"Liebe Freundin, Ratgeberin, beste und meinungsstärkste Lektorin der Welt: danke für alles, was du uns beigebracht hast! Annette C. Anton (60)

Heute feiert Annette C. Anton ihren sechzigsten Geburtstag. Die Programmleiterin Besser leben bei Penguin Random House war zuvor Verlagsleiterin bei campus, Agentin bei Mohrbooks und Leitende Lektorin Sachbuch in der Aufbau Verlagsgruppe. In diese Zeit zurück reicht der Beginn der Freundschaft von Annette Anton mit zwei jungen Menschen, die es heute selbst in verantwortungsvolle Positionen gebracht haben: Dr. Constanze Neumann leitet heute die Aufbau Verlage und Karsten Kredel die Ullstein Buchverlage. Die beiden gratulieren an dieser Stelle ihrer Freundin:

Annette C. Anton (© Thomas Dashuber)

Ein Abend zu Beginn des 21. Jahrhunderts, und das Leben einer Lektorin ist exakt so, wie wir es uns vorgestellt haben: In einem winzigen Zimmer unter der Dachschräge eines frisch sanierten Gründerzeitbaus in der Mitte Berlins stapeln sich mit Gummibändern zusammengehaltene Manuskripte, die Seiten exakt bündig. Etwa ein halbes Dutzend davon passen in die geräumige Handtasche der Inhaberin des Büros: Dr. Annette C. Anton, leitende Lektorin im Aufbau-Verlag. Die Tasche muss diese Last oft tragen, Frau Anton liest viel und ist viel unterwegs, kommt kurz rein, ist wieder weg, oft, um anderswo in Ruhe zu redigieren. Denn das ist eines der ersten Dinge, die wir von ihr lernen: Der Text ist das Wichtigste überhaupt – wenn man die Wahl hat, Zeit mit ihm oder in einer Sitzung zu verbringen, liegt die Entscheidung auf der Hand. Dem Text gebühren das präzise Handwerk und die Zuneigung.

Frau Anton ist also manchmal nicht da, aber das passt so, denn das Büro ist winzig, und wir sind immer da: auch an diesem Abend ist die Bürozeit längst zu Ende, doch in unseren WGs erwartet uns eh nur Ärger und Trostlosigkeit: hier dagegen, unter dem Dach, ist das Paradies. Nur aufregender.
Wir sind hier als Praktikanten, und Annette Anton ist für uns der größte anzunehmende Glücksfall. Sie hat uns ihr Büro geöffnet, und sie lässt uns machen. Ihr Blick ist streng, kompromisslos und vermutlich unfehlbar, aber sie vertraut darauf, dass es funktioniert. Oder zumindest den Versuch wert ist. Sie bringt uns bei, wie man mit Autorinnen und Übersetzern umgeht, das ist die zweite Lektion. Wir ahnen noch nicht, dass wir gerade fürs Leben lernen.

Einmal ist sie drei Wochen in Australien, und ab da sitzen wir noch länger im Büro, wegen der Zeitverschiebung und der vielen Aufgaben, die sie uns anvertraut hat. Wir machen dies, wir machen das, wir hören zu und reden mit, wir dürfen in grenzenloser Unbedarftheit zukünftige Bestseller absagen, die dem studentischen Blick nicht standhalten – auch das gehört zur Schule, es muss einem nur auffallen hinterher. Wir holen uns Essen ins Büro, peinlich genau darauf achtend, nicht zu krümeln und keine Kaffeeflecken auf die Manuskripte zu machen, wir stehen vor dem Fenster, schauen hinüber zur S-Bahn und führen epische Telefonate mit starrsinnigen Herausgebern. Wenn der Scout aus New York anruft, sind wir aufgeregt und bringen kaum ein Wort hervor. Wir haben zu tun, wir sind beschäftigt. Einmal – wir sind gerade beide am Telefon – läuft eine Kollegin vorbei, steckt den Kopf ins Büro und sagt: Oh, ihr spielt Verlag!
Ja, das tun wir: Wir spielen Verlag. Es ist ziemlich großartig, und es wird unsere Leben verändern.

Irgendwann, die Sonne ist längst hinterm Hackeschen Markt versunken, müssen wir schließlich doch zurückgehen in unsere traurigen WGs. Wir packen unsere Sachen zusammen, achten darauf, dass kein Manuskript auf dem Boden liegt (die Putzfrau!) und knipsen das Licht aus. Mehr als zwei Jahrzehnte später schließen wir morgens unsere eigenen Türen auf (eine von uns die eines Büros im Aufbau Verlag, in dem immer noch der alte hölzerne Lektoratsschrank aus Annette Antons Zimmer am Hackeschen Markt steht), und manchmal ist es, als würden wir eigentlich die Stube unter dem Dach betreten, in der alles begann – das sind die besten Tage, die Tage, an denen wir wissen, worum es geht: Die Texte und die Autorinnen. Wir spielen immer noch Verlag, denn Verlag machen ist immer ein bisschen wie Verlag spielen, und man weiß selten, wie es ausgeht – jedes Buch ist ein neues Land, und das ist das dritte Allerwichtigste, was wir damals fürs Leben gelernt haben, in der wunderbaren Schule der Annette Anton.

Liebe Annette – liebe Freundin, Ratgeberin, beste und meinungsstärkste Lektorin der Welt: danke für alles, was du uns beigebracht hast! Und danke, dass du uns all die Jahre begleitet hast, beruflich wie privat. Es gibt so viele Gründe, dich zu feiern, da kommt ein runder Geburtstag gerade recht.

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