Das Sonntagsgespräch Georg Leifels über Buchhändler-Persönlichkeiten und wie man sie (wieder) entwickeln könnte

Georg Leifels (Foto) findet: „Wir brauchen eine andere Beratung“. Fragen von Christian von Zittwitz an den Hagener Verlagsvertreter

Herr Leifels, wann ist Ihnen klar geworden, dass sich im Inneren des Buchhandel etwas ändern muss?

Georg Leifels: Dann erzähle ich Ihnen mein Schlüsselerlebnis: Von etwas längerer Hand still vorbereitet, kündigt ein Buchhändlerpaar seinen Rückzug aus dem Geschäft an. Bis

Georg Leifels;
Wir brauchen eine
andere Beratung

zum Abschied verbleiben nur noch wenige Tage. Die Kunden sind überrascht bis schockiert und ein älterer Herr bringt es unter Tränen auf den Punkt: „Ich weiß, dass ich inzwischen überall Bücher kaufen kann, aber wo treffe ich künftig diese besondere Atmosphäre an?“

Was macht denn solche Atmosphäre aus, wodurch und wie kommt sie zustande?

Marketingleute subsumieren die wichtigen Faktoren dafür unter dem Stichwort „Erlebnisbuchhandel“, egal ob auf kleiner oder großer Fläche. Dazu zählen u.a. Lichtdesign, Übersichtlichkeit im Warenangebot, freundliche warme Farben überhaupt und überall, auffällige Sortierung, Klarheit in der Raumstruktur, gemütliche, einladende Sitzmöbel mit der Möglichkeit zum Kaffeegenuss und manchmal sogar den „Faktor Mensch“ mit kompetenter Ansprache und Beratung.

Da sind wir uns einig, wir hatten bei unserem ersten Treffen (von dem ich in der Redaktionsnotiz des aktuellen BuchMarkt-Heftes berichte) ja schon darüber gesprochen, dass der Motor im Betriebsklima nicht nur aus Ihrer Sicht die Person des Buchhändlers ist.

Ja! Ja! Ja! Eine Person hat aufgrund etymologischer Recherche nicht nur etwas mit Charakter und Maske zu tun, sondern sie verkörpert einen Ton, einen Klang, eine Schwingung. Genau das markiert meine vorhin erzählte kleine Geschichte, die mir in diversen Variationen und mit anderen Menschen in den letzten Jahren immer wieder begegnete. Diese Anekdote macht mich aber deswegen besonders nachdenklich, weil die jüngste Vergangenheit in unserer Branche geprägt von der deutlichen Mutation des Buchhändlers hin zum homo oeconomicus.

Aber das ist doch ein Sachzwangs in unserem Wirtschaftssystem?

Das sehe ich anders. Den schriftlichen Nachweis zum Buchhändler erhalten wir natürlich im Studium der Ausbildungsinhalte auf dem Weg zum ordentlichen IHK-Buchhändler. Aber schon die literarische Allgemeinbildung bleibt auf der Strecke…

Ja, darüber sollte man manchmal besser schweigen.

Ich vermute, hier fehlt oft die persönliche Motivation. Und wenn die fehlt, dann bleibt diese Erfahrungsdecke sehr dünn.

Hier sind viele, besonders sogar die großen Ketten, aber durchaus sehr aktiv.

Umso dringender vonnöten wären deshalb spezifische Angebote, um die persönliche Performance zu stimulieren.

Wie meinen Sie das?

Wir brauchen andere Berater, denen es gelingt, die Buchhändler darin zu schulen, mit den sehr unterschiedlichen Kunden lustvoll, überraschend und emotional engagiert entgegenzutreten?

Das geht?

Ja, das hat gerade die Personalabteilung der dm Drogeriemärkte bewiesen: Dort gehen die Azubis für vier Wochen in ein Theaterprojekt. Sie lernen es, immer selbstständiger auf der „Bühne des Lebens“ zu agieren. Solche Investition in Menschen vermisse ich. Und die angekündigte Entscheidung von Hugendubel u.a., in diesem Jahr überhaupt keine Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, unterstützt leider meine These. Das ist aus meiner Sicht eine pathologische Entwicklung für den gesamten Buchmarkt.

Warum sollte die stiefmütterliche Ausstattung unserer Bildungsstrukturen vor den Türen unserer Branche Halt machen?

Stimmt, wir laufen ja alle bereits viel zu lange nur mit der Renditebrille auf der Nase durch unsere Buchläden und wundern uns, dass wir die Kundenwünsche nicht präziser erfasst bekommen. In unseren hoffnungslos überfüllten und unter mächtigem Konkurrenzdruck stehenden Märkten suchen wir händeringend nach probaten Wegen der nachhaltigen Kundenbindung und ignorieren die schlichte Weisheit, dass sie einzig und allein durch überzeugende Begegnung und Kommunikation zwischen dem Buchhändler und seinen Kunden zustande kommt.

Und Sie sehen die Lösung in der Persönlichkeitsentwicklung der Buchhändler und ihrer Mitarbeiter

Ja, wir müssen seine menschlichen Qualitäten wieder fördern. Selbst (s)eine Kauzigkeit sind gefragt und können seinen Verkaufsraum beseelen. Das ist aber keine Frucht übrigens, die uns nach langen Berufs- und Lebensjahren einfach in den Schoß fällt.

Sie hatten mir das schon im Vorgespräch gesagt: Sie wissen den Grund: Weil die normale Ausbildung diesen Aspekt völlig ignoriert.

Ja. Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit ist nach meiner Wahrnehmung der entscheidende „Mehrwert“, den Handel mit Büchern erfolgreich zu meistern. Ware bekommen die Menschen heute an allen Ecken und Enden angeboten. Doch kommt die Mehrzahl der Menschen nicht insgeheim in unsere Läden, um tiefer liegende, unbewusste Bedürfnisse zu stillen?

Ihr Rezept also?

Es gilt, den Frust des Alltags zu mildern. Denn die Menschen suchen nach erfüllenden Momenten. Sie wollen einen lebendigen Draht zum Händler, zum Du. Sie wollen ein konkretes Gegenüber, das sich wenigstens einen Augenblick einlässt und mitgeht. Das ist mehr als nur gemeinsam den PC Bildschirm nach Titeln zu konsultieren. Ein Autor wie Ken Wilber nennt das „Mitgefühl“, wobei mir ausnahmsweise hier das englische Wort „compassion“ besser gefällt.

Sie wollen also die Leidenschaft des Kunden für Geschichten wecken und mit ihm teilen?

Aber das will gelernt sein. Ich kenne nur ein Beraterteam, das das schult. Der Focus der herkömmlichen Coaching – Angebote in unserer Branche liegt überwiegend beim Bewältigen der kaufmännischen Herausforderungen. Das greift zu kurz . Das ist größte Gefährdung unseres Branchen-Biotops. Wir brauchen deshalb berufsbegleitende Persönlichkeitstrainer, die genau diesen Aspekt stärker berücksichtigen und in unsere Branche einbringen. Wenn mich einer fragt: Ich kenne welche.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kontakt: Verlagsvertretungen
Georg Leifels,Hagen
Fon 02331.330496
Fax 02331.336559
georgleifels@t-online.de
www.buch-leifels.de

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