Ayelet Gundar-Goshen über ihr Buch "Wo der Wolf lauert" (Kein & Aber) „Es ist ein Roman über Identität, über den Versuch, der eigenen nationalen Geschichte zu entkommen“

Ihrem ersten Roman Eine Nacht, Markowitz (2013) wurde der renommierte Sapir-Preis für das beste Debüt zugesprochen, 2015 folgte mit Löwen wecken ihr zweiter Roman, Lügnerin ist 2017 erschienen. Im Juli erscheint jetzt ihr neuer Roman Wo der Wolf lauert (Kein & Aber) über den die Autorin Ayelet Gundar-Goschen sagt: „Es ist ein Roman über Elternschaft – was es bedeutet, eine Mutter zu sein, und alles anzuzweifeln, was man über sein eigenes Kind zu wissen glaubt. Und es ist ein Roman über Identität, über den Versuch, der eigenen nationalen Geschichte zu entkommen, und die Entdeckung, dass man nicht ewig davonlaufen kann“ – Anlass für Fragen:

Ayelet Gundar-Goshen (c)Tal Shahar

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Ayelet Gundar-Goshen: Lilach, eine gebürtige Israelin, führt mit ihrem erfolgreichen Mann und ihrem Teenagersohn ein privilegiertes und glückliches Leben im Silicon Valley. Doch als ein afroamerikanischer Mitschüler ihres Sohnes auf einer Party stirbt, kommt es zu Spannungen in der Gemeinde. Lilach vermutet, dass ihr Sohn etwas damit zu tun hat, und beginnt zu ermitteln – entgegen all ihrer inneren Widerstände.

Gibt es einen Zusammenhang zu Ihrem letzten Buch Lügnerin?

Auch Wo der Wolf lauert handelt von den Lügen, die wir uns selbst darüber erzählen, wer wir sind und wozu wir fähig sind. Wir halten uns stets für die “Guten”, bis ein Moment kommt, der uns dieses grundlegende Narrativ infrage stellen lässt. Wie die meisten Mütter, die ich kenne, ist Lilach ständig in Sorge um ihren Sohn. Sie sieht ihn als etwas Zartes und Kostbares, das ständig beschützt werden muss. Wir befürchten, dass unsere Kinder in der Schule gemobbt werden – aber wie viele von uns fragen sich, ob nicht auch unsere Kinder andere verletzen und eher Täter als Opfer sind?

Verfolgen Sie beim Schreiben eine klare Linie und haben Sie „Lieblingsthemen“, über die Sie gerne und oft schreiben?

Mich fasziniert besonders das Thema „Blindheit“, also all die Dinge, die wir nicht sehen wollen – in uns selbst, in unseren Partnern, in unserer Nation. Immer wenn unser Bedürfnis nach Wahrheit gegen unser Bedürfnis, Dinge auszublenden, gerieben wird, vermag es die Literatur, ein Feuer zu entfachen.

Was ist Ihnen sonst noch wichtig?

Die Figuren sollten einen eigenen Geruch haben. Sie müssen lebendig sein – nicht nur abgebildet, sondern tatsächlich lebendig, tanzend, schwitzend, stinkend. Die Figuren sollen sich nicht nur real anfühlen, sie sollen real sein. Und das sind sie auch, in meiner Vorstellung.

In welches Genre kann das Buch eingeordnet werden?

Ich würde es als Psychodrama mit Spannungselementen beschreiben.

Welche Leserschaft möchten Sie damit ansprechen?

Ich würde mich freuen, wenn Leser:innen von Psychodramas diesen Roman mögen, aber eben auch jene von Spannungsliteratur oder Krimis. Schließlich handelt er von einer Mutter, die gewissermaßen gegen ihren eigenen Sohn ermittelt.

Und welche Reaktionen erhoffen Sie sich?

Ich hoffe, die Leser:innen werden sich mit Lilachs Reise identifizieren können. Es ist immer verlockend, eine Figur in einem Roman für ihre Taten, Worte oder Entscheidungen zu verurteilen. Aber ich würde mich freuen, wenn sich die Leser:innen stattdessen fragen: „Hätte ich in dieser Situation womöglich das Gleiche getan?“ Man sollte versuchen, die Figuren zu verstehen, nicht über sie urteilen – das ist das humanistische Ziel von Literatur.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch ideal verkaufen?

Es ist ein Roman über Elternschaft – was es bedeutet, eine Mutter zu sein, und alles anzuzweifeln, was man über sein eigenes Kind zu wissen glaubt. Und es ist ein Roman über Identität, über den Versuch, der eigenen nationalen Geschichte zu entkommen, und die Entdeckung, dass man nicht ewig davonlaufen kann.

Diese drei Wörter beschreiben den Roman perfekt:

Puh, ich wünschte, ich könnte das beantworten. Bitte schreiben Sie sie mir, wenn Sie das können!

Welche Fragen, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie dennoch gerne beantwortet?

Eigentlich habe ich mich sehr über Ihre Fragen gefreut. Wegen Covid hat sich die Veröffentlichung von „Wo der Wolf lauert“ in Israel verzögert, und nun bereitet es mir eine große Freude, zu sehen, wie der Roman seine ersten Atemzüge in der Welt tut, und mit Leuten darüber zu sprechen, die auch jetzt in der Netflix-Ära noch lesen.

 

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