Anica Müller,Paulina Schaeffer, Tobias Mohr und Elke Hittinger über die Wichtigkeit des Gütesiegels für Volontariate: „Das Gütesiegel steht für faire Arbeitsbedingungen, einen angemessenen Arbeitslohn, definierte Ausbildungsinhalte und eine vertrauensvolle Betreuung“

Am 22. Oktober 2022 hat der Junge Verlags- und Medienmenschen e.V. zum insgesamt siebten Mal Unternehmen der Buch- und Medienbranche mit dem Gütesiegel für Volontariate ausgezeichnet und damit ein wichtiges Signal für einheitliche Standards bei Volontariaten gesetzt.

Wir sprachen dazu mit Anica Müller (jetzt Juniorlektorin in der Piper Belletristik-Abteilung) und Paulina Schaeffer (wird ab Januar Juniorlektorin in der Fantasy-Abteilung bei Piper) , beide waren Volontärinnen bei Piper zum Zeitpunkt der Bewerbung für das Gütesiegel. Ebenso beantworten Elke Hittinger und Tobias Mohr von der  AG Nachwuchsrechte unsere Fragen über das Gütesiegel für Volontariate:

BuchMarkt: Piper wurde 2022 erstmals mit dem Gütesiegel für Volontariate ausgezeichnet. Wieso habt ihr euch beworben?

Anica Müller

Anica Müller: Der Junge Verlags- und Medienmenschen e.V. begegnet vielen jungen Menschen auf ihrem Weg in die Verlagsbranche und bietet hilfreiche Orientierung – so auch uns. Besonders bei der Suche nach Volontariaten haben viele von uns das Gütesiegel immer wieder zu Rate gezogen. Nach mehrfachen Gesprächen untereinander, stellten wir Volontäre in den verschiedenen Abteilungen bei Piper fest, dass wir sehr glücklich mit unserer Ausbildung sind, uns gut ins Team eingegliedert fühlen und verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen dürfen. Sehr gerne möchten wir diese Erfahrung unseren Nachfolger:innen durch das Gütesiegel weiterempfehlen.

Wieso braucht in deinen Augen die Buch- und Medienbranche das Gütesiegel für Volontariate?

Paulina Schaeffer

Paulina Schaeffer: Das Gütesiegel steht unserer Meinung nach für faire Arbeitsbedingungen während einer Ausbildung. Das beinhaltet einen angemessenen Arbeitslohn, definierte Ausbildungsinhalte und eine vertrauensvolle Betreuung. Da es vor Arbeitsantritt schwierig ist, festzustellen, inwieweit diese Bedingungen gegeben sind, nimmt das Gütesiegel die Vorbehalte und gibt Suchenden an die Hand, worauf bei der Bewerbung geachtet werden kann.

Was macht ein Volontariat bei Piper aus?

P.S.: Für uns hat unser Volontariat vor allem die gute Betreuung bei Piper geprägt. Die Eigenverantwortlichkeit und das Gefühl, vollständiges Mitglied des Teams zu sein, haben uns gezeigt, dass unsere Arbeit ernst genommen wird, und wir einen Beitrag leisten, von dem sowohl wir als auch Piper profitieren. Unter anderem umfasst ein Volontariat bei Piper das Kennenlernen der Aufgabenfelder anderer Abteilungen, das Betreuen eigener Projekte und eine gute Vernetzung untereinander. Die Leidenschaft für Bücher wird bei Piper ganz großgeschrieben und so macht das Lernen und Weiterbilden unglaublich viel Spaß.

Was bedeutet Piper/dir die Auszeichnung mit dem Gütesiegel?

A.M.: Wir freuen uns sehr, dass die Arbeit unserer Ausbilder:innen durch das Gütesiegel außerordentliche Wertschätzung und Anerkennung findet. Die Auszeichnung bestätigt unser Gefühl, hier Teil einer ganz besonderen Gemeinschaft geworden zu sein, die uns auf unseren ersten Schritten im Verlagsleben begleitet und die Weichen für unsere berufliche Zukunft stellt. Außerdem ermöglicht das Siegel unseren Wunsch, diese bereichernde Zeit unseren Nachfolger:innen ans Herz zu legen. Dafür bedanken wir uns vielmals.

Werdet ihr euch in zwei Jahren wieder für das Gütesiegel bewerben?

Beide: Selbstverständlich!

Warum wurde das Gütesiegel für Volontariate ins Leben gerufen?

