Das Sonntagsgespräch Holger Volland: Fühler ausgestreckt zu benachbarten Branchen der Buchmesse

Holger Volland (40), Leiter des Geschäftsbereichs Konferenzen / Creative Industries der Frankfurter Buchmesse und in dieser Position Mitglied der Geschäftsleitung der Ausstellungs- und Messe GmbH, über die Medienmacher-Konferenz „StoryDrive“ im Rahmen der Frankfurter Buchmesse.

Dort treffen sich Medienmacher, wie der Harry Potter Produzent David Heyman oder der Gamification Guru David Zicherman, um die Zukunft des „Storytelling & Storyselling“ einzuläuten. Roland Emmerich stellt seinen neuen Film „Anonymous“ vor und Buch-, Games- und Filmexperten reflektieren in rund 40 Veranstaltungen die Zukunft der Medien und die daraus entstehenden neuen Geschäftsmodelle. Bei dieser ersten Plattform für das crossmediale Rechte- und Kooperationsgeschäft trifft sich die Welt des Media Entertainments, mit dem Ziel, Inhalte maximal zu verwerten und aus Geschichten Universen zu schaffen. Das war Anlass zu fragen:

Holger Volland

Herr Volland, spielt das Buch für die Buchmesse keine Rolle mehr?

Volland: Wie kommen Sie darauf?

Ich habe den Eindruck, dass es zur Buchmesse jedes Jahr mehr Veranstaltungen gibt, die sich nicht mehr um Bücher drehen. Und Sie drehen an diesem Rad mit Veranstaltungen wie „Sparks“ kräftig mit.

Da täuscht Sie Ihr Eindruck… auf der Frankfurter Buchmesse dreht sich wie immer alles um das Buch, auch wenn es wie jedes Jahr natürlich viel Neues gibt.

Und was ist mit Events wie der Storydrive – Konferenz?

Wer heute in der Verlagswelt erfolgreich ist, streckt seine Fühler auch in benachbarte Branchen aus. Nehmen wir gerne als Beispiel die StoryDrive Konferenz: Wir veranstalten dieses „All-Media“-Event, weil die Stoffe für viele Filmadaptionen auf der Buchmesse gehandelt werden, und weil die Gamesbranche neue Formen des digitalen Storytelling zu einem Milliardengeschäft gemacht hat, das für andere digitale Produkte – auch die von Buchverlagen – ebenfalls relevant wird. Das sind nur zwei von sehr vielen Gesprächsthemen, die Verlage mit benachbarten Medienbranchen haben. Für diese Gespräche, vor allem aber für die Geschäfte, die damit zusammenhängen, gab es bis zum letzten Jahr kein Format.

Mit der Konferenz, auf der Geschäftskontakte geknüpft werden, und mit dem Business Centre schließen wir diese Lücke. Das StoryDrive Business Center ist ein eigenes Handelszentrum für Kreative und Unternehmen aus allen Medien, das direkt an das Literary Agents & Scouts Centre LitAg angeschlossen ist.

Warum müssen denn die Branchen überhaupt zusammenarbeiten?

Die Buch-, Film- und Gamesbranchen stehen vor vielen sehr ähnlichen Herausforderungen. Da gibt es zum Beispiel neue zentrale Zugangsplattformen, wie Apples iTunes, über die alle medialen Inhalte gleichermaßen bezogen werden können. Dann gibt es ein sich veränderndes Mediennutzungsverhalten, das durch die gleichzeitige Nutzung verschiedener Medien und einer viel geringeren Aufmerksamkeit für das einzelne Medium geprägt ist. Es gibt den Trend der Gamifizierung vieler Lebensbereiche. Es gibt ähnliche Probleme mit Piraterie und Urheberrechtsschutz – und noch viele Gemeinsamkeiten mehr.

Alle haben die gleichen Probleme?

Ja, dadurch, dass in diesen früher sehr unterschiedlichen Branchen die gleichen Fragen aufkommen, entsteht geradezu die Notwendigkeit, sich wesentlich intensiver auszutauschen. Gleichzeitig entsteht durch die neuen technologischen Entwicklungen eine völlig neue Form des Geschichtenerzählens: Inhalte können nicht mehr nur linear in einem Medium, sondern transmedial, also parallel über Buch, Film und Internet, vermittelt werden. Es gilt also, die digitalen Herausforderungen zu meistern und auch neue Möglichkeiten der Kreativität zu entdecken.

Kann man das nicht viel besser und gezielter auf den jeweiligen Branchenevents wie Gamescom oder Cannes machen?

Nein, das kann man nicht. Zumindest dann nicht, wenn man den Inhalten die wichtigste Rolle in der Medienproduktion zusprechen will. Dafür muss man schon auf die Frankfurter Buchmesse kommen.

