Das Sonntagsgespräch Gudula Buzmann: Buchhändler, Gründer und „alte Hasen“, müssen immer wieder Gesicht zeigen

Zehn Auflagen lang hat der „Hinze“, das Grundlagenwerk zur Gründung und Führung einer Buchhandlung, den Autorennamen Hinze getragen, mit der elften Auflage wird alles anders:

Zusammen mit Klaus W. Bramann hat sich Gudula Buzmann an die Neu- und Gesamtkonzeption des Werks gewagt, das jetzt im Bramann Verlag erschienen ist [mehr…].

Das war Anlass für unsere Fragen:

BuchMarkt: Was hat den Anstoß zur Neubearbeitung gegeben?

Gudula Buzmann

Gudula Buzmann: Zunächst ganz einfach: Der Abverkauf der 10. Auflage. Bereits diese war aber im Vergleich zu Auflage 9 inhaltlich von uns vollständig neu konzipiert und von „Quellen aus dem Archiv“, was Hinze wohl wie kein anderer gepflegt hat, auf modernes Marketing und moderne Recherche über Verlinkung mit den damals für Gründer relevanten Seiten umgestellt. Franz Hinze hat noch jedes neue Kapitel gelesen und kritisch kommentiert, sodass wir wohl eine sehr gelungene Verbindung zwischen Archiv-Kompetenz und Recherchekompetenz geschaffen haben. Für die 11. Auflage wurde neben kleineren redaktionellen Änderungen jede Verlinkung, jeder Verweis auf die Rechtslage und jeder Hinweis auf Branchenentwicklungen kontrolliert und bei Bedarf auf den aktuellen Stand gebracht.

Welche Zielgruppe haben Sie dabei im Visier gehabt?

Wir hatten die Gründer im Visier, die heute eine Buchhandlung kaufen oder gründen, aber auch diejenigen, die längst eine Buchhandlung führen und noch einmal professioneller an diese Aufgabe herangehen möchten. Ob Standortbeurteilung, Personaleinsatz oder Finanzierungsfragen: Auch bei etablierten Buchhandlungen kann man sich diesbezüglich nicht ausruhen und jahrelang dasselbe machen. Und bei allen Online-Möglichkeiten hilft dabei ein Standardwerk im Regal.

Lohnt denn unabhängiger Buchhandel noch?

Buchhandel lohnt sich noch bzw. wieder, denn Märkte entwickeln sich in Zyklen. Außerdem kommt es sehr auf die Standortentwicklung an. Viele Kommunen kämpfen mit strukturellen Problemen bei leeren Kassen und maroder Einzelhandelsstruktur. Dort lohnt sich eine Gründung erst nach dem Turnaround. Andererseits gibt es u.U. dort noch eine Buchhandlung – und die bekommt auch den einen oder anderen Tipp zur Verbesserung der Lage. Nichtsdestotrotz könnte eine Buchhandlung in 10 oder 15 Jahren ganz anders aussehen als heute oder Medienhandlung heißen.

Vielleicht aber auch nicht…?

Auch „Tante Emma-Läden“ gibt es wieder, will heißen: kleine Läden um die Ecke, in denen der Kunde seinen Tagesbedarf einkaufen kann. Die verschiedenen Konzepte – von Rewe to go bis zu Dorfläden in Selbstverwaltung – müssen sich jedoch noch über eine gewisse Zeit bewähren. Und auch Schallplattenläden gibt es wieder, um einmal die zeitweilige Lieblingsvergleichsbranche des Buchhandels zu bemühen. Ich glaube, es ist wichtig, als Buchhandlung zwischen diesen Möglichkeiten den eigenen Weg zu suchen: Nahversorger oder hochwertiger Special-Interest-Buchladen. Was nicht heißt, dass nicht der Nahversorger zeitweilig besondere Aktionen gestaltet und der Special-Interest-Buchhändler mit „Was noch in den Koffer passt …“ zeitbegrenzt Urlaubslektüre anbietet.

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Aber haben diese Läden gegen die Ketten wirklich eine Chance?

Einfach ist es nicht. Der Marktwandel beschleunigt sich, d.h. dünne Kapitaldecken reichen nicht mehr aus, will man dauerhaft erfolgreich sein. Man muss sich immer wieder neu erfinden, ob als Kette oder als unabhängige Buchhandlung. Im Prinzip muss man alle paar Jahre fragen: Würde ich heute noch einmal mit dem gleichen Konzept hier am Standort gründen? Wenn ja: weiter so. Wenn nein: ändern, und zwar so, dass bewährte Zielgruppen mitgenommen werden und neue Gruppen dazu stoßen können.

Welche Rezepte kann man den ggf. im neuen Hinze/Buzmann/Bramann nachlesen?

Professionalisierung ist auch bei kleinen und mittleren Sortimenten nötig und möglich, am besten von Anfang an. Darüber hinaus gibt es wenige „Rezepte“. Aber man lernt, wie man Entscheidungen aufgrund vager Eindrücke vom Markt auf solide Füße stellt, wie man mit Aufs und Abs im Alltag umgeht, wie man seine Liquidität sichert und dass Rentabilität nicht am Kontostand erkennbar ist. Wenn Sie so wollen: Man lernt Kochen, nicht Rezepte lesen.

Sie haben sicher noch mehr Ratschläge parat?

Fast alle Gründer gehen mit sehr viel Energie an die Gründung und die Planung des ersten Jahres heran, sprudeln nur so vor Einfällen für Aktionen und Events, für Öffentlichkeitsarbeit und Leseförderung. Leider wollen auch diese Ideen von Anfang an „organisiert“ werden, sonst bleibt die Kreativität nach einer Gründung im Alltag auf der Strecke. Kunden bilden ihre Erwartungshaltung gegenüber einer Buchhandlung in den ersten Monaten des Kontakts. Wer dann schon alle Ideen in einem wahren Feuerwerk verbrannt hat, enttäuscht zwangsweise in der Folgezeit. Also besser: Alle Ideen aufschreiben und die Dramaturgie (= Lenkung des „Spannungsbogens“, „laute“ und „leise“ Aktionen geschickt kombinieren etc.) für die ersten fünf Jahre festlegen. Dabei sollte auch der Plan B existieren, wenn ein Format nachweislich zu wenig Resonanz findet. Und es sollte mit der wachsenden Arbeitsauslastung in den fünf Jahren, mit größerem Erholungsbedarf (der Gründer-Adrenalinschub verschwindet langsam), aber auch mit mehr Routine gerechnet werden.

Eine weitere Detail-Tücke liegt in der Selbstorganisation und den Führungsfähigkeiten. Anfangs legt man eine Überstunde nach der anderen ein, irgendwann geht das nicht mehr oder zumindest wird die Qualität der Arbeit deutlich schlechter. Hilfe muss her. Wer aber glaubt, beim Personal „so nebenbei“ führen zu können, geht organisatorisch und finanziell Risiken ein. Besser ist es daher, gleich von Anfang an die Aushilfe oder Teilzeitkraft gedanklich und praktisch in die Unternehmensentwicklung einzubeziehen, Aufgaben zu übertragen und die Erledigung zu kontrollieren, um weitere Entwicklungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten im personellen Bereich zu erkennen. Und um Führen zu lernen, vor allem „nicht mal eben“ eine Sache selbst zu erledigen, weil man es viel schneller kann, als die Mitarbeiter.

Was raten Sie denn den Neugründern?

Der Worst Case wird meist automatisch durchgespielt. Gründer sollten den „Best Case“ aber auch ruhig einmal für alle Bereiche wörtlich nehmen und mit viel Erfolg rechnen. Erst zwischen diesen Eckpunkten entwickelt sich die Buchhandlung im „richtigen“ Tempo.

Ein wichtiger Rat für Neugründer und etablierte Buchhandlungen lautet aber: Gehen Sie raus aus Ihrem Laden! Gründer und „alte Hasen“ müssen immer wieder Gesicht zeigen, im öffentlichen Leben präsent sein, „dem Volk auf’s Maul schauen“, also vielleicht auch einmal irgendwo frühstücken, wo sich junge Mütter versammeln, wenn die Kinder in der Kita sind und die Mutter noch nicht wieder Teilzeit arbeitet. Ins Theater und in Museen gehen, zu Konzerten und Ausstellungseröffnungen – nicht nur im Urlaub – bringt in Kontakt mit den Entscheidungsträgern der Kommune und mit kulturinteressierten Kunden. Bei solchen öffentlichen Auftritten ist man daher immer auch Botschafter der Buchhandlung, man sollte sich also nicht mit letzter Kraft zu einer Kulturveranstaltung schleppen müssen. Wer diese Art von Öffentlichkeitsarbeit nicht gut kann, suche sich einen Mentor, ein Vorbild oder einen Coach für die ersten Schritte.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Gudula Buzmann ist ausgebildete Buchhändlerin und Diplomkauffrau und arbeitet als Beraterin www.loesung-gb.de. Im neuen „Hinze“ werden die Themen rund um Gründung, Positionierung und Führung einer Buchhandlung in die idealtypischen Phasen Orientierung, Entscheidung und Erfolgssteuerung erläutert.

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