Andreas Gößling über sein Buch "Geisterschrein" (Droemer Knaur) „Ein Thriller über die Macht der Liebe, der Literatur und der Geister der Vergangenheit“

Andreas Gößling: „Es reizt mich immer wieder, Neues auszuprobieren. Wenn ich Routine bevorzugen würde, wäre ich nicht Schriftsteller geworden“(c) Christine Rabus

Andreas Gößlings neues Buch Geisterschrein ist am 2. November bei Knaur erschienen. Obwohl er mit seinen True Crime Trilogien Erfolg hatte und auf den Spiegel Bestsellerlisten gelandet ist, wagt er nun den Sprung in ein neues Genre, nämlich Psychothriller. Anlass für Fragen:

BuchMarkt: Worum geht es in dem Buch?

Andreas Gößling: Letztlich geht es in Geisterschrein um die Frage: Was ist Realität – und was nicht? Bin ich verrückt, wenn ich etwas als höchst real erlebe, das sich nach heutigem Realitätsverständnis so nicht ereignet haben kann? Oder gibt es quasi „subreale“ Erfahrungsdimensionen, die auch (und zutiefst) zur menschlichen Wirklichkeit gehören, obwohl sie mit „den Naturgesetzen“ unvereinbar scheinen?

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Wie entstand die Idee dazu?

Die Grundidee zum Buch kam mir tatsächlich in Bangkok: Eine Frau trifft in Berlin ihren Geliebten wieder, obwohl der Monate zuvor in einem Hotel in Bangkok vor ihren Augen gestorben ist. Das ist natürlich unmöglich, zumindest in einem „realistischen“ Setting, und so stellte sich mir die Frage, auf die ich zunächst keine Antwort wusste: Was für eine Art Roman soll das werden? Eine SciFi-Zeitreise-Geschichte? Eine mythisch grundierte Romanze „über den Tod hinaus“ à la „Orpheus und Eurydike“? Oder schlichtweg Fantasy? Nichts davon reizte mich, ich spürte, dass ich noch warten musste, um die mögliche Fortsetzung klarer zu sehen.

Und wie lange mussten Sie warten?

Etliche Monate. Immer wenn mir die Geschichte in den Sinn kam, wollte ich am liebsten sofort anfangen, sie zu schreiben. Aber wenn ich darüber nachdachte, wie ich sie verorten sollte, stieß ich gegen eine mentale Wand. Bis mir irgendwann klar wurde: Die Erklärung für das mysteriöse Geschehen kann nicht durch die Form, das gewählte Genre, gegeben werden. In einem Fantasy-Roman wäre es einfach eine mögliche Spielregel, dass Figuren unter bestimmten Bedingungen von den Toten auferstehen können. In einem Science-Fiction-Roman würden sich genre-übliche pseudo-wissenschaftliche Erklärungen wie Zeitreisen, „Wurmlöcher“ etc. anbieten. In „Geisterschrein“ aber muss die Suche nach der Antwort der Handlungstreiber sein. Hier ist etwas passiert, von dem die Protagonistin Grete weiß, dass es in dieser realen Welt nicht passieren kann – und von dem sie trotzdem mit allen Sinnen und jeder Faser spürt, dass es wirklich geschehen ist. Also bleibt ihr – und mit ihr den Lesern – nichts anderes übrig, als in dieser Welt nach einer Erklärung für das scheinbar Unerklärliche zu suchen.

Wieso haben Sie den Sprung in ein neues Genre gewagt?

Ich schreibe seit dreißig Jahren Romane, die man allesamt als psychologische Spannungsromane mit einem Einschlag ins Mysteriöse oder Fantastische bezeichnen könnte. Eher habe ich also mit den True-Crime-Thrillern einen Ausflug in ein anderes Genre unternommen, um danach mit Geisterschrein auf meinen literarischen Hauptweg zurückzukehren. Sicher ist es auch ein Wagnis, eingefahrene Spuren zu verlassen, aber es reizt mich immer wieder, Neues auszuprobieren. Wenn ich Routine bevorzugen würde, wäre ich nicht Schriftsteller geworden.

Laut Klappentext handelt es sich bei „Geisterschrein“ um einen Mix aus Psycho- und Mysterythriller. Was fasziniert Sie daran so?

Wie eben schon angedeutet, ist es der Einbruch des Irrealen, Mysteriösen, scheinbar Unerklärlichen in die festgefügte Realität, der mich fasziniert und zu immer neuen Versuchen inspiriert hat, den verborgenen Facetten der Wirklichkeit auf die Spur zu kommen.

Im Lauf der Jahrzehnte habe ich unter anderem Romane (und Sachbücher) über die Kultur der alten Maya („Die Maya-Priesterin“), über Voodoo oder über Magie und Alchemie im europäischen Mittelalter („Faust, der Magier“) geschrieben. Durch die Genre-Brille betrachtet, waren es mal „historische Romane“, dann wieder „Dark Fantasy“ oder „Mystery-Thriller“. Durch meine eigene Brille besehen, war ich aber immer auf der Spur „subrealer“ Erfahrungs- und Bewusstseinsdimensionen, die mit dem heutigen Verständnis von Realität und Normalität schwer vereinbar sind und doch unabweisbar zum menschlichen Erfahrungsspektrum gehören. Ich habe mit Schamanen, Voodoopriestern und anderen Menschen gesprochen (auch mit Mördern), die in psychischen „Sonderzuständen“ unglaubliche Dinge erlebt haben und zu unfassbaren Handlungen imstande waren. Man kann die „Realität“ dieser Erfahrungen bezweifeln, aber die Intensität solcher Erlebnisse ist durch keines ihrer modernen Surrogate und Simulationen – ob Abenteuersport oder Fantasy-Spiel im Metaverse – auch nur annähernd zu erreichen.

Welche Zielgruppe sprechen Sie mit dem Buch an?

„Geisterschrein“ ist Krimi, Liebesgeschichte, Psychothriller, existentielles Verwirrspiel und einiges mehr. Entsprechend ist das Buch für alle Leserinnen und Leser geschrieben, die spannende, sinnliche, romantische Geschichten mögen und für überraschende Erfahrungen offen sind. Literarisch Versierte können sich an teilweise satirischen Schlaglichtern auf den aktuellen Literaturbetrieb erfreuen, aber wer sich etwa mit „Autofiktion“ bislang nicht befasst hat, kommt genauso auf seine Kosten.

Denken Sie, dass Ihre LeserInnen Ihnen treu bleiben und auch dieses Buch mögen?

Wer bislang nur meine True-Crime-Trilogie kannte, wird trotzdem manches wiedererkennen – weibliche Haupt- und Perspektivfiguren hier wie dort oder die fantastischen Gegenwelten, in die man in psychischen Ausnahmezuständen gerät. Und natürlich die Spannung, den Suspense oder Thrill, die alle meine Romane prägen.

Wer mich schon länger liest, wird in „Geisterschrein“ Grundmotive aus vielen meiner Bücher wiederfinden – von „Der Irrläufer“ (1993) über „Faust“ (2007) bis zu dem zweibändigen All-Age-Roman „Opus“ (2010).

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch im Laden gut verkaufen?

„‘Geisterschrein‘ ist ein hochraffinierter Thriller voller Spiegelungsgeschichten, mitreißend auch für literarisch geschulte oder abgebrühte Leserinnen und Leser.“ (Eva Geulen, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung)

Welche drei Wörter beschreiben das Buch ideal?

Spannend, romantisch, überraschend

Franziska Altepost

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