Das klingt sehr selbstbewusst.

Warum sollen wir das nicht sagen dürfen? wir sind unter all den Medienveranstaltungen diejenige mit der größten Glaubwürdigkeit, was hochwertige Inhalte und damit Stoffe für die unterschiedlichsten Produkte und Medien betrifft. Außerdem ist unsere Branche diejenige, die seit Jahrhunderten Erfahrung damit hat, wie man Geschichten erzählt und Wissen vermittelt. Dieses Ass spielen wir und laden damit Kapitalgeber, Produzenten oder Entwickler ein, um die Vielfalt der Verlagsbranche kennenzulernen. Das ist übrigens auch der Hauptgrund, weshalb die Verlage Mitarbeiter zu StoryDrive schicken: Für sie ist es ein Heimspiel, bei dem sie auf vertrautem Terrain übergreifende mediale Trends kennenlernen und gleichzeitig Verlagsprodukte vorstellen und neue Partnerschaften eingehen können.

Wie sieht es mit der Hardware aus. Die Buchmesse kooperiert mit Bitkom und Cebit, es gibt immer mehr Bildschirme in den Messehallen. Wo wird noch über das Buch geredet?

Sehen wir der Realität ist Auge: Für uns alle ist ein gedrucktes Buch ein herrliches, haptisches Vergnügen, das sich gut anfasst, unkompliziert zu lesen ist und meist gut riecht. Und dennoch verbringen wir immer mehr Zeit vor den verschiedenen Bildschirmen von Laptops, Handys oder Tablets. Wir rufen dort Straßenkarten auf, fragen Fachinformationen ab, nutzen Lernplattformen, recherchieren in Datenbanken – das sind alles Produkte mit denen unsere Branche viel Geld verdient. Warum sollten wir die Geräte und die elektronischen Zugangswege zu den Inhalten auf der Messe verstecken, nur weil Bücherregale schöner aussehen?

Sie machen also der IFA Konkurrenz?

Auf der IFA interessieren sich die Besucher für Prozessorleistung und Bildschirmdiagonalen; auf der Buchmesse für die Inhalte. Damit das auch so bleibt, müssen wir offen sein für neue Wege, diese Inhalte darzustellen. Wir müssen Geräte, Nutzung, Software, Datenkonzeptebestens kennen, um so gefragte Produkte dafür entwickeln und vermarkten zukönnen.

Führt das aber nicht letztlich dazu, dass die Buchmesse ihre Seele verliert?

Die Buchmesse hat sich im Laufe der Zeit immer verändert und kontinuierlich weiterentwickelt. Das muss sie auch, denn die Messe ist schließlich der Spiegel der Buch- und Medienbranche, und die war in den vergangenen Jahren eben auch signifikanten Änderungen unterworfen – und wird es auch weiterhin sein.

Keine Zukunftssorgen, was die Messe angeht?

Wenn wir unseren Job gut machen, bieten wir den Rahmen für erfolgreiche Geschäfte mit guten Bekannten, Inspiration und neue Ideen und den Kontakt zu neuen Geschäftspartnern gleichermaßen. Das sind meiner Meinung nach alles gute Gründe dafür, um selbstbewusst nach vorne in einespannende Zukunft zu blicken.

Ich vermisse die Ideen, wie der Buchhandel an der Zukunft teilhaben kann.

Der digitale Umbruch trifft das stationäre Sortiment noch stärker als die Verlage und es zeigt sich ganz deutlich, dass natürlich auch Buchhändler eine digitale Strategie und eine breite Vernetzung in die Branche brauchen. Da gibt es viele tolle Beispiele, wie die Stuttgarter Schiller Buchhandlung oder Kohlibri in Berlin. Einige große, wie z.B. Barnes & Noble oder die deutschen Buchhandelsketten Weltbild und Thalia, setzen gezielt auf eine Multichannel-Strategie und haben eigene E-Book-Reader auf den Markt gebracht. In jedem Fall gelten aber auch zukünftig die alten Tugenden der Kundenbindung: die eigene Handschrift im Sortiment, das persönliche Beratungsgespräch und ein Plus an Serviceleistungen – auch im digitalen Bereich. Dazu gibt es übrigens auch Seminare auf der Buchmesse…

Wird wieder, wie im letzten Jahr, in den Medien der Eindruck entstehen, das Buch ist tot, das E-Buch die Zukunft?

Ach, der Tod des gedruckten Buchs wurde in den vergangenen Jahrzehnten schon so häufig beschworen. Wenn Sie auf die Buchmesse kommen, werden Sie sehen: Es geht ihm gut und es erfreut sich in Nachbarschaft zu seinen digitalen Schwestern und Brüdern weiterhin bester Gesundheit!
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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