Wie müssen wir uns das Leben der buddhistischen Nonnen vorstellen? Anne Siegel gibt Einblick in eine Welt, die uns bislang verschlossen blieb

Anne Siegel/ Durch Klick aufs Foto geht’s zur Autorenhomepage

Immer freitags hier ein Autorengespräch: Heute mit Anne Siegel zu ihrem neuen Buch „Die Ehrwürdige“ (Benevento/ET 21.September):

Anne Siegel ist als Journalistin, Hörspielautorin, Drehbuchautorin und Dokumentarfilmerin für deutsche und US-Produktionen tätig. Mit Nordbräute war sie 2015 für das beste Romandebüt für den Hamburger Literaturpreis nominiert. Gerade ist ihr neuestes Buch Die Ehrwürdige bei Benevento erschienen, die Biografie einer spirituellen Frau aus Deutschland (Kerstin Brummenbaum, jetzt Geshe Kelsang Wangmo), die 20 Jahre Philisophie studierte und zur weiblichen Gelehrten des tibetischen Buddhismus wurde. Anlass für uns mit Anne Siegel über eine fremde Welt zu reden, die vielen von uns bisher verschlossen blieb.

BuchMarkt: Frau Siegel, worum geht es in Ihrem Buch?

Anne Siegel: Es geht um die erste Frau weltweit, die im tibetischen Buddhismus zur Gelehrten, zur Geshe, ernannt wurde. Dass diese Kelsang Wangmo, die seit Jahrzehnten in Dharamsala lebt, ausgerechnet eine gebürtige Deutsche ist, war so bislang noch nicht erzählt worden.

In der weltweiten buddhistischen Community ist Kerstin Brummenbaum unter ihrem tibetischen Namen sehr prominent. Sie ist die erste Frau, die das Studium der tibetisch buddhistischen Philosophie abschloss. Kurz darauf erhielt sie den Gelehrtentitel „Geshe“. Der war bis dahin nur Männern vorbehalten. Es geht im Buch also auch um die Geschlechtergerechtigkeit im tibetischen Buddhismus. Seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama hat mehr als drei Jahrzehnte lang daran gearbeitet, die eher verknöcherten männlichen Gelehrten des tibetischen Buddhismus davon zu überzeugen, dass Frauen im Ur-Buddhismus die gleichen Rechte zugebilligt werden.

Der Beginn einer Zeitenwende?

Richtig. Denn nun erhalten die Nonnen in dieser Religion sogar die volle Ordination. Das stellt nicht nur einen unglaublichen Paradigmenwechsel dar, das hatten viele nicht mehr für möglich gehalten, denn in der ganzen Geschichte des tibetischen Buddhismus war dies nur Mönchen vorbehalten. Die buddhistischen Nonnen wurden damit bislang bildlich immer in die zweite Reihe verwiesen.

Wie kam es zur Buch-Idee?

Die Buch-Idee entstand, weil ich jahrelang vergeblich das Portrait Kelsang Wangmos bei deutschen Fernsehsendern angeboten hatte und mein Agent exakt so einen Stoff suchte. Die Geschichte lag schon seit Jahren in meiner Schublade!

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen?

Die Leserinnen und Leser erhalten einen Einblick in eine Welt, die uns bislang verschlossen blieb. Wie müssen wir uns das Leben der buddhistischen Nonnen vorstellen? Leben Kelsang Wangmo und die anderen hinter Klostermauern? Welche Gelübde haben sie  und wie weltlich können sie überhaupt sein? Wie arbeiten sie und was bedeutet das für ihre täglichen, religiösen Rituale? Wie blicken die Nonnen, die aus dem Westen stammen, heute auf die Industrieländer und auf das hier entstandene, große spirituelle Verlangen, das den Buddhismus als die bessere Religion und damit große Projektionsfläche für ein besseres Leben sieht? Welche Antworten haben sie darauf und was können wir von diesen klugen Frauen lernen, die West und Ost auf so spannende Weise in ihrem Leben und Arbeiten miteinander verbinden?

Welche Leserschaft soll angesprochen werden?

Alle, die sich für Buddhismus oder für persönliche ‚Transformation‘ aller Art interessieren, aber vor allem ist Die Ehrwürdige die Biografie einer ungewöhnlichen Gelehrten aus Deutschland, nämlich einer, die auszog, um mutiger zu werden und die im Leben nicht damit rechnete, dass sie nicht mehr nach Deutschland zurückkäme, weil sie auf der Suche nach dem besten Schokoladenkuchen der Welt ihre Bestimmung an einem ziemlich exotischen Ort fand, an dem sie nur durch Zufall landete.

In welchem literarischen Umfeld kann das Buch sinnvoll platziert werden?

Ebenso neben Biografien wie Señora Gerta-Wie eine Wiener Jüdin auf der Flucht nach Panama die Nazis austrickste aber auch zwischen Eckhard Tolles Jetzt und Alexandra David-Néels Tibet Abenteuern würde es passen, weil sich auch ein Stück Lebenshilfe und tibetische Kultur dahinter verbirgt. Mit dem Kapitel der charismatischen Nonne Tenzin Palmo über das geheiligt Weibliche in der Geschichte des tibetischen Buddhismus hat das Buch sogar theosophische Elemente. Der Dalai Lama schrieb das Vorwort, das war eine echte Überraschung für mich.

Was lesen Sie privat gerne/aktuell?

Ich liebe meinen Beruf sehr, es gibt nur einen einzigen Nachteil: Vor lauter Bücherschreiben, komme ich selber viel zu wenig zum Lesen, das finde ich unheimlich schade, denn das ist leider der Preis eines glücklichen Schriftstellerinnenlebens –  sonst fällt es stets schwer, den Sound der eigenen Bücher zu finden. Dadurch ist mir das Lesen anderer Bücher unheimlich kostbar geworden. Gerade lese ich Gott, hilf dem Kind von Toni Morrison.

 

 

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