30 Jahre Wieser Verlag Ein Mann baut literarische Brücken zwischen Ost und West

Der Wieser Verlag feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen und bringt anlässlich dazu einen ganz besonderen Band heraus: Im dreißigsten Jahr. Eine Sammlung von jenen Texten, die Lojze Wieser im Laufe seines Verleger-Lebens besonders berührt haben. Anlass wiederum für uns, mit dem Grenzverleger über das zu reden, was war, das, was kommt, und das, was immer bleibt: Einer Literatur Sprache zu geben, die in dem bisherigen Raum wenig Gehör gefunden hat.

Lojze Wieser

 

„Lojze Wieser ist ein verlegerischer Grenzgänger. Er verbindet Menschen über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg und hilft mit seinen Büchern die beschränkenden Grenzen im Kopf zu überwinden.“
Ernst A. Grandits

BuchMarkt: Herr Wieser, der Verlag feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen, wie fühlt sich das an?
Lojze Wieser: Jung.

Was war schon immer, seit Beginn an, Ihr Ziel? Was für eine Art Literatur wollten Sie veröffentlichen, für welche Leserschaft?

Am Ende  des 20. Jahrhunderts hatte man in unseren Breiten das Gefühl, die Welt wäre bei Ganghofer oder Rosegger stehen geblieben. An den tektonischen Bruchstellen, wo sich die slawische und romanische Welt mit der germanischen reiben, hörte man zwar ein Knirschen, doch gesehen hat man einzig und allein die in Fraktur gemeiselte deutsche Sprache.
Der Slogan „Kärnten spricht Deutsch!“ hatte zu dieser Zeit, 35 Jahre nach dem Sieg der slowenischen Partisanen über den Faschismus noch immer laute Präsenz.
Die große literarische Kraft der slowenischen und der übrigen slawischen Welt,  wie sie im Verborgenen in Kärnten und im blockfreien Jugoslawien in Verse und in Romane floss, aus den Hinterhöfen ans Licht zu bringen – na svetlo dati – war mein Bestreben.  Die Leserschaft war da und sie war neugierig.

 Sind Sie sich da treu geblieben?

Die 1400 bislang publizierten Bücher, die große Zahl der Übersetzungen sprechen ihre Sprachen …

Welcher Moment, welcher Autor, ist Ihnen in ihrer beruflichen Karriere besonders im Gedächtnis geblieben?

Anfimiadi, Albahari, Bogdanović, Camaj, Dalos, Eörsi, Fabrio, Gauß, Gruša und Gruber, Hartinger, Hafner und Handke, Javoršek, Karahasan und Kerschbaumer, Lipuš, Marinčič,  Noll, Okopenko, Pevny und Prešeren, Reiter Robert, Ryšavy und  Ranchev, Struhar und Skacel, Šeligo,Tatarka, Ujević, Voranc, Widner, Zielinski, Zajc und Zorzut, Žabot und viele weitere…

Was war Ihr schönster Erfolg?

Die Erfindung der Reihe „Europa erlesen“ und die Geburt der „Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens“

Und Ihr traurigster Misserfolg war?

Durch Briefbomben und Morddrohungen für das Verlegen von Literatur bedroht und bestraft zu werden.

Sie haben sogar eine eigene Kochserie. Was hat die mit Ihrer Tätigkeit als Verleger zu tun? Erklären Sie doch kurz was es damit auf sich hat, wie ist die Idee entstanden?

„Der Geschmack Europas“ ist gleichsam die Ergänzung von „Europa erlesen“ –  die Möglichkeit, Länder und Regionen durch ihre Literatur und durch ihre Kulinarik kennen zu lernen, zu erfahren, zu genießen.
Es geht um das Glücksgefühl – beim Kochen wie beim Schreiben, oder dann beim Essen oder beim Lesen. Wie in der Literatur geht es auch hier um die Neuvermessung der Welt. Wir zeichnen damit auch eine literarische Landkarte.

Nun kommt, aus Anlass des Jubiläums, ein neuer Band heraus: Im dreißigsten Jahr. Worum geht es hier?

Es ist eine Sammlung von jenen Texten, die mich im Lauf meines Verleger-Lebens besonders berührt haben, es ist damit auch eine sehr persönliche Verlagsgeschichte – die aber auch im Kontext mit der europäischen Verlagsgeschichte zu sehen ist.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das am besten verkaufen? Inwiefern unterscheidet es sich zu bisherigen Werken, die bei Ihnen erschienen sind?

Dieser Band gibt einen guten Querschnitt durch die ost- und südosteuropäische Literatur, erzählt Hintergründe und macht das literarische Leben an den Rändern unserer Länder plastisch – also eine Tour d’Horizon durch unsere süd-östlichen Nachbarländer.

Fokussieren Sie hier eine bestimmte Zielgruppe?

Ich erkenne das wachsende Interesse an den Literaturen dieser Länder, die Neugierde der Leser auf das teilweise noch nicht Bekannte – wir haben z.B. mit der fünfbändigen Ausgabe des Jahrhundertwerks von Miroslav Krleža DIE FAHNEN großes Aufsehen erregt, im Feuilleton wie bei den Lesern – weil: Mit diesem Buch wird ein Jahrhundert neu gelesen, wie in der Neuen Zürcher und anderen Besprechungen kürzlich dazu zu lesen war.

Was kommt danach? Wie geht es weiter im Programm bei Wieser?

Die nächsten 30 Jahre, und mit der Jung-Verlegerin Erika Hornbogner weiter arbeiten.

Was erhoffen Sie sich vom Jahr 2017?

Hoffnung! Aber: Das Neue und Schöne muss durchgesetzt werden. Von Alleine kommt nur das Falsche.

„Nicht einmal unter den Blumen gibt’s Gerechtigkeit“ sagt der Villon des Balkans.

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Andreas Rostek über das zehnjährige Bestehen der edition.fotoTAPETA: Warum sollen wir blau lesen, Herr Rostek?

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