LD-Herausgeber Matthias Koeffler über seinen neuen Montenegro Reiseführer: „Eigentlich kann man mit so einem Buch nur ins Fettnäpfchen treten“

Matthias Koeffler, der Herausgeber des Langendorf Dienstes, schreibt nebenher Reiseführer. Sein jüngster bei Reise Know-how über Montenegro scheint gut anzulaufen – aber wie bringt man so ein zeitintensives Hobby und den Beruf zusammen? Das war Anlass für Fragen an unseren früheren Mitarbeiter: 

Matthias Koeffler: „Wir haben Montenegro als Klein-Jugoslawien erlebt. Was hier kaum einer mitbekommt, ist, dass das Land vor einer ähnlichen Zerreißprobe steht“

 

Sie haben gerade einen neuen Reiseführer auf den Markt gebracht. Ich höre nur tolle Reaktionen.

Matthias Koeffler: Es ist schon irre. Als ich Buchhändler wurde, habe ich ziemlich schnell den Entschluss gefasst, den 70.000 Neuerscheinungen jedes Jahr, ganz sicher keine weitere hinzuzufügen.

Doch dann kam es anders.

Ja, jetzt sind bereits vier Reiseführer auf dem Markt, die zumindest teilweise von mir sind. Im Juni erschien nun bei Reise Know-how das jüngste Baby über Montenegro. Und so kritisch wie ich das sehe, ich bin schon auch ein bisschen stolz drauf. 

Wie kam es, dass Sie doch auch Autor wurden? 

Meine Frau ist Kroatin und hatte nach ihrem Studium als Betriebswirtschaftlerin damals ein Angebot, in Kroatien Lidl-Filialen mit aufzubauen. Wir waren kurz davor, auszuwandern. Da habe ich mir überlegt, was mache ich denn dann? Damals bewarb ich mich beim Trescher Verlag für einen Reiseführer über Bosnien und Herzegowina. Detlef von Oppeln schrieb mir zurück, dass er dafür schon einen Autor habe. Aber er wolle einen über die Region Dalmatien machen. Da habe ich sofort zugesagt. Meine Frau hat die Stelle wegen der Arbeitsbedingungen dann nicht angenommen, aber ich behielt meinen Vertrag. Dann fiel das Autorenkollektiv für den Reiseführer über Kroatien aus und ich habe den zusammen mit Matthias Jacob auch übernommen. Wenn wir heute in Kroatien an den Lidl-Läden vorbeifahren lächeln wir etwas wehmütig. 

Was erfahren wir und die Leser von Ihnen über Montenegro?

Dass eine Reise durch das Land länger dauert als man plant. Das hat unseeen Rechercheplan auch oft durcheinandergebracht. Das Land ist zwar nicht groß, dafür sind aber die Wege weit. Denn bis heute gibt es keine Autobahn, die erste wird gerade gebaut, und die natürlich nicht ohne Skandal. Man fährt also im Schnitt mit entschleunigenden 60 bis 70 Kilometer pro Stunde über zweispurige Straßen. Und übrigens: Wenn die Straße noch so schmal ist, sie ist immer zweispurig. Das ist nicht immer entspannend, denn die Montenegriner sind temperamentvolle Fahrer, aber auch sehr reaktionsschnell.

Ich hatte Montenegro eigentlich gar nicht auf dem Zettel.

Es geht ja auch um ein Land nur so groß wie Schleswig-Holstein, das gerade einmal so viele Einwohner wie Düsseldorf hat, nämlich nur 600.000. Die sind aber   sehr pfiffig, die Montenegriner haben einfach den Euro übernommen, ohne dafür ein Einverständnis einzuholen. Nach der Entwertung des Dinars hatten sie übrigens schon die D-Mark. Im Land amüsieren sich viele darüber. Denn nach der Einführung des Euros in Deutschland drohte den Montenegriner plötzlich kein Zahlungsmittel mehr zu haben. Doch Montenegro erklärte dann eben den Euro einfach zum Zahlungsmittel. 

Wer ist eigentlich „uns“? 

Das sind meine Frau Marija und ich. Ihr verdanke ich viele Einblicke., alle Reisen machen wir zusammen. Dann kommen wir auch immer ganz viel ins Erzählen über ihre Kindheit im früheren Jugoslawien. Da geht es viel um den Krieg, den sie als Jugendliche in Sarajewo erlebt hat, und um Flucht und Neuanfang. Sie hilft mir beim Übersetzen und Einordnen. Aber wir sind auch nicht immer einer Meinung.

Worüber streiten Sie dann? 

Der Reiseführer über Montenegro war, wie immer, was man über Südosteuropa schreiben will, eine Herausforderung. Eigentlich kann man nur ins Fettnäpfchen treten.

Das wäre nichts für mich.

Gerade das empfinde ich aber als faszinierend. Die Länder im ehemaligen Jugoslawien fordern uns als Europäer heraus. Hier befindet sich die Schnittstelle zwischen Ost- und Westeuropa, zwischen Ost- und Westrom, zwischen Orient und Okzident. Im Süden von Montenegro haben wir es im Süden auch mit den Hinterlassenschaften des osmanischen Reiches in Europa zu tun. Ein Drittel der Einwohner des Landes sind Moslems. Im südlichen Montenegro kann man in den Orient eintauchen, ohne Europa verlassen zu müssen. Dieser zeigt sich heute als europäischer Islam.

Ich fühle mich bestätigt.

Das ist es ja, Europa macht nichts draus und überlässt die europäischen Moslems lieber der Erdogan- und der Scheichpolitik. Wenn wir nicht aufpassen, kann die Region der Brückenkopf für den radikalen Islam werden. Auf unseren Reisen haben wir Montenegro als Klein-Jugoslawien erlebt. Was hier kaum einer mitbekommt, ist, dass das Land vor einer ähnlichen Zerreißprobe steht.

In einem Reiseführer möchte ich mich entspannt auf meinen Urlaub vorbereiten.

„Das Reihenkonzept bei Reise Know-how gibt schon eine Menge vor. Mein Reiseführer ist ein Führer für Individualtouristen, so wie ich auch gern einer bin“ (durch Klick auf Cover mehr zum Buch)

Das können Sie natürlich mit meinem Montenegro-Band. Es geht natürlich auch ums Baden an der schönen Küste mit seinen schnuckeligen kleinen Buchten. Eine wirkliche Entdeckung für uns war das Hinterland mit seinen hohen Bergen und der Graslandschaft rund um den Durmitor Nationalpark. Da ist jede Straße eine Panoramastraße. Und man kann tolle Wanderungen unternehmen und eine herzliche Gastfreundschaft erleben. 

Wem könnte man nun „Montenegro“ mit welchem Argument am besten verkaufen?

Das Reihenkonzept bei Reise Know-how gibt schon eine Menge vor. Mein Reiseführer ist ein Führer für Individualtouristen, so wie ich auch gern einer bin. Vielleicht ist meine Ausgabe etwas stärker in die Richtung Kultur- und Politreiseführer geraten. Das hat den Lektor verzweifeln lassen. Das ist aber, was mir Spaß macht. Wie es mich bei meinem Langendorf Dienst fasziniert, was Menschen machen, die Buchhändler werden, so fasziniert mich eben, was Menschen in einem Land wie Montenegro erleiden und worüber sie stolz sind. Also, diesen Reiseführer kann man am besten allen verkaufen, die ein Land gern entdecken wollen. Ich habe zu fast jeder Stadt und zu fast jeder Region etwas Neues herausgefunden.

Sie sind doch von morgens bis abends mit Ihrem Langendorf Dienst beschäftigt – woher nehmen Sie die Zeit?

Man muss sagen, dass das Erscheinen auch der Geduld des Reise Know-How Verlags zu verdanken ist. Mehrfach musste ich die Abgabe des Manuskripts verschieben. Verleger Wayan Rump hat das mitgemacht. Corona hat uns allerdings auch bis zuletzt ziemlich geschüttelt. Die Recherchereisen waren trotz Corona wahnsinnig spannend. Allein darüber könnte man ein eigenes Buch machen. Natürlich sind sie auch anstrengend. Denn um gute Bilder mit Sonne zu bekommen, fährt man natürlich im Sommer, wenn auch die Leserinnen und Leser reisen wollen. Da herrschen dann bis zu 40 Grad und man hat die 15 Kilo schwere Fototasche an der Schulter hängen. Dann kommt die mühselige Arbeit am Schreibtisch. Ich kann mich bis heute nicht entscheiden, schreibe ich noch am Abend bis vielleicht 1:00 oder 1:30 Uhr? Dann konnte ich aber oft bis 4:00 Uhr nicht mehr einschlafen. Morgens um 4:00 oder um 5:00 Uhr aufzustehen, ist aber auch eine Quälerei. Am besten geht es natürlich am Wochenende. Ich versuche mir einzureden, mich mit dem einen von dem anderen zu erholen. Das klappt aber auch nicht immer.

Was motiviert Sie dann?

Die Arbeit über kulturhistorische Themen macht einen irren Spaß. Mit den betriebswirtschaftlichen Informationen für den Buchhandel und mit den vielen spannenden Geschichten im Buchhandel vor Ort bei LD kann man sich aber auf jeden Fall wieder erden. 

Und läuft der Reiseführer gut an? 

Ich denke sehr gut. Ich bin beeindruckt vom Vertriebsteam, das einen Großteil der Auflage bereits in den Buchhandel einverkauft hat. Bei Amazon hat er derzeit in vierstelliges Ranking, was sehr gut ist. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass er neu ist. Die ersten positiven Rezensionen gibt es bereits. Doch vor allem der Autor weiß: Die nächste Auflage kann nur noch besser werden.

Dann wünsche ich Ihnen zu Ihrem heutigen Geburtstag viele weitere Auflagen.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (1)
  1. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,
    weiterhin viel Kraft & gute Kondition für die nächsten Auflagen. Danke für den tollen Artikel.
    Beste Grüße aus dem
    Reise Know-How Verlag

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