Daniel Kampa über sein neues Oktopus-Programm im Frühjahr 2021 „Auch kleine, unabhängige Verlage können verkäufliche Bücher machen“

Am Donnerstag hatten wir das gemeldet: Der Kampa Verlag startet im Frühjahr 2021 mit Oktopus Bücher  noch einen Verlagsarm neben (neben Gatsby, Kampa Rockets und  Kampa Salon). Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch und Fragen an Daniel Kampa:

Daniel Kampa als Oktopus mit seinem neuen Oktopus-Programm: „Jetzt in diesen Zeiten sind doch Bücher, die explizit unterhalten wollen und Farbe ins Lesen bringen, genau das Richtige“

In der Ankündigung zum neuen Oktopus-Programm schreiben Sie, als „kleiner, unabhängiger literarischer Verlag und kein Konzern“ könnten Sie zum Glück machen, wozu Sie Lust haben. Worauf haben Sie denn mit Oktopus Lust?

Daniel Kampa: Auf gute, verkäufliche Unterhaltung.

Das würde ich schon gern genauer wissen.

Es gibt ja im Verlagsjargon diesen Programmbereich, der »upmarket commercial« genannt wird. Gemeint ist anspruchsvolle, aber zugleich auch verkäufliche Literatur. Ich persönlich habe mich mit dem Begriff immer schwergetan, impliziert er doch, dass Bücher, die gemeinhin als literarisch gelten, unverkäuflich sind.

Andersherum gibt es ja aber auch kommerzielle Bücher, die sich als Flop erweisen …

…  deshalb würde ich würde das Oktopus-Programm eher von der Programmstruktur her definieren: Es soll in jedem Programm drei belletristische Titel geben (davon eine Wiederentdeckung), zwei, maximal drei Krimis (hier auch mit einer Wiederentdeckung) und vielleicht noch ein Geschenkbuch. Mehr nicht.

Als Sie vor Jahren neu Verleger des Hoffmann und Campe Verlags in Hamburg wurden haben Sie dafür dort auch den Atlantik Verlag aus der Taufe gehoben …

Das hat man mir sichtlich nicht vergessen. Nachdem bekannt wurde, dass wir das Oktopus-Programm lancieren, habe ich im Internet gelesen »Schade, dass das Imprint nicht Atlantik heißen kann. Das wäre ein toller Name. Bin aber sehr gespannt …«. Bei diesem Kommentar musste ich schon schmunzeln.

Jetzt, wo Sie das sagen, fällt es mir auch auf …

… ja, Oktopusse leben auch im Atlantik. Unser Oktopus-Programm soll aber bewusst kleiner und kompakter sein. Da wäre ein Vergleich mit dem Eisele Verlag passender, den ich sehr schätze: Frau Eisele macht ein überschaubares Programm mit starken Titeln und einer eigenen Handschrift.

Wissen Sie noch, wie Sie damals den Atlantik Verlag erklärt haben?

Das musste das damals so oft erklären, das ich davon geträumt habe. Ich habe ein Zitat von Ernst Ludwig Kirchner, dem berühmten Künstler der Brücke, bemüht, der nicht nur ein großer Maler, sondern auch ein begnadeter Zeichner war. »Meine Zeichnungen duze ich«, pflegte er zu sagen, »meine Gemälde sieze ich«. In diesem Sinne sollte der Hoffmann und Campe der Verlag zum Siezen sein, während der Atlantik Verlag geduzt werden konnte.

„Auch kleine, unabhängige Verlage können verkäufliche Bücher machen.“ (Durch Klick auf Cover zum Blättern in der Oktopus-Vorschau)

Gibt es für einen Programmbereich wie Oktopus überhaupt Platz neben den großen Konzernverlagen und deren Marketing- und Vertriebskraft?

Ich glaube schon. Die großen Verlage werden immer kommerzieller, planen kurzfristiger, rennen jedem Trend hinterher, das Programm wird austauschbarer, wobei die Qualität dann schon mal auf der Strecke bleibt oder am Ende alle Bücher gleich aussehen. Viele Buchhändlerinnen und Buchhändler haben da den Überblick oder auch die Lust verloren. Das Oktopus-Programm ist überschaubar und vom gestalterischen Auftritt geschlossen. Auch kleine, unabhängige Verlage können verkäufliche Bücher machen.

