Das Sonntagsgespräch Hörbuchpreisträger Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich über Hörspiele, „Die drei ???“ und den Hörbuchmarkt

Vor wenigen Tagen haben sie den Sonderpreis des Deutschen Hörbuchpreises 2016 gewonnen: Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich sind „Die drei ???“, und das schon seit 1979, als sie zum ersten Mal in diesem Ensemble zusammenkamen. Den Preis erhalten sie am 8. März bei der Gala zum Deutschen Hörbuchpreis im WDR-Funkhaus in Köln.

Dabei ist die lange gemeinsame Tätigkeit, die auf dem Markt der Hörliteratur ihresgleichen sucht, nur ein Aspekt für die Preisvergabe. „Für mehrere Generationen von Hörbuchfans wurden ihre Stimmen zu langjährigen Vertrauten und zur ‚Einstiegsdroge‘ für die Liebe zum Zuhören überhaupt“, begründet der Verein Deutscher Hörbuchpreis e.V. die Entscheidung. „Sie sind mehr als nur ein erfolgreiches Team. In ihrer persönlichen Entwicklung als Schauspieler, Label-Inhaber, Synchronsprecher oder Studiobetreiber spiegelt sich die Vielfalt der Möglichkeiten im Umgang mit Stimme, Wort und Klang.“

Oliver Rohrbeck, Andreas Fröhlich und Jens Wawrczeck © Christian Hartmann

Glückwunsch zum Deutschen Hörbuchpreis! Wenn man sich das „lockere“ Foto anschaut, könnte man meinen, Sie haben sich gefreut…

Andreas Fröhlich: Und ob! Der Deutsche Hörbuchpreis ist natürlich etwas ganz Besonderes.

Oliver Rohrbeck: Selbstverständlich haben wir uns gefreut. Diesen Preis und diese Würdigung zu erhalten, ist eine Ehre, und wir wissen das sehr zu schätzen.

Jens Wawrczeck: Zur Freude kommt bei mir auch das Staunen hinzu. Über die Zeitspanne, die wir jetzt schon „Die drei ???“ machen. Ich glaube, die Auszeichnung ist auch der Tatsache geschuldet, dass es uns immer noch in der gleichen Formation gibt. Und unter uns: Ich finde, Frau Körting sollte den Preis erhalten.

Nach Meinung vieler Preisträger kommt die Würdigung fürs Lebenswerk unerwartet früh – mit dem Hinweis, dass man ja noch lange weitermachen wolle. Die sagenhaften 36 Jahre seit dem Start der „Drei ???“ als Hörspielserie müssten aber reichen, dass Sie den Preis annehmen, oder?

Jens Wawrczeck: Natürlich. Und die Anspielung auf das Lebenswerk ignoriere ich einfach. Wie gesagt, das Phänomen „Die drei ???“ ist der eigentliche Preisträger.

Oliver Rohrbeck: Dass es diese Serie so lange gibt, ist ein Phänomen. Und es ist erstaunlich und nicht selbstverständlich, dass seit 1979 das gleiche Team zusammen arbeitet, also wir Sprecher, die Produzentin und Regisseurin Heikedine Körting usw. Außerdem ist es ja nicht so, dass wir in all den Jahren nicht auch andere Sachen machen konnten. Das haben wir schon immer getan und das werden wir auch in Zukunft tun. Aufs Altenteil wollen wir uns bestimmt nicht setzen.

Andreas Fröhlich: Der einzige Preis, mit dem ich Schwierigkeiten hätte, wäre der Razzie Award, aber auch den müsste ich annehmen und mir anschließend Gedanken machen. Außerdem handelt es sich „nur“ um einen Sonderpreis. Den für unser Lebenswerk verleiht man uns hoffentlich erst, wenn die Prothese wackelt.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass speziell diese Hörspielserie einen solchen Nerv getroffen hat und immer noch trifft? Wie kommt es, dass die heutigen Erwachsenen nicht einfach ihre Kindheit hinter sich lassen (wollen) und stattdessen weiter Millionen Hörspiele kaufen und auch zu Tausenden zu Ihren Live-Aufführungen strömen?

Oliver Rohrbeck: Eine gute Frage, die vielleicht andere beantworten sollten. :-)

Jens Wawrczeck: Ich kann verstehen, dass man in unseren kalten Zeiten Schutz bei den kuscheligen Bekannten aus der Kindheit sucht. Ich mache das auch. Nicht bei „Die drei ???“, aber bei meinen eigenen Helden, etwa Fred Astaire, Doris Day – und natürlich den Legionen von wunderbaren Schriftstellern, denen ich in meiner Hörbuchedition AUDOBA Tribut zolle.

Andreas Fröhlich: Dass die „Die drei ???“-Hörspiele so extrem erfolgreich wurden, hat meines Erachtens mit mehreren Faktoren zu tun. Als Ende der Siebziger die ersten Folgen erschienen, gab es nichts Vergleichbares auf dem Hörspielmarkt, aus diesem Grund auch kaum Konkurrenz. Ein weiterer Vorteil ist der Tatsache geschuldet, dass die Bücher schon existierten und sich sensationell verkauften. Die Geschichten von Robert Arthur waren gut gebaut und teilweise sehr unheimlich. Man konnte sich mit den drei Detektiven identifizieren und mitfiebern. Hinzu kam das schlichte, zeitlose Design der Cover mit den wunderbaren Bildern von Aiga Rasch. Dann der Name „Alfred Hitchcock“, der Qualität, Anspruch und Spannung versprach; das Setting „Amerika“, Land der unbegrenzten Möglichkeiten und unzähliger Geschichten, Mythen und Legenden; die eingängige Titelmelodie von Carsten Bohn – und schlussendlich Heikedine Körting] als großartige Regisseurin sowie drei junge, unverbrauchte Kindersprecher. Dass wir all die Jahre die Stimmen der drei Detektive geblieben sind und nicht umbesetzt wurden, hat für Kontinuität gesorgt. Die Hörer sind mit uns erwachsen geworden. So ist automatisch eine Bindung entstanden, fast wie eine Freundschaft. So unfassbar es klingt, aber für manche Fans sind „Die drei ???“ die einzige Konstante in ihrem Leben.