Tobias Mohr

Tobias Mohr: Das Gütesiegel für Volontariate wurde von AG Nachwuchsrechte des Junge Verlags- und Medienmenschen e.V. 2018 ins Leben gerufen. Ziel der seit 2014 existierenden Arbeitsgruppe ist es, die Arbeitsbedingungen des Nachwuchses in der Buch- und Medienbranche zu untersuchen, kritisch zu hinterfragen, Aufmerksamkeit für Missstände zu schaffen und Berufseinsteiger:innen über ihre Rechte aufzuklären.

Ein Volontariat ist DER übliche berufliche Einstieg in die Branche, zum Beispiel nach einem buchwissenschaftlichen oder literaturwissenschaftlichen Studium. Hinzu kommen die häufig gar nicht (gut) bezahlten (Pflicht)Praktika oder weitere berufliche Erfahrungen. Auch in anderen Mediensparten, wie dem Fernsehen oder im Journalismus, gibt es Volontariate. Von diesen haben sich die Unternehmen der Buchbranche das Volontariat sozusagen als praktische Ausbildungsmöglichkeit für Absolvent:innen abgeschaut. Wichtige Bestandteile, z.B. die bei Tageszeitungen vorhandene Vergütung nach Tarifvertrag, wurden hingegen nicht übernommen. Volontariate sind rechtlich gesehen nicht eindeutig definiert, daher gibt es keine allgemeingültigen Vorgaben.

Elke Hittinger

Elke Hittinger: Darüber hinaus gibt es regelmäßig verschiedene Meldungen zu Volontariaten mit schlechten Bedingungen – schlechter Bezahlung, Einsatz als Vollzeitersatz etc. – und auch die Rückmeldungen bei unseren 2014/15 und 2016/17 durchgeführten Nachwuchs-Umfragen haben uns dazu bewogen, dem auf diese Weise entgegenzutreten. Um auf die Probleme aufmerksam zu machen und Unternehmen hervorzuheben, die eine qualitativ hochwertige Ausbildung anbieten.

Für wen ist das Gütesiegel für Volontariate gedacht?

T.M.: Mit dem Gütesiegel zeichnen wir Unternehmen der Buch- und Medienbranche aus, die ihren Volontär:innen faire Bedingungen anbieten. Es ist also eine Anerkennung für die prämierten Unternehmen. Darüber hinaus dienen die von uns im Rahmen der Vergabe abgefragten Kriterien als Leitplanken, die den Unternehmen helfen sollen, ihre angebotenen Volontariate stetig zu verbessern.

Zugleich soll das Siegel dem Branchennachwuchs Orientierung bei der Bewerbung bieten.

Was macht ein gutes Volontariat aus?

E.H.: Bei der Erarbeitung der Kriterien für ein gutes Volontariat haben wir uns an den Vorgaben im Zeitungsbereich und den Hinweisen des Börsenverein des Deutschen Buchhandels orientiert und auch mit ver.di kooperiert. Ein essentieller Bestandteil ist eine faire Vergütung, hier setzen wir mindestens den aktuell geltenden Mindestlohn an. Ebenso wichtig ist die Qualität des Volontariats: eine gute Einarbeitung, regelmäßiges Feedback und auch die Übernahme eigener Projekte zählen dazu, dies alles wird anhand eines Ausbildungsplans dargestellt und überprüft. Weitere Faktoren wie der Austausch unter den Volontär:innen, die Möglichkeit der Teilnahme an Branchenveranstaltungen und Hospitanzen kommen als fakultative Kriterien hinzu.

(Tobias Mohr: Nicht zu unterschätzen ist auch eine angenehme, freundliche Arbeitsatmosphäre und spannende Projekte, damit das Volontariat als bereichernd und schön empfunden werden kann.

Das Keyword lautet an dieser Stelle Wertschätzung! Diese persönliche Wahrnehmung kann per se jedoch weder gemessen noch verifiziert werden, und wurde deshalb von uns nicht bei den Kriterien für ein gutes Volontariat berücksichtigt – sie geht deutlich darüber hinaus.