Können Sie sich auch inhaltlich von den Großen absetzen?

Das wollen wir unbedingt. Vielleicht lässt sich das anhand der beiden Wiederentdeckungen im Oktopus-Programm zeigen. Unser Sommer im Mirabellengarten von Rumer Godden, ein magischer Sommerferien- und Liebesroman, der in England als »minor classic« gilt und seit dem Erscheinen der Erstausgabe 1958 immer wieder neue Lesergenerationen (vor allem Frauen) in seinen Bann schlägt. Es ist ein Lieblingsbuch vieler Briten, vergleichbar etwa mit Ein Monat auf dem Land von J. L. Carr. Hier war es ja mit Dumont auch ein unabhängiger Verlag, der diesen literarischen Schatz gehoben und mit viel Engagement und Leidenschaft einen Bestsellererfolg auch im deutschsprachigen Raum daraus gemacht hat. Unser Sommer im Mirabellengarten hat auch das Zeug dazu.

Ihr Herz schlägt aber sichtlich auch bei Oktopus für den Krimi …

… Sie meinen Nur der Mond war Zeuge von Josephine Tey? Ja, das ist übrigens der Lieblingskrimi meiner Kampa-Bestsellerautorin Louise Penny, die ein sehr persönliches Vorwort für die deutsche Ausgabe geschrieben hat. In England wird Josephine Tey von der Kritik als beste Krimiautorin des 20. Jahrhundert gehandelt (weit vor Agatha Christie).

Es gibt sogar eine Serie, in der eine Autorin Josephine Tey zur Ermittlerfigur gemacht hat.

Ja. Und Nur der Mond war Zeuge ist wirklich ein Vintage-Krimi vom Feinsten, unglaublich zeitlos, obwohl 1948 erstmals erschienen. Ein großer Konzernverlag in Deutschland würde den Roman nie als Hardcover neu bringen – außer er steht in England auf der Bestsellerliste oder eine Kinoverfilmung ist im Gespräch. Wir machen es einfach, weil uns Louise Penny mit ihrer Begeisterung angesteckt hat und wir uns in diesen Krimi verliebt haben.

Aber es gibt bei Ihnen nicht nur „Vintage“ – Autoren?

Wir freuen uns auf zwei Debüts im ersten Oktopus-Programm: Mit Ruthchen schläft einen charmanten Roman von Kerstin Campbell, in dem ein Berliner Vermieter ausnahmsweise mal keine alte Mieterin loswerden will, sondern im Gegenteil mit allen Mitteln versucht, dass sie weiterhin in ihrer Wohnung leben darf, weil sie für ihn zur Ersatzfamilie geworden ist. hat mich an Anna Gavalda oder Mariana Leky erinnert hat.

Und das andere Debüt?

Das ist das von Eberhard Michaely. Er ist eigentlich Musiker, verdient aber sein Geld als Busfahrer der Hamburger Verkehrsbetriebe und hat einen wunderbaren Krimi mit einer ungewöhnlichen Ermittlerin geschrieben, in die sich jeder Leser sofort verliebt wird, das ist Frau Helbing, pensionierte Fleischereifachverkäuferin nach 40 Jahren hinter der Theke in der eigenen Metzgerei im Hamburger Grindelviertel. Es ist Michaelys erstes Buch, und wir alle im Verlag waren erstaunt, als wir es geprüft haben: so gut geschrieben, voller liebenswürdiger Charaktere. Michaely ist ein Naturtalent, von dem noch viel zu erwarten ist. Als Busfahrer fährt er in Hamburg auf der Linie 5, der meistbefahrenen Buslinie Deutschlands mit 60 000 Fahrgästen täglich. Ich bin überzeugt, dass er schon bald ebenso viele, wenn nicht mehr Leserinnen und Leser hat.

Und ich sehe, ein neuer Roman von Rainer Moritz erscheint auch bei Oktopus.

