Das Sonntagsgespräch Christian Neuber über das Engagement in der Leseförderung: „Wir sehen uns als unabhängige Impulsgeber“ –

Christian Neuber will mit seiner Stiftung Kinder fördern, Zukunft stiften Kindern „etwas von dem zurückgeben, was er mit der Gründung von Dino Entertainment und Blue Ocean an ihnen verdient hat“. Er initiiert immer wieder Projekte zur Leseförderung. Das neueste Projekt ist ein in Deutsch, Englisch und Afrikaans erscheinendes Lese-und Vorlesebuch, das junge Leute in ihrer Sprachentwicklung unterstützen soll. Wir fragten den Geschäftsführer von Kids&Concepts, warum er sich so leidenschaftlich für die Leseförderung engagiert.

BuchMarkt: Herr Neuber, Sie engagieren sich mit Ihrer Stiftung  sehr für die Leseförderung. Warum?

Christian Neuber: „Wir sehen uns als unabhängige Impulsgeber, Förderer oder auch Netzwerker. Und in dieser Rolle fühlen wir uns auch sehr wohl, ohne ökonomischen Druck verspüren zu müssen“

Christian Neuber: Bücher sind der Schlüssel zur Bildung, Bildung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft für Kinder und Jugendliche. Unsere Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen – unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder auch wirtschaftlichen Herkunft – Chancen zu eröffnen, die ihnen Orientierungshilfe und Zukunftsperspektiven bieten. Und eine wesentliche Orientierungshilfe bietet nun einmal das Buch. Der Umgang damit muss zwischenzeitlich von Institutionen wie unserer Stiftung vermittelt werden, da er in Familien immer weniger praktiziert wird.

Stecken dahinter auch kommerzielle Interessen? Wenn unsere Branche von Leseförderung spricht, denkt sie doch meist eher an den Verkauf von Büchern…?

Das mag schon sein, aber kommerzielles Interesse muss auch nicht per se negativ gesehen werden. Der erfolgreiche Verkauf von Büchern wie Gregs Tagebuch oder auch Harry Potter in Zielgruppen hinein, die üblicherweise sonst keine Bücher kaufen, ist doch allerbeste Leseförderung für junge Menschen. Die finden damit Gefallen an Büchern und greifen möglicherweise später auch mal zu weniger „Kommerziellem“.

Damit ist meine Frage eigentlich noch nicht beantwortet…

Dann ganz konkret und deutlich: Wir verfolgen mit unseren Aktivitäten zur Leseförderung keinerlei eigenes kommerzielles Interesse, wie auch? Wir verkaufen nichts!

Was verkaufen Sie denn?

Wir sehen uns als unabhängige Impulsgeber, Förderer oder auch Netzwerker. Und in dieser Rolle fühlen wir uns auch sehr wohl, ohne ökonomischen Druck verspüren zu müssen.

Welche Impulse können Sie denn anstoßen?

Lassen Sie mich aus der Vielzahl der von uns initiierten Projekte kurz drei hervorheben: Da ist einerseits das Projekt „Lesealarm“ , wo wir einzelne LehrerInnen oder auch Schulen unterstützen, die mit dem Konzept der Freien Lesezeit arbeiten. Der Lesealarm bringt Bücher in Klassenzimmer, und zwar solche Bücher, die bereits im Vorfeld von Schülern und Lehrern ausgewählt wurden. Oder das Projekt „Leseförderung durch Vorlesen“ von Prof. Dr. Jürgen Belgrad von der PH Weingarten, das wir von Beginn an tatkräftig fördern. Die Idee ist so bestechend einfach wie wirkungsvoll: Lehrerinnen und Lehrer lesen über einen längeren Zeitraum, ca. sechs Monate, ihren Klassen mehrmals die Woche ca. zehn Minuten lang vor.

Warum?

Es ist belegt: Durch regelmäßiges Vorlesen wird die Lesefähigkeit verbessert, es kann eine höhere Konzentration in Schulklassen erreicht werden. Was mich aber besonders freut: Diese Initiative wurde jetzt für den Deutschen Lesepreis 2016 nominiert, der am 9. November dieses Jahres vergeben wird.

Und das dritte Projekt …

… „ist Leseheimat“; ein Flüchtlingsprojekt, das Flüchtlingskinder beim Erwerb der deutschen Sprache fördert. Die Leseheimat haben wir gemeinsam mit der Stadtbibliothek Stuttgart auf den Weg gebracht, und es ist und gemeinsam gelungen, regelmäßig einen Raum zu schaffen, in dem Flüchtlingskinder eine Zeit lang ihre Ängste und Sorgen, ihr Heimweh und auch ihre Ungewissheit über ihre Zukunft vergessen können.

Ich merke Sie würden gerne mehr darüber reden…

…vor allem, weil ich mich freue, dass wir solche Projekte nicht nur finanziell fördern, sondern vor allem auch erst einmal anstoßen und unter Nutzung unseres guten Netzwerkes effizient organisieren können.

… aber wollten wir nicht eigentlich über die Buchbranche reden, fehlt ihr nicht Selbstbewusstsein?

Machen Sie sich Sorgen über die Buchbranche? Die Frankfurter Buchmesse war doch gerade wieder eine Leistungsschau ohnegleichen. Die zeigte doch wieder, welche Energie in dieser Branche steckt. Menschen aus aller Welt reisen an, alte Buchwelt trifft auch neue Buchwelt. Jedes Jahr präsentieren sich neue Buchideen, neue Anbieter und neue Verlage. Da ist doch ganz viel los. Kaum eine andere Branche ist so vital wie die Buchbranche.

Aber sie ist verunsichert durch die Digitalisierung.

Das sehe ich nicht so: Keine Branche ist so vielschichtig. Geist trifft auf Kommerz, Bild und Wort, Digitales auf Analoges, Regionales auf Internationales. Für mich wirkt die Buchmesse jedenfalls jedes Jahr wie eine Ladestation für den Akku. Die aufgenommene Energie wirkt meist bis zum nächsten Ladevorgang im darauf folgenden Jahr.

Aber der Strukturwandel um uns herum und die Ohnmacht vor der Digitalisierung lähmt uns. Oder sehe ich das falsch?

Ja, ich meine, das sehen Sie falsch. Die digitale Konkurrenz kann im Handel mit Büchern ihren sonst so häufig eingesetzten USP, nämlich den Preis, in der Buchbranche nicht ins Spiel bringen. Dieser Schutzraum bewahrt uns doch davor, wie beispielsweise andere Branchen, einfach durch den E-Commerce überrannt zu werden.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele unter uns selbst nicht mehr an das gedruckte Buch glauben…

Dieses mangelnde Selbstvertrauen wundert mich. Das Buch erhält doch wie kaum ein anderes Produkt ungeheure mediale Unterstützung. Bessere Werbung als redaktionelle Berücksichtigung bei Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen oder auch bei den Fernsehsendern gibt es nicht. Das ist halt eine andere Art der Werbung, die übrigens auch nicht kostenlos ist, denn eine gut arbeitende PR-Abteilung hat auch ihren Preis.

Aber wie lange können wir uns darauf verlassen, dass das Buch ein geschätztes und über jede Kritik erhabenes Gut bleibt, an dessen Fortbestand jeder interessiert ist?

Warum sollten denn die Medien in ihrer Unterstützung nachlassen? Die Buchbranche liefert ihnen doch Jahr für Jahr außergewöhnliche, anspruchsvolle Inhalte. Davon leben die Medien doch auch: dass Autoren zu Berühmtheiten werden, über die man berichten kann. Hier wieder der Blick über den vielzitierten Tellerrand. Welche andere Industrie liefert so komprimiert, so farbig, so vielfältig, so spannend und so aktuell Inhalte für die Medienindustrie?

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz.

Das aktuelle Interview finden Sie auch in unserem November-BuchMarkt auf Seite 24.

In der vorigen Woche sprachen wir mit Uwe-Michael Gutzschhahn über die Bedeutung von Kinderlyrik.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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