Hans von Trotha über "Pollaks Arm" und "Die große Illusion" „Das Buch als Medium, seine Aura und seine Möglichkeiten sind unvergleichlich“

Hans von Trotha:Pollaks Geschichte ist also einerseits die eines berühmten Antiken-Händlers und Forschers in Rom, die eines deutschen Juden in Italien zwischen 1900 und 1940, sie berührt aber auch unser Verständnis von der Antike und nicht zuletzt die Frage, was ein Opfer ist und was ein Held.“ © Jan Düfelsiek

Hans von Trotha hat in diesem Jahr gleich zwei Bücher vorgelegt – das war Anlass für unser heutiges Autorengespräch mit dem Schriftsteller,  Rundfunkjournalisten  und früheren Verleger:

BuchMarkt: Mich hat Pollaks Arm bei Wagenbach neugierig gemacht. Worum geht es in diesem Roman?

Hans von Trotha: Ein Abend in Rom im Oktober 1943. Studienrat K. sucht den berühmten jüdischen Archäologen Ludwig Pollak auf, um ihn vor der bevorstehenden Deportation zu warnen und in den Vatikan in Sicherheit zu bringen. Der aber macht keine Anstalten, seine Wohnung zu verlassen. Stattdessen beginnt er zu erzählen.

Wem könnte ein Buchhändler das dann mit welchem Argument am besten verkaufen?

Christina Tilmann schrieb in ihrer Rezension: „Dieses Buch gehört in den Koffer jedes Rom-Reisenden.“ Tatsächlich spielen die Stadt Rom und der Vatikan eine wichtige Rolle. Das Buch ist aber natürlich mehr. Es stellt vor allem die Frage: Warum nimmt jemand am Vorabend seiner Deportation das Angebot zur Rettung nicht an? Es tut dies in Form eines Gesprächs im Verlauf  eines Nachmittags, also unter Wahrung der Einheit von Ort und Zeit. Viele erzählen und schreiben mir, dass sie es am Stück gelesen haben.

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Und was hat es mit Pollaks Arm auf sich?

Ludwig Pollak hat im Jahr 1903 zufällig den verschollenen rechten Arm der Hauptfigur der berühmten Laokoon-Gruppe gefunden, die für unser Bild von der Antike eine wichtige Rolle spielt. Und dieser Arm ist nicht erhaben gereckt, sondern angewinkelt. Pollaks Geschichte ist also einerseits die eines berühmten Antiken-Händlers und Forschers in Rom, die eines deutschen Juden in Italien zwischen 1900 und 1940, sie berührt aber auch unser Verständnis von der Antike und nicht zuletzt die Frage, was ein Opfer ist und was ein Held.

Ebenfalls in diesem Frühjahr ist noch ein weiteres Buch von Ihnen erschienen, zur Fassade des Humboldt Forums in Berlin: Die Große Illusion. Ein Schloss, seine Fassade und ein Traum von Preußen, im Berenberg Verlag. Zwei Bücher in einer Saison: Ist das das Ergebnis eines besonderen Fleißes in der Corona-Isolation?

Nein, das ist eine Verzerrung in der Wahrnehmung. Die hat aber mit Corona zu tun: „Pollaks Arm“ hätte im August 2020 erscheinen sollen und war auch fertig. Die Verlegerin schlug aber wegen der Corona-Situation eine Verschiebung vor, in der Hoffnung, wir könnten im Frühjahr wieder Veranstaltungen anbieten und die Lage im Buchhandel würde sich bis dahin wieder normalisiert haben. Die Veranstaltungen haben nun bisher zum großen Teil immer noch digital stattgefunden, aber die Entscheidung zu verschieben, war auf jeden Fall richtig. Und ich hoffe auf Veranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte. Die Geschichte ist ja zeitlos, also immer aktuell. Das Buch zur Hohenzollernfassade vor dem Humboldt-Forum ließ sich dagegen nicht verschieben, das musste jetzt kommen oder gar nicht. Und so sind nun beide Bücher da.

Sie haben selbst zehn Jahre lang den Berliner Nicolai Verlag geleitet. Macht das die Arbeit mit Verlegerinnen und Lektoren einfacher oder vielleicht sogar schwieriger?

Einfacher, denke ich. Ich verstehe vieles aufgrund der Erfahrungen bestimmt besser oder zumindest auch ohne große Erklärungen schneller – wie zum Beispiel die Verschiebung des Romans. Umgekehrt weiß ich womöglich auch besser zu würdigen, was ein Verlag leistet, und würde auch erkennen, wenn er vielleicht nicht alles aufbieten würde, was ein Verlag für ein Buch aufbieten kann – aber da habe ich ja bei beiden Büchern das große Glück, mit wunderbaren Verlagen zusammen arbeiten zu dürfen, in denen engagierte, erfahrene, leidenschaftliche Büchermenschen in allen Phasen alles tun, damit ein Buch erst einmal überhaupt, dann in seiner bestmöglichen Form und dann in möglichst weitreichender Verbreitung das Licht der Buchhandelswelt erblickt. Das merkt man den Büchern am Ende auch an.

Sie haben Ihre Erfahrung als Verlagsleiter, sie haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, Sie sind aber auch als Kurator tätig, unternehmen Reisen und sind regelmäßig in verschiedenen Sendungen mit unterschiedlichen Formaten auf Deutschlandfunk Kultur zu hören. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Seit ich nicht mehr im festen Gefüge der Verlagsverantwortung stecke, kann ich meine Zeit kreativer einteilen. Die Themen, die mich beschäftigen, zum Teil schon lang, zum Teil erst seit Kurzem, zum Teil vorübergehend, zum Teil über längere Zeiträume,finden Niederschlag in den verschiedenen Formaten und Medien. Das befruchtet sich gegenseitig. Vielles entwickalt sich da ganz organisch. Die Themen können in kürzeren oder auch in langen Radio-Formaten, in geführten Reisen, in Lesungen und Events, in Ausstellungen, Audio-, Video- oder Film-Formaten und in Büchern auftauchen; derzeit arbeite ich zum Beispiel auch an einer Oper.

Das gute alte gedruckte Buch wird dabei aber weiter eine Rolle spielen?

Nicht nur eine, sondern die zentrale. Das Buch als Medium, seine Aura und seine Möglichkeiten sind unvergleichlich. Und das bleibt so, auch wenn sich das Buch heute gegen starke Konkurrenz behaupten muss. Für mich steht das Buch immer im Zentrum der Überlegungen.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

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