Jonas Wagner über sein Buch "Diabolisch" (HarperCollins) „Auslöser meiner Idee war ein Geschehnis in meiner eigenen Familie“

Geheimnisvoll: Jonas Wagner hat im Personalwesen viel über Menschen gelernt. Als Geschäftsführer zweier Unternehmen hat er sich intensiv mit Gruppendynamiken beschäftigt. Als sein Jugendfreund nach einem Bankraub mit Geiselnahme in den Knast wanderte, begann er, sich für die Abgründe des Menschlichen zu interessieren

„Eine perfide Hetzjagd und die virtuose Inszenierung von Rache“ verspricht der neue Thriller von Jonas Wagner, der dieser Tage bei HarperCollins erschienen ist. Wir haben den geheimnisvollen Autor zum Gespräch gebeten:

BuchMarkt: Herr Wagner, im Ernst: Sie schicken uns einen Fingerabdruck als Autorenfoto?

Jonas Wagner: Es ist ein Abdruck meines großen Zehs. Für einen Fingerabdruck bin ich viel zu paranoid.

Und das Copyright liegt beim BKA?

Gottes Wege sind unergründlich …

Paranoid könnte man auch werden, wenn man Ihren neuen Thriller liest. Ihr Body-count ist ja ziemlich astronomisch …

Da sagen Sie was. Aber ich hatte das dringende Bedürfnis, mal ein ganzes Dorf zu massakrieren. Zumindest den Teil des Dorfes, der eine schwarze Seele hat. Als Autor genießt man das Privileg, solche Fantasien ausleben zu können, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Es scheinen dann doch einige Bewohner zu sein, die eine „schwarze Seele“ haben. Und Sie gehen nicht zimperlich mit ihnen um. Die Liste der Todesarten würde den Rahmen unseres Interviews sprengen.

Ja. Das war eine Herausforderung. Ich wollte zwar grausam sein, aber nicht widerlich. Wenn das Blut spritzt, finde ich das erbärmlich. Das zeigt nur, dass man den Lesern keine Fantasie zutraut. Dabei ist der mächtigste Verbündete eines Thrillerautors immer noch die dunkle Blüte der Leserfantasie.

Die gießen Sie jedenfalls ausgiebig. Man darf, glaube ich, verraten, dass es offenbar einen Zusammenhang zwischen der Gegenwartsgeschichte und dem Tod eines kleinen Jungen in den 1990er-Jahren gibt, den Sie in einem parallelen Handlungsstrang erzählen. Glauben Sie, dass eine so alte Begebenheit wirklich noch so große Emotionen auslösen könnte?

Auslöser meiner Idee war ein Geschehnis in meiner eigenen Familie. Vor vielen Jahren ist dort ein Kind ums Leben gekommen, ein fünfjähriges Mädchen, weil es in der Küche des elterlichen Wirtshauses in einen großen Kessel mit kochendem Wasser gefallen ist. Sie wurde so schwer verbrüht, dass sie nach wenigen Stunden verstarb. Eine schreckliche Geschichte. Letztes Jahr erst sind die Eltern dieses Mädchens gestorben, beide, innerhalb von zwei Tagen. Der Vorfall hat sie ihr Leben lang gequält. Aber wer war schuld? Die Eltern, die nicht aufgepasst haben? Die Köchinnen? Die Küchenhelfer? Die Großmutter, die das Kind in die Küche geschickt hat? Oder alle zusammen? Kein Grund, jemanden zu ermorden. Es sei denn, das Motiv der Rache wird pathologisch.

Sie spielen ja den ganzen Roman hindurch mit den Vermutungen der Leser. Mal denkt man, man wisse genau, was da vor sich ginge, dann wieder scheint es völlig unmöglich …

Ja, ich habe mir ein ausgeklügeltes System zurechtgelegt. Denn ich will ja nicht nur die Opfer und die Ermittlerinnen jagen, sondern auch die Leser.

Was Ihnen offensichtlich gelingt. Kann Ihre Frau noch ruhig neben Ihnen schlafen?

Ich habe Ihr geraten, das Buch nicht zu lesen. Bisher hat sie sich daran gehalten.

Weil Sie Angst davor haben, Sie könnte Angst haben?

Vielleicht. Vielleicht auch, weil ich selber ruhig schlafen möchte?

In Ihrem Erstling „Böse“ haben Sie ebenfalls ein Schreckensszenario in einem Dorf zelebriert. Rächen Sie sich an kleinbürgerlichen Verhältnissen?

Überhaupt nicht. Das Dorf ist eine Metapher für die vermeintlich heile Welt, für die nächste Umgebung, für die „braven Leute“. Dass ich mit den düsteren Fantasien der Leser spiele, zeigt, dass es diese finsteren Mächte gibt. In jedem von uns! Und manchmal brechen Sie sich Bahn. Jeder hat schon mal gesagt: Ich könnte ihn erwürgen! Aber die wenigsten tun es. Weil wir uns kontrollieren. Aber auch in der harmlosesten Welt ist dieses Düstere vorhanden. Es ist wie ein hungriger Kampfhund, der an einer eisernen Kette lebt. Und dann, auf einmal, kommt einer und haut diese Kette durch. Das bin ich mit meinen Thrillern.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert