Lars Schultze-Kossack darüber, wie bedeutend die Leipziger Buchmesse für die Branche ist und über seine Aktion, die das Wesentliche - das Buch - in den Mittelpunkt stellen will: „Ich versuche so auf viele wunderbare Bücher aufmerksam zu machen, die man in Leipzig hätte sehen und anfassen können“

Die Leipziger Buchmesse 2022 ist abgesagt. Um das Buch sichtbar zu halten, hat Lars Schultze-Kossack (Inhaber und Geschäftsführer der Literarischen Agentur Kossack) sich vorgenommen, bis zum Messesonntag täglich ein schönes Buch zu posten. „Wie immer bei mir … mit einer Portion Witz, Ironie und Liebe zum kleinen Wortspiel. Mit der Liebe zum Buch, der Bewunderung des mutigen Verlegers und dem Spaß am Eigentlichen“, beschreibt er sein Anliegen. Die Aktion kommt gut an und sorgt für Gesprächsstoff – und war deshalb Anlass für ein Gespräch:

BuchMarkt: Lieber Herr Kossack, die Leipziger Buchmesse wurde in diesem Jahr zum 3. Mal abgesagt. Man hat mittlerweile sehr ausführlich darüber gesprochen, unterschiedliche Meinungen gehört, was das für einen Schaden – für die Messe und auch das Buch – anrichten kann oder bereits angerichtet hat. Was waren Ihre ersten Gedanken dazu?

Lars Schultze-Kossack: „Ich finde, es ist nicht zu unterschätzen, dass unsere Branche immer von Büchermenschen getrieben war. Da können Zahlen sicher nicht außer Acht gelassen werden, aber wir arbeiten ja auch mit Büchern weil wir unser „Hobby“ zum Beruf machen konnten“

Lars Schultze-Kossack: Endlich eine klare Ