Das Sonntagsgespräch Christiane Munsberg über „ihr“ Blaues Sofa

Das Blaue Sofa ist auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig ein Publikumsmagnet. Vor 15 Jahren feierte es in Frankfurt Premiere. Erfunden und angeschafft vom Club Bertelsmann, wird es mittlerweile auch vom Deutschlandradio und dem ZDF genutzt.

Verantwortlich für den reibungslosen Ablauf ist von Anfang Christiane Munsberg von Bertelsmann. Wir haben sie gefragt:

Christiane Munsberg

Das Blaue Sofa vom Club Bertelsmann hatte auf der Frankfurter Buchmesse 1999 Premiere. Im vergangenen Jahr wurden sie in der Kategorie Event mit dem BuchMarkt Award in Gold ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Christiane Munsberg: Die Auszeichnung bedeutet uns viel. Zum einen, weil der Buchmarkt Award die wichtigste Marketing-Auszeichnung unserer Branche ist, zum anderen, weil nach unserem Verständnis unser Blaues Sofa im besten Sinne Branchenmarketing ist. Wir haben uns sehr gefreut, dass der BuchMarkt das auch so sieht.

Ganz gleich, ob Leipzig oder Frankfurt, man erkennt das Blaue Sofa an den Menschenmassen, die davor stehen um einen Blick auf einen prominenten Autor zu werfen. Muss man berühmt sein, um aufs Sofa zu kommen?

Bei unseren Gästen achten wir mehr auf Relevanz als auf den Promi-Status. Natürlich laden wir Gäste ein, die ankommen, aber eben auch Menschen, auf die es ankommt. Unsere Interviews dauern jeweils 30 Minuten, das kann sehr lang sein, wenn jemand wenig zu sagen hat. Daher ist es wichtig, dass unsere Gäste eine Geschichte erzählen können.

Wie sehen das die Verlage?

Die Verlage sehen das olympisch: „Dabei sein ist alles“ und sportlich: „Je mehr Autoren desto besser“. Und wir sehen das Gesamtkonzept: auf die Mischung der Gäste kommt es an. Wir versuchen die Themen zu mischen und beispielsweise vor den Promis unbekanntere Autoren zu Wort kommen zu lassen.

Gibt es Autoren, auf die Sie sich in diesem Jahr besonders freuen?

Ich freue mich auf alle Autoren, die wir aus den über 500 Autorenvorschlägen der Verlage ausgewählt haben. Aber ganz besonders freue ich mich in diesem Jahr auf Thomas Hettche. Erstens hat Thomas Hettche uns als allererster Autor beim ersten Pressegespräch zum Blauen Sofa mit einer Lesung geholfen – das vergesse ich ihm nie. Zweitens möchte ich ihm nach seinem Auftritt auf dem Blauen Sofa am Messefreitag um 16:30 Uhr sagen, wie sehr mich die Lektüre seines Romans Pfaueninsel begeistert und bereichert hat. Drittens erklärte Hettche in der NZZ das gedruckte Buch zum Medium der Freiheit: „Bald schon werden wir die Manipulation jedes Textes, den wir elektronisch lesen, erleben. Wie alle digitalen Inhalte wird auch die digitalisierte Literatur, die Geschichten und Romane, die wir kennen, nach der Maßgabe von Stimulanz und Dämpfung korrigiert werden, unmerklich und stetig. Doch solange es Bücher als physische Objekte gibt, bieten sie noch jenen autonomen und unveränderlichen Raum des Utopischen, in dem unsere Träume uns gehören. Bei jeder Lektüre verlangen sie von uns, unsere Freiheit bewusst zu nutzen, zwischen Fiktion und Wirklichkeit hin und her zu wechseln. Und erst das macht uns zu Subjekten der Erkennbarkeit der Welt.“ Dieser Gedanke erinnert mich daran, dass wir bei allen Diskussionen um Technik und neuen Möglichkeiten das wesentliche unserer Profession nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Im letzten Jahr haben Sie zusammen mit der Frankfurter Buchmesse Messebesucher zu einem Selfie-Contest veranstaltet.

Ja, über tausend Messebesucher haben Selfies vom Blauen Sofa auf die Messeseite wirsindhierinfrankfurt.de hochgeladen und getwittert. In diesem Jahr sprechen wir insbesondere Selfpublisher an. Mit BoD als drittem im Bunde haben wir knapp 30.000 Selfpublisher auf unsere „Ruhmesrampe für Autoren“ (Spiegel) eingeladen. Ich bin sehr gespannt auf ihre Selfies und ihre Aussagen – vielleicht ergibt sich daraus ein neues Dialogformat mit einer neuen, wichtigen Zielgruppe. Denn für mich ist die Frankfurter Buchmesse der ideale Ort für das Zusammentreffen solcher Zielgruppen – online und ganz real auf dem Messegelände.

Wer hat nicht schon alles auf dem Sofa gesessen: Amos Oz, Wolfgang Leonhardt, Ken Follett, Jeffrey Eugenides… Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Und alle Autoren, die einmal dabei waren, loben den reibungskosen Ablauf.

Reibungslose Abläufe habe ich acht Jahre lang bei der VVA gelernt. Alle Abläufe sind in einem 23seitigen Sofa-Manual dokumentiert. Abgesehen davon arbeitet unser Team schon seit 15 Jahren zusammen, auf diese Weise sind natürlich kontinuierlich viele und unterschiedliche Erfahrungen eingeflossen und optimiert worden

Gab es auch Pleiten, Pech und Pannen?

Natürlich gab‘s Pannen.

Zum Beispiel?

Die beiden Schlimmsten: ein berühmter Autor aus den USA hatte versehentlich morgens eine Schlaf- statt Kopfschmerztablette genommen. Er kam spät zu seinem Termin und es war schwer, ihn im Gespräch wach zu halten. Ein andere Mal hatte ein Hallenmeister den Hebel für die Stromversorgung aus Versehen umgelegt: wir hatten keinen Ton, kein Licht, die Kameras standen still, die Autorin auf dem Sofa rief panisch nach dem Sendeleiter und wir wussten eine Zeitlang nicht, was tatsächlich geschehen war.

Hat das Publikum die Chance, die Bücher der Sofa-Autoren zu erwerben und signieren zu lassen?

Ja, denn wir wollen Bücher dort verkaufen, wo interessierte Menschen danach fragen. In Leipzig hat die Messebuchhandlung einen eigenen stark frequentierten Stand am Blauen Sofa. Man sagte uns, dass dieser Ableger an unserem Stand ein sehr guter Standort ist…

Und in Frankfurt?

Bei der Frankfurter Buchmesse betreut die Buchhändlerschule seit vielen Jahren den Verkaufstisch. Die Verlage spendieren freundlicherweise den Azubis die Bücher und „finanzieren“ auf diese Weise einen großen Teil des Kulturetats des Media-Campus. Diese Art von partnerschaftlichen Kooperationen streben wir beim Sofa möglichst oft an. Das freut uns immer sehr.

Außerhalb der Messen schaffen Sie das Blaue Sofa auch mal für Lesungen nach Berlin oder nach Salzburg. Wie machen Sie sonst noch auf das Sofa aufmerksam?

Das ganze Jahr über halten wir in sozialen Netzwerken Kontakt zu unseren Fans.

Wie sieht das konkret aus?

Vorausschicken muss ich, dass ich die Social Media-Aktivitäten allein und in Teilzeit betreibe. Vor fünf Jahren habe ich mir Facebook & Co angesehen, um unseren redaktionellen Ansatz in diesen neuen Kanälen auszuprobieren und auszubauen. Ich habe mehrere Videokurse absolviert und danach vieles ausprobiert und auf Machbarkeit und Eignung getestet. Es begann 2009 etwas zögerlich mit einer Fan-Page, nach einem Jahr intensiver mit einer Personenseite (Vorname: Blaues Nachname: Sofa) und einer Gruppen-Page. Ich wollte über neue Plattformen neue Zielgruppen ansprechen und mit Sofa-Fans und Buch-Menschen zwischen den großen Sofa-Events im Gespräch bleiben. Mir war es wichtig, unseren „Sofa-Spirit“ erlebbar zu machen.

Ist Ihnen das gelungen?

Heute hat das Blaue Sofa 4.500 Fans, knapp 5.000 Freunde (mehr als 5.000 gibt’s nicht, deshalb „entfreunde“ ich immer mal wieder inaktive Personen). Die Facebook-Seiten habe ich mit Twitter so verknüpft, dass die Beiträge auch getweetet werden – das erfordert nur etwas Disziplin beim Texten. Außerdem gibt es einen youtube-Kanal „Blaues Sofa“, einen Auftritt „Blaues Sofa“ auf Flickr, auf dem knapp 9.000 Autorenbilder heruntergeladen und kostenlos genutzt werden können. Pinterest habe ich betrieben, es ist für uns aber weniger interessant, weil wir schon vor einigen Jahren die maximale Anzahl von 5.000 Bilderpins erreicht haben.

Wie viel passiert auf diesen Seiten? Sind die Nutzer sehr aktiv?

Ja, auf der Facebook-Seite „Blaues Sofa“ und in der Gruppe „Das Blaue Sofa“ (5200 Mitglieder) sind viele Interaktionen und Diskussionen. Teilweise kennt und schätzt man sich seit Jahren, teilweise gibt’s Mitglieder, die die Seite im Alleingang rocken. Ein Gruppenmitglied hatte sich zum Ziel gesetzt die 1.000 beliebtesten Bücher unserer Gruppe zu sammeln und zu dokumentieren. Nach zwei Wochen und unzähliger Listen hatte er sein Ziel erreicht – und ich war sehr erstaunt, denn zum Schluss überboten sich die Leute und nannten sehr ausgefallene Autoren. Abgesehen davon hat sich die Personenseite als eine Art Branchennachrichtenagentur etabliert. Ich habe über 1.000 Personen, die meine Nachrichten abonniert haben und ich weiß von manchen Literaturredaktionen, dass sie meine Beiträge aus dem Kulturleben und der Buchbranche nutzen.

Hat Ihre Arbeit auch Einfluss auf den Verkauf im Buchhandel?

Vielleicht, weil wir authentische Leseerfahrungen austauschen und weil die meisten Freunde, Fans und Gruppenmitglieder Buchhandlungen sehr schätzen. Genau weiß ich das aber nicht, denn wir verfolgen keinen kommerziellen Ansatz.

Können auch Buchhandlungen von Aktivitäten in sozialen Netzwerken profitieren?

Auch Buchhändler haben vielfältige Chancen, wenn sie Social Media nutzen. Der Umgang mit Internet und Social Media fördert übrigens insgesamt die Kreativität: man beschäftigt sich mehr mit Inhalten und man generiert daraus eigene Inhalte. Die aktuelle Kreativstudie des Trendforschungsinstituts Enders Analysis, die Bertelsmann gerade in London vorgestellt hat, kommt in diesem Zusammenhang zu folgendem Ergebnis: „Jeder vierte Befragte (in Deutschland, Frankreich und Großbritannien) nutzt das Internet bzw. Social Media für kreative Beschäftigungen wie das Verfassen eigener Texte. Auf Papier erstellt dagegen nur jeder Fünfte eigene Inhalte. Bei ihren kreativen Aktivitäten lassen sich die Menschen von Medieninhalten und -produkten wie TV-Programmen, Büchern, Zeitungen, Magazinen, Musik und Spielen inspirieren“ Aber jeder Buchhändler, jeder Verlagsmitarbeiter muss selbst entscheiden, welche Schwerpunkte er setzt und wie er seine Zeit verplant.

Wie viel Zeit muss man für derartige Aktivitäten einplanen?

Jeder verbringt so viel Zeit mit Social Media wie er will. Mir macht das Publizieren in Facebook und Co Spaß, deshalb ist mir das Feedback wichtiger als die (Frei)-Zeit die vergeht.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Kristallkugel. Wie geht es mit dem Blauen Sofa weiter, wenn der Club Ende 2015 eingestellt wird?

Das Blaue Sofa geht weiter – so viel kann ich heute dazu sagen.

Dr. Reinhard Pietsch auf dem Blauen Sofa während der Buchmesse Frankfurt

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