Wir kennen uns natürlich aus meiner Zeit in Hamburg. Für den Kampa Verlag hat er in der Vergangenheit bereits einige Maigrets übersetzt und ein Nachwort geschrieben. Als er uns seinen neuen Roman Als wär das Leben so angeboten hat, war mir gleich klar, dass er perfekt in unser Oktopus-Programm passen würde. Rainer Moritz erzählt darin die Lebensgeschichte einer ganz besonderen Frau, in einer glasklaren Sprache und doch voller Wärme.

Ist das nicht sehr mutig, jetzt in Corona-Zeiten mit einem weiter em Programmzweig zu starten?

Ja und nein. Als wir diesen Sommer unsere eigene Taschenbuchreihe Kampa Pockets lancierten, hatten wir auch so unsere Zweifel, ob das kurz nach dem Lockdown funktionieren würde. Das Thema der ersten Serie, »Bücher von Frauen über Frauen mit Coverillustrationen von Frauen«, die Ausstattung und die Gestaltung, der grüne Touch der Reihe (es ist die erste klimaneutrale Taschenbuchreihe) kamen unglaublich gut an. Wir wurden dann aber von der Resonanz und den Bestellzahlen positiv überrascht.

Nennen Sie Zahlen?

Wir sind mit dem Nachdrucken nicht hinterhergekommen und haben über 100 000 Bücher verkauft. In Krisenzeiten achten einige Leserinnen und Leser mehr aufs Geld, war zudem unser Eindruck. Vielleicht kann man das für Oktopus so formulieren: Durch die Corona-Restriktionen und die angespannte wirtschaftliche Lage ist die Laune nicht gerade die beste, dann sind doch Bücher, die explizit unterhalten wollen und Farbe ins Lesen bringen, genau das Richtige.

Sie knabbern auch am Geschenkbuch-Segment?

Ja, im ersten Oktopus-Programm haben wir auch ein Geschenkbuch mit dem Titel Seite an Seite. 50 Liebeserklärungen an das Lesen, in dem ein Kapitel dem unabhängigen Buchhandel gewidmet ist. Natürlich hoffen wir sehr auf dessen Unterstützung und Begeisterung.

Und was kommt jetzt als Nächstes?

Viele schöne Bücher, aber nicht noch ein Verlag, die Familienplanung ist definitiv abgeschlossen. Bei KAMPA erscheint Literatur, ein großer Krimibereich mit Simenon als Leuchtturm, die Gesprächsreihe Salon und die Pockets, bei GATSBY Klassiker und moderne Klassiker – jetzt gibt es noch OKTOPUS als dritten Programmarm. Mit dieser Programmstruktur können wir alle Bücher machen, die wir machen wollen.

Also keine Wünsche offen?

Wenn ich mir noch etwas vom Nikolaus wünschen könnte, würde ich den Bereich Bilder- und Kinderbuch gern etwas ausbauen. Wir hatten bereits schöne Erfolge mit Die verlorene Seele der Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk und Weg war das Ihmchen! von Jan Philipp Reemtsma und Nikolaus Heidelbach.

Und dann doch noch, dass das Weihnachtsgeschäft nicht nur für uns, sondern allgemein für die Branche anständig oder – noch besser – gut sein wird, trotz aller Restriktionen. Auf unserem Weihnachtsplakat und den Abstandsmarkierungen mit Zeichnungen von Nikolaus Heidelbach, die wir für das Corona-Weihnachtsgeschäft an den Buchhandel verschickt haben, steht der Satz: »Bücher sind – mit Abstand – das schönste Weihnachtsgeschenk«.

Verraten Sie mir noch, warum bei der Suche nach einem Name für Ihren neuen  Programmteil auch der Name »Sydney« im Spiel war?

Weil ich so von meinen Klassenkameraden genannt wurde, als ich aufs Gymnasium nach Luxemburg kam. Das hätte man auch einfach erklären können: Neben dem Kampa Verlag mit meinem echten Namen hätte es einen Programmteil mit meinem Spitznamen gegeben. Aber wir fanden dann, dass das falsche Assoziationen wecken könnte, ein wenig zu urban, zu sehr nach der australischen Millionenmetropole klang.

Warum wurden Sie Sydney genannt?

Das, lieber Herr von Zittwitz, erzähle ich Ihnen mal bei einem Bier in Meerbusch, ein Besuch ist längst überfällig.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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