Das Sonntagsgespräch Dr. Fritz Behrens: Herausbekommen, wo Independents der Schuh drückt

Am Mittwochnachmittag dieser Woche in der Kunststiftung NRW in Düsseldorf: Zehn unabhängige Verleger, übrigens nicht nur aus NRW, treffen sich mit dem seit 2011 amtierenden Vorstand der Stiftung, dem Präsidenten Dr. Fritz Behrens und der Generalsekretärin Dr. Ursula Sinnreich. Thema des Tages: „Was brauchen unabhängige Verlage?“ BuchMarkt hat sich mit Staatsminister a.D. Dr. Fritz Behrens getroffen, um eine Bilanz über dieses erste informelle Treffen zu ziehen.

Dr. Fritz Behrens
Dr. Fritz Behrens

Verlage aller Größen stehen heute oft als „Content-Mafia“ am Pranger, und die jüngsten Entwicklungen in Sachen Urheberrecht oder VG-Wort-Tantieme lassen Zweifel aufkommen, ob die Politik wirklich weiß, welche Leistungen Verlage erbringen. In der Kunststiftung NRW als großer Kulturförderorganisation ist das freilich nicht unbekannt; trotzdem lud die Stiftung in dieser Woche zu einem Treffen mit unabhängigen Verlagen aus dem ganzen Bundesgebiet ein. Mit welchen Erwartungen sind Sie in dieses Gespräch gegangen?

Dr. Fritz Behrens: Zu allererst erst einmal mit Neugier. Natürlich wissen wir in der Stiftung, daß es in der Verlagsbranche große Unterschiede gibt: von den Big Playern bis zum sich selbst ausbeutenden Ein-Mann- oder Eine-Frau-Unternehmen. Und daß die Verlage – bleiben wir bei den literarischen – unterschiedliche Aufgaben haben: Die einen produzieren Massenliteratur, andere betreiben das Verlegen selbst als eine Art Kunstwerk. Diese letztere Klientel hatten wir eingeladen, um aus erster Quelle einmal zu hören, wie die Lage ist, wie sich die Verlage selbst einschätzen, und darüber zu beraten, was man tun kann, um künstlerisch wertvolle Literatur auch in Zukunft zu fördern. Darüber haben wir fast drei Stunden gesprochen.

Welche Verlage waren denn dabei?

Dr. Fritz Behrens: Weidle, Peter Hammer, Hablizel, Parasitenpresse, Lilienfeld, Onomato, mairisch, Kookbooks, Mikrotext und Edition Nautilus. Die Kollegen von Voland & Quist und Verbrecher wären auch gern gekommen, mußten aber in letzter Minute leider absagen.

Die Kunststiftung fördert Künstler und Autoren oder einzelne Projekte. Sehen Sie Möglichkeiten, Verlagen bei aktuellen Problemen zu helfen?

Dr. Fritz Behrens: Tatsächlich fördert die Kunststiftung gemäß ihrer Satzung einzelne Künstler und einzelne Projekte. Und keiner der zehn Verlage ist mit der Erwartung angereist, daß die Stiftung auf einmal einen großen Fördertopf für Verlage aufmachen kann und die VG-Wort-Nachforderung wären vom Tisch… Wir wollten viel eher gemeinsam besprechen: Wo drückt der Schuh, und wie kann die Stiftung, ohne ihrer Satzung untreu zu werden, Verlagen helfen.

Das heißt konkret?

Dr. Fritz Behrens: Seit drei Jahren machen wir eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Ein Gespräch stiften“. In diesem Rahmen haben wir beispielsweise das Verhältnis von Kunst, Künstlern und Medien diskutiert, und ich könnte mir gut vorstellen, so ein Gespräch auch für Verlage zu stiften: Da sollten Politiker, Autoren, Buchhändler und Kritiker an einem Tisch sitzen. Für diese Veranstaltungsreihe haben wir den WDR als Medienpartner gewinnen können – dieses „gestiftete“ Gespräch wird dann natürlich auch gesendet. Hilfreich für den Dialog wäre es, ein Workbook mit allen Themen, die angesprochen wurden, zu erarbeiten. Und die Themenpalette war umfangreich: Sie reichte vom 19%-Mehrwertsteuersatz für digitale Bücher bis zu den aktuellen Problemen mit der VG Wort, vom schwindenden Bibliotheksetat bis zu möglichen Kontakten in die Politik. Dieses Workbook könnte dann als Grundlage für Gespräche mit anderen Beteiligten im Literaturbetrieb dienen.

Und wir wollen uns jetzt genauer informieren, wie in Österreich und in der Schweiz die Verlagsförderung funktioniert. Vielleicht ist das ja ein Modell für NRW, für ganz Deutschland? Das muß man sich genau ansehen. Wir haben übrigens Verlage aus Hamburg und Berlin eingeladen, um uns zu informieren, wie die Situation in anderen Städten ist.

Ein Großteil der wichtigen Literaturpreise in Deutschland ist an Autoren gegangen, die in unabhängigen Verlagen veröffentlichen – das zeigt, daß sie für die kulturelle Entwicklung eine viel größere Rolle spielen, als das die reinen Wirtschaftszahlen in ihren Bilanzen ausweisen. Trotzdem kämpfen viele um ihre Existenz – und alles verschärft sich jetzt noch durch die Tantiemen-Rückforderungen. Der deutsche Bukowski-Verlag, Maro in Augsburg, hat schon angekündigt, auf sein Frühjahrsprogramm verzichten zu müssen. Independents machen viele Projekte möglich, die in Konzernverlagen keine Chance haben. Fürchten Sie da jetzt eine programmatische Ausdünnung?

Dr. Fritz Behrens: Da fürchte ich noch viel mehr. In Belgien gibt es ähnliche Vorgänge um die Verwertungsgesellschaft wie in Deutschland, und ich könnte mir vorstellen, daß sich die EU-Kommission dann über das Thema beugt, um zu einer europaweit einheitlichen Lösung zu kommen. Was das bedeuten würde, muß ich sicher nicht im einzelnen erklären.

Unabhängige Verlage werden aufgrund ihrer geringen Bilanzsummen wirtschaftlich oft nicht ganz ernst genommen. Dagegen steht, daß sie kulturell gesehen oft Schwergewichte sind. Was kann man tun, um diese fatale Optik in der Öffentlichkeit zu verändern?

Dr. Fritz Behrens: Stimmt, aber andererseits geistert das Bild vom Jaguar-fahrenden Verleger mit Zweitwohnsitz im Tessin noch immer durch die Lande…

Nein, viele dieser unabhängigen Verlage leben von Selbstausbeutung, fassen sich sogar weniger als Wirtschaftsunternehmen, sondern als künstlerisches Unternehmen auf. Einige Verleger sind auch selbst Autoren, und es ist bezeichnend, wenn sie feststellen, daß sie mit eigener schriftstellerischen Arbeit mehr verdienen als mit dem Verlag.

Einige Verlage freilich haben auch Glück gehabt und einen Bestseller gelandet – was dann in der Querfinanzierung des gesamten Programms hilfreich war.

Mit dem Deutschen Buchhandelspreis hat Kulturstaatsministerin Grütters eine leistungsgebundene Form der Förderung geschaffen – da reden wir von einem Millionenetat; gegen diese Summe sind z.B. die Preisgelder der Kurt Wolff Stiftung für ausgezeichnete Verlage Peanuts. Wäre eine dem Buchhandel adäquate Verlagsförderung nicht wünschenswert?

Dr. Fritz Behrens: Ja, das wurde natürlich auch angesprochen. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß die Kunststiftung bereits drei hochdotierte Preise vergibt: Das ist nicht unendlich ausdehnbar. Und wir haben die Literaturförderung insgesamt finanziell schon aufgestockt: auf rund 800.000 bis einer Million Euro.

Aber auch hier muß man sich vielleicht anschauen, wie man in Österreich und der Schweiz damit umgeht. Vielleicht gelingt es auch, insgesamt ein förderungsfähiges Projekt zu entwickeln, das mehreren Independents dient?

Was werden die nächsten Schritte sein?

Dr. Fritz Behrens: Ein genaues timing wurde noch nicht besprochen – aber vielleicht schaffen wir das mit Workbook noch in diesem Jahr. Und die Gesprächsreihe – die natürlich langfristig mit dem WDR geplant wird – könnte im nächsten Jahr starten.

Ein Stiftungspräsident, der sich um die Belange von unanhängigen Verlagen kümmern will, hat sicher auch Bücher aus unabhängigen Verlagen?

Dr. Fritz Behrens: Ganz sicher. Und ich bin von Kindesbeinen an ein Bücherfresser. Ich schaue mir alle Bücher an, die wir gefördert haben. Und wir stiften ja auch einen Übersetzerpreis, also lese ich auch die Bücher der von uns geförderten Übersetzer. Bücherhunger ist – wie Sie sicher wissen – nicht wirklich stillbar.

Und aktuell auf dem Nachttisch?

Dr. Fritz Behrens: Auf dem Nachttisch nicht, aber in jeder freien Minute: Bilanz. Hörspielkunst aus den Studios des WDR. Erschienen in unserer „Schriftenreihe der Kunststiftung NRW“, die in Kooperation mit einem unabhängigen Verlag, nämlich dem Lilienfeld Verlag, entstanden ist.

Die Fragen stellte Ulrich Faure

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