An dieser Stelle bietet sich ein Verweis zum Leitfaden für ein gutes Volontariat an, den wir in den letzten zwei Jahren erstellt haben: https://www.jungeverlagsmenschen.de/volo-leitfaden/)

4 Jahre später: Wieso braucht die Buch- und Medienbranche (immer noch) das Gütesiegel für Volontariate?

E.H.: Es hat sich viel gebessert in Bezug auf Volontariate, die generellen Bedingungen und auch die Bezahlung sind an vielen Stellen schon besser geworden. Das bilden unsere Auszeichnungen auch sehr schön ab. Trotzdem erreichen uns immer noch Berichte von Volontariaten, in denen es anders ist. Solange es Unternehmen gibt, die ihre Volontär:innen als billige Vollzeitkräfte ausnutzen, hat das Siegel seinen Zweck.

Welche Kriterien liegen dem Vergabeprozess zugrunde?

E.H.: Für eine Prüfung, ob das Siegel vergeben werden kann, benötigen wir einen ausgefüllten Fragebogen der Personalabteilung und mindestens von drei aktuellen Volontär:innen oder Ehemaligen, die das Volontariat innerhalb der letzten zwei Jahre absolviert haben. Diese bleiben dabei anonym. Dann prüfen wir die Ergebnisse und stellen ggf. Rückfragen. Wenn das Siegel vergeben werden kann, erstellen wir eine Urkunde und einen Bericht, der auch öffentlich einsehbar ist. Das Unternehmen erhält das Siegel zur eigenen Verwendung bei Stellenanzeigen, in Mailsignaturen etc. Kann das Siegel (noch) nicht vergeben werden, erfährt außerhalb unserer AG auch keiner von der Bewerbung.

T.M.: Der Fragebogen gliedert sich in die Unterpunkte Rahmenbedingungen, Ausbildungsinhalte sowie Organisation und Betreuung. Bei diesen gibt es jeweils obligatorische und fakultative Punkte.

Eine Bewerbung ist sowohl von Seiten des Unternehmens als auch von den Volontär:innen möglich. Wichtig ist uns, dass kein Druck auf die Volontär:innen ausgeübt wird, sich an dem Bewerbungsprozess zu beteiligen. Dennoch hoffen wir natürlich auch, dass möglichst viele Volontär:innen den Fragebogen ausfüllen.

Welche Unternehmen aus der Buch- und Medienbranche können sich für das Gütesiegel bewerben?

E.H.: Wir sind generell für Bewerbungen aus allen Unternehmen, die Volontariate anbieten, offen – ob Verlage, Agenturen, Dienstleister oder ähnliches. Unsere Expertise liegt allerdings klar im Buchbereich, daher klammern wir zum Beispiel den Zeitungs-/Zeitschriftenbereich aus. Hier gibt es zudem andere Formalia für Volontariate.

T.M.: Eine gewisse Vielfalt lässt sich bei den bereits ausgezeichneten Unternehmen ausmachen. Neben Publikumsverlagen wie Piper und Kiepenheuer & Witsch haben zum Beispiel mit dem Georg Thieme Verlag KG oder auch Narr Francke Attempto auch Wissenschaftsverlage Gütesiegel erhalten. Hinzu kommen Dienstleister wie der Grin Verlag oder Open Publishing.

Wie viele Unternehmen wurden bereits ausgezeichnet?

E.H.: Seit der ersten Gütesiegelvergabe auf der Frankfurter Buchmesse 2018 wurden insgesamt 15 Unternehmen ausgezeichnet, einige davon zum wiederholten Mal. Interessant wäre es, diese Zahl einmal ins Verhältnis zu setzen und eine kleine Bestandsaufnahme zu machen: Wie viele Unternehmen der Buchbranche bieten Volontariate an?

Was erhofft ihr euch für die Zukunft? Welche Veränderungen/Entwicklungen wünscht ihr euch in Zukunft?

E.H.: Wir wünschen uns, dass dieser Prozess noch weiter fortschreitet: dass Volontär:innen als Mitglieder der Unternehmen wertgeschätzt werden, dass sie eine faire Vergütung und ordentliche Ausbildung erhalten. Denn so profitieren alle davon, auch die Unternehmen selbst. Wir sind auf einem guten Weg! Und wir hoffen, mit dem Gütesiegel für Volontariate dabei helfen zu können.

T.M.: Und ein weiterer frommer Wunsch bleibt: Bei Volontär:innen im journalistischen Bereich ist es üblich, dass diese im Normalfall übernommen werden. Dies ist in der Buchbranche noch zu selten Usus. An dieser Stelle wäre ein Umdenken wünschenswert, denn Volontär:innen von heute sind die beste Investition in die Zukunft des Unternehmens.

 

 

 

 

 

 

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