bild(m,39292)Wohl kein anderer hat den Hörspielmarkt so geprägt wie Sie – aber auch die Hörbuchbranche wäre mit Sicherheit nicht so weit entwickelt, hätten die drei Detektive nicht so unermüdlich ermittelt. Wie kommt es, dass die Deutschen so gerne Geschichten hören und auch so auf Stimmen fixiert sind?

Andreas Fröhlich: Das Hörspiel hat in Deutschland eine ganz eigene Tradition. Ende der 40er- bis Ende der 50er-Jahre herrschte in Deutschland ein regelrechter Hörspiel-Boom. Jährlich wurden über 500 Hörspiele im Radio gesendet, was damit zusammenhing, dass die meisten Theater und Kinos noch in Trümmern lagen. Damals versammelte sich die ganze Familie vor dem Radioempfänger, um sich unterhalten zu lassen und dem Alltag zu entfliehen. Heute, im Zeitalter des „Cocooning“, hört man ein Hörspiel in der Regel alleine. Wem die Welt zu stressig und kompliziert wird, der zieht sich seine Bettdecke über den Kopf, legt eine alte „Die drei ???“-Kassette ein und fährt, wie mit einem Fahrstuhl, in die heile Welt der Kindheit zurück.

Jens Wawrczeck: Ich glaube nicht, dass wir den Hörspielmarkt so entscheidend geprägt haben. Wir haben eventuell ein bestimmtes Genre innerhalb der Hörspielszene beeinflusst. Aber was ist mit den vielen wunderbaren literarischen Hörspielen, die die ARD produziert hat, mit großartigen Regisseuren und Schauspielern – und bei denen ich auch immer wieder das Glück hatte mitzuwirken? Hörspiele sind ja nicht erst durch „Die drei ???“ zum Leben erwacht, sondern viel früher. Und einer Geschichte zu lauschen, zumal, wenn sie gut erzählt wird, ist ja ein Urbedürfnis, oder?

Oliver Rohrbeck: Nur Hörspiele und (Hör-)Bücher vermögen es, den Leser oder Hörer in das Reich der Fantasie zu entführen. Jeder Mensch hat andere Bilder und Empfindungen. Das Land der Dichter und Denker fühlt sich angesprochen.

Bei den vielen Lesungen und Hörspielen, denen Sie Ihre Stimme leihen: Ertappen Sie sich dabei, hin und wieder in einer Buchhandlung die neueste „Drei ???“-Folge in die Hand zu nehmen? Und welche Hörbücher hören Sie persönlich?

Andreas Fröhlich: Ja, das passiert. Ich sortiere dann immer meine Lieblingsfolge ganz nach vorne! Und Folge 29 verstecke ich hinter TKKG… Ich höre sehr viele Hörbücher. Momentan beim Kochen in der Küche: „Der Biberpelz“ von Gerhart Hauptmann von 1958. Mit Therese Giehse als Mutter Wolfen. In der Badewanne: „Moby Dick“, gelesen von Ernst Schnabel. Und im Auto: „Stoner“, gelesen von Burghart Klaußner.

Oliver Rohrbeck: Nein, in Buchhandlungen nehme ich nie Folgen von „Die drei ???“ in die Hand. Ich persönlich höre sehr gern Hörspiele. Zuletzt habe ich „John Sinclair“ in einer englischen Fassung gehört. Außerdem habe ich von Haruki MurakamiVon Männern, die keine Frauen haben“ gehört.

Jens Wawrczeck: Ich bin selbst leider kein besonders emsiger Hörbuchhörer. Wenn überhaupt, lege ich mir alte Hörspiele aus den 50er- oder 60er-Jahren auf oder auch Autorenlesungen, gerne auf Englisch. Neulich war ich ganz gefesselt von Mia Farrow, die „Rosemary’s Baby“ gelesen hat.

Wie lange gedenken Sie noch „Berufsjugendliche“ zu sein? Im Ernst, gibt es eine Absprache zwischen Ihnen, wann Schluss sein sollte?

Andreas Fröhlich: Wie gesagt, wenn die Prothese wackelt, sollte Schluss sein!

Jens Wawrczeck: Nein. Nur nicht zu viel planen. Und Begriffe wie „Berufsjugendlicher“ überhöre ich ganz elegant.

Oliver Rohrbeck: Nein, es gibt keine Absprache.

Nur um das klarzustellen: Aufhören kommt erst mal nicht in Frage, in Ordnung? Wenn es aber irgendwann kommen sollte: Was wäre Ihr „bevorzugtes Hörspiel-Ende“?

Jens Wawrczeck: Einer ist tot und die anderen beiden treffen sich vor dem offenen (aber nicht leeren) Grab.

Oliver Rohrbeck: Es sollte sich wie ein Geräusch anhören. Klick, die Kassette ist zu Ende, das Gerät schaltet ab. Oder der Wohnwagen, die Zentrale bricht polternd zusammen. Rummmms.

Andreas Fröhlich: Bob wird von Victor Hugenay erschossen und Justus und Peter verstreuen seine Asche am Strand von Rocky Beach. Danach herrscht Stille…

Mit den Preisträgern sprach René Wagner.

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