"Wenn wir uns die Begeisterungsfähigkeit erhalten, ist vieles möglich" Edgar Rai über seinen brandneuen Kriminalroman „Halbschwergewicht“

Edgar Rai vor seiner Berliner Buchhandlung Uslar & Rai: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir Bücher umso schlechter verkaufen, je weiter die sich von unserem Geschmack entfernen. Deshalb sind wir gerade dabei, unsere gesamte Auswahl noch persönlicher zu machen“.

Immer freitags hier ein Autorengespräch: Heute mit dem Buchhändler und Autor Edgar Rai über seinen gerade bei Piper erschienenen Kriminalroman Halbschwergewicht. Wie jeden Freitag fragen wir zunächst:

Worum geht es in Ihrem Roman?

Edgar Rai: Wollte man den Inhalt auf ein Wort herunterbrechen, müsste es das Wort Verrat sein. Verrat, missbrauchtes Vertrauen, bringt ja bereits bei Homer die schönsten Tragödien hervor, egal, ob in der Liebe oder in der internationalen Politik. So auch im Fall meines Helden, des ehemaligen Boxprofis Lucky, der nach dreieinhalb Jahren Haft entlassen wird und nun herauszufinden versucht, wer ihn ins Gefängnis gebracht hat. Und warum.

Wen stellen Sie sich als Zielgruppe vor und mit welchem Argument wäre der Krimi am besten zu verkaufen ?

Durch Klick auf Cover zum Buch

Als Autor blende ich Zielgruppenüberlegungen beim Schreiben nach Möglichkeit aus – das macht mich nur befangen. Als Buchhändler hoffe ich: Alle, die eine spannende, nicht alltägliche und hoffentlich gut erzählte Geschichte zu schätzen wissen.

Sie sind ja selber Buchhändler in Berlin – wie denken Sie über die Sitiation Ihrer Kollegen?

Da ich zwar eine Buchhandlung betreibe, selbst aber kein gelernter Buchhändler bin, werde ich mich mit Ratschlägen für Kollegen tunlichst zurückhalten. Die meisten kennen ihren Job vermutlich besser als ich.

Ich dachte an was anderes, etwa, ob man als Autor den Buchhandel vielleicht anders sieht …

… dann würde ich das doch gerne mal loswerden: Als Autor bin ich ja regelmäßig und in ganz Deutschland unterwegs auf Lesungen. Dabei zu erleben, wie viele enthusiastische Buchhändler es in diesem Land gibt, die die tollsten Dinge in Bewegung setzen und noch dazu gesellschaftlich relevante Arbeit leisten, macht mich jedesmal ganz demütig. Die Zeiten sind schwierig, wie jeder weiß, und sie werden nicht leichter werden. Umso mehr hoffe ich, dass der inhabergeführte Buchhandel uns noch lange erhalten bleiben möge.

Und haben Sie Wünsche an die Branche oder Ideen?

Beweglich bleiben, offen für Neues. Nicht lamentieren. Ein guter Roman ist ein Erlebnis, ein Kunstwerk, eine Kathedrale. Wenn wir uns die Begeisterungsfähigkeit erhalten, ist vieles möglich.

Lamentieren ist ja eigentlich die Stärke des Buchhandels …

Meinen Sie das ernst? Wenn das so ist, sollten wir uns vielleicht auf unsere Schwächen besinnen. Im Ernst: Alles ist im Wandel, immer. Wir können beklagen, dass früher alles besser war – einschließlich der Zukunft, wie wir von Valentin wissen -, oder wir können daran arbeiten, die Gegenwart mitzugestalten. Neulich sprach ich mit einem Schweizer Verleger, der mir sagte, die Schwierigkeiten am Buchmarkt hätten ihn dazu gezwungen, seinen Verlag besser zu machen, nicht bequem zu werden. Das fand ich eine gute Einstellung.

Wie sehen Sie denn die derzeitige Situation im Einzelhandel speziell an Ihrem Standort?

Schwierig. Da gibt es kein drumherum Reden. Die Frequenz nimmt spürbar ab, und das, obwohl wir an einer der belebtesten Kreuzungen in Berlin unseren Standort haben. Außerdem hat auch hier das Ladensterben eingesetzt. Aus den Einzelhändlern, die bei uns im Umkreis in den vergangenen fünf Jahren geschlossen haben, sind vielfach Burgerläden geworden. Nichts gegen Burgerläden, aber wenn es nur noch Gastro gibt, geht kein Mensch mehr flanieren.

Und Ihr Rezept auf den Wettbewerb mit den Großen?

Das ist einfach. Authentisch bleiben, kompetent, persönlich, und zwar in allem: Gestaltung, Auswahl, Beratung. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir Bücher umso schlechter verkaufen, je weiter die sich von unserem Geschmack entfernen. Deshalb sind wir gerade dabei, unsere gesamte Auswahl noch persönlicher zu machen. Die Kunden kommen nicht in unseren Laden, um Bücher zu kaufen, die ihnen ein Algorithmus vorschlägt. Die wollen uns. Dasselbe gilt für unsere Veranstaltungen. Da versuchen wir auch, Themen zu bespielen, die wir interessant finden und die uns etwas angehen. Bei unserem zweimal jährlich stattfindenden Debütantenball beispielsweise wählen wir konsequent die fünf Debütanten aus, die uns am besten gefallen. Das funktioniert. Die Veranstaltung ist jedes Mal nach zwei Tagen ausverkauft.

Das Stichwort Algorithmus bringt mich auf das Thema Amazon. Ihm ist der Axel Springer Award verliehen worden, was die eBuch Genossenschaft gerade zu einer Stellungnahme veranlasst hat. Ihre Meinung dazu?

Über die Praktiken und Ziele von Herrn Bezos ist in den vergangenen Monaten und Jahren ja vielfach berichtet worden. Da muss ich meinen Senf nicht auch noch dazugeben. Schön für ihn, dass er sich demnächst selbst zum Mond schießen kann. Mir sind glückliche Mitarbeiter wichtiger. Entsprechend wird es Sie nicht überraschen, dass ich das Unverständnis über den Axel Springer Award, das in dem offenen Brief an Friede Springer und Matthias Döpfner zum Ausdruck gebracht wird, voll und ganz teile.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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