Luise Maier über "Ehern" (Wallstein) „Das Buch ist hochaktuell, es ist spannend, eine Spurensuche und es gibt Hoffnung“

Ihr Debütroman Dass wir uns haben (Wallstein 2017) erhielt den Berner Literaturpreis. Nun hat Luise Maier mit Ehern nachgelegt. Hier geht es ums Suchen und Finden, Traum und Wirklichkeit, Erzählen und Erinnern. Die Autorin umkreist Fragen nach der eigenen Herkunft, nach den Zusammenhängen von Vergangenheit und Zukunft. Anlass für Fragen:

Luise Maier: „Ich verlange meiner Leserschaft quasi den Mut ab, Themen wie Tod, Trauer und Verlustangst an sich heranzulassen“ (c) Lukas Dubius

Worum geht es in dem Buch? 

Luise Maier: Ich würde sagen: Ida, die Ich-Erzählerin, arbeitet sich an ihrer deutschen Vergangenheit ab. Sie sieht sich in ihrer beginnenden Liebesbeziehung zu Antoine mit sich selbst konfrontiert und fängt an, sich, ihre Verhaltensmuster und ihre familiäre Herkunft
verstehen zu wollen. Sie begibt sich auf die Suche nach den blinden Flecken in der
Familiengeschichte mütterlicherseits und kommt da so Einigem auf die Spur, worin sie Parallelitäten zu ihren eigenen Ängsten erkennt, unter deren Einfluss sie zwar stand, aber die sie nicht deuten konnte.

Wie entstand die Idee, über dieses Thema überhaupt ein Buch zu schreiben? 

Ich kann mich noch gut an den auslösenden Moment erinnern: Bei einer Lesung aus meinem Debütroman fragte mich die Moderatorin, die gerade über deutsche Nachkriegsliteratur promovierte, ob ich meinen Roman als Traumaliteratur einordnen würde. Ich ging sofort in eine Abwehrhaltung, mit der Begründung: «Trauma – das bekommt man doch nur, wenn man eine krasse Fluchtgeschichte oder so hinter sich hat». Aber irgendetwas in mir war ausgelöst worden, das ich nicht verstand – also begann ich über Traumata zu recherchieren, kam dann ziemlich schnell auf das Phänomen der Transgenerationalen Traumatisierung, auch im Bezug auf die NS-Vergangenheit in deutschen Familien. Da begriff ich: das geht mich alles sehr wohl was an! Und so begann die Arbeit an dem Roman.

 Welche Wörter schreiben sich leichter: Die ersten oder die letzten? 

Die letzten! Wenn ich schreibe, fange ich nie mit der ersten Seite an, ich fange irgendwo in der Mitte an. Dann, wenn ich einiges an Material gesammelt habe, stehe ich natürlich vor der Frage: «Was ist das jetzt alles, was fange ich damit an und wie ordne ich es?» Erst dann komme ich zur eigentlichen Geschichte, zur eigentlichen Dramaturgie. Die letzten Wörter gehen dann leicht von der Hand, denn da weiss ich ja, was ich erzählen möchte.

 An wen richtet sich das Buch? 

Ein Dozent von mir sagte einmal: «Jede deutsche Familie liefert Romanstoff»; also denke ich, das Buch richtet sich an alle, die sich irgendwie mit ihrer deutschen Vergangenheit auseinandersetzen wollen. Ich weiss, dass meine beiden Bücher und auch die Bilder, die ich male, einen konfrontativen Charakter haben – ich verlange meiner Leserschaft quasi den Mut ab, Themen wie Tod, Trauer und Verlustangst an sich heranzulassen.

Mit welchem Argument kann der Buchhandel das Buch ideal verkaufen? 

Es ist gesellschaftsrelevant, es ist – mit Blick auf den Kriegen in der Welt und der Frage, was die Folgen davon sein werden – hochaktuell, es ist spannend, eine Spurensuche und es gibt Hoffnung: Wenn man sich den Folgen des Krieges stellt, kann man sich auch davon lösen.

Welche drei Wörter beschreiben es aus Ihrer Sicht perfekt?

Ich bin ja nicht so Fan von Perfektionismus, aber vielleicht so: Spurensuche – vielschichtig – berührend.

Wie sähe ein Schaufenster zum Buch aus? 

Oh, das ist eine tolle Frage! Ich stelle mir gerade so eine Scherenschnitt Pop Up-Karte vor, so gross wie das Schaufenster. Die einzelnen Pop Up-Elemente könnten nachgebildete Szenen oder Bilder aus dem Roman sein: aus allen Generationen je ein Element und das fächert sich dann so auf und man kann ganz viel gucken und entdecken und sieht, wie die Schichten sich gegenseitig bedingen und aufeinander einwirken. Und der filigrane Scherenschnitt repräsentiert das Verletzliche. Jetzt bekomme ich gerade Lust, so etwas zu basteln!

Wird es eine Fortsetzung geben? 

Oh, es gibt immer eine Fortsetzung! Nur in welcher Form, das ist die Frage.

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