helma Fischer und anderen, ohne die mancher Aspekt unberücksichtigt geblieben wäre. Auch das hilfreiche BuchMarkt-Onlinearchiv habe ich mehrfach konsultiert und auch in einer anderen Frage freundliche Unterstützung aus Meerbusch erfahren, die Branchenpresse hat ja auch eine Chronistenfunktion!

Sie geben meiner Arbeit nachträglich einen Sinn … Aber Spaß beiseite: Ihr Anspruch der Darstellung geht noch ein Stück über eine Geschichte der Buchhändlerschule hinaus.

Dr. Hans Altenhein – er wird im September 95 Jahre alt und ist immer noch ein aktiver und kritischer Beobachter des Branchengeschehens – hatte ich eine Arbeitsfassung des Textes zukommen lassen; seine Hinweise waren nützlich, und seine Einschätzung, meine Ausführungen seien „Teil einer inneren Geschichte des Börsenvereins“, hat mich gefreut. Im Vorfeld des 200jährigen Jubiläums des Börsenvereins 2025 ist ein solcher Beitrag vielleicht willkommen, auch wenn es nur ein eher kleiner Baustein ist.

Gibt es etwas aus dem Buch, auf das wir unbedingt noch unsere Blicke lenken sollten?

In meinem Text kann man etwas über „Rheinromantik“ in einem architektonisch recht bemerkenswerten Gebäude in Köln-Rodenkirchen erfahren – das müssen für die ‚Bewohner‘ der Buchhändlerschule tolle und oft prägende Zeiten gewesen sein. Sogar das Schwimmen im Rhein war damals noch üblich, eine gewisse Sportlichkeit vorausgesetzt und wohl bei geringerer Strömung als heute. Der Umzug der Schule nach Frankfurt am Main-Seckbach erfolgte 1962 – für die Einrichtung, aber auch für den Börsenverein als Träger war das eine Zäsur. Man war nun in Westdeutschland, in der jungen Bundesrepublik angekommen …

… und Frankfurt hatte sich als Hauptort für viele Verbandsaktivitäten etabliert, mit der Buchmesse als einem internationalen Kern.

Ja, zugleich sehe ich die Seckbacher Campusarchitektur als implizites Demokratiestatement des nach 1933 kompromittierten Börsenvereins. Mit Walter Schwagenscheidt und dem erst kürzlich verstorbenen Tassilo Sittmann wurden Architekten beauftragt, die im Geiste einer sachlich-schlichten Modernität mit Wurzeln in den 1920er Jahren planten und bauten (Details kann man heute noch nachvollziehen). Finanziert wurden die Neubauten von den Mitgliedern des Börsenvereins mittels einer Umlage, auch das empfinde ich als vorbildlich.

Sie berühren auch die 1970er Jahre …

Das Buch „75 Jahre mediacampus frankfurt“ kann unter bestellung@mediacampus-frankfurt.de werden

… Das fand ich spannend, das  waren unruhige Jahre, in denen der Nachwuchs auf einmal Forderungen nach mehr Partizipation an Unterricht und Ausbildungsinhalten stellte und teilweise auch durchsetzen konnte. Es geht in dem Buch aber auch um die Entwicklung von den Schulen des Deutschen Buchhandels zum heutigen mediacampus frankfurt, für die vor allem Monika Kolb als Verantwortliche in Seckbach, Alexander Skipis als Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und die heutige Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs stehen. Wichtig finde ich last but not least den „Ausblick“ auf Künftiges, den Peter Kraus vom Cleff als Nachfolger von Alexander Skipis seit Anfang 2022 zu dem Buch beigesteuert hat.

Wie kam eigentlich zu dem Buchprojekt?

2018 und 2019 hatte ich mich im Auftrag von Thalia näher mit der Unternehmensgeschichte befasst, mit der Thalia-Gründung in Hamburg nach dem Ersten Weltkrieg, der späteren Expansion durch Jürgen Könnecke, der Entwicklung nach der Jahrtausendwende und so weiter – im Blick auf das 100jährige Thalia-Firmenjubiläum, das 2019 in Hamburg gefeiert werden konnte. Daraus ergab sich im Frühjahr 2019 eher zufällig im Gespräch mit Monika Kolb, die Idee, auch dem mediacampus frankfurt eine zeitgeschichtliche Darstellung zu widmen – und diese Idee hat auch die Corona-Pandemie überstanden, bestimmt nicht selbstverständlich angesichts der Herausforderungen für den mediacampus frankfurt. Als Historiker mit dem Schwerpunkt auf das 19. und 20. Jahrhundert machen mir solche Projekte außerordentlich viel Spaß, zumal es im Blick auf die Umsetzung vom Text zum Buch eine schöne Teamarbeit war!

Woran arbeiten Sie jetzt?

Neue Pläne habe ich noch nicht, das mediacampus-Buch ist ja gerade erst erschienen. Es kann unter bestellung@mediacampus-frankfurt.de bestellt werden (15 Euro inkl. Versand, kein Rabatt). Ich stehe mit meiner Expertise jedenfalls sehr gern als Auftragnehmer für verlags- und buchhandelsgeschichtliche Projekte zur Verfügung – am liebsten mit einer Arbeitsperspektive von mindestens zwei, drei Jahren …

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Dr. Björn Biester ist im Börsenverein für die Historische Kommission und den Antiquariatsbuchhandel zuständig und kümmert sich als verantwortlicher Redakteur um die Zeitschrift „Aus dem Antiquariat“. 

Kommentare (1)
  1. Das oder dass
    1962 war ich in Seckbach. Zu Zeiten des Direktors Erhardt, Herrn Tomm, Herrn Staemmler, Frau Schmidt, des Nachtwächters „Nacht-Maier“, der aufpasste, dass nächtens die Trennung von Männlein und Weiblein gewahrt blieb.
    Schon damals wurde darauf geachtet, dass man „das“ und „dass“ mit Vorsicht verwenden muss. Zitat:
    Buch, dass interessierte Buchhändler:innen
    Reinhold J Schmidt (Buchhändler i.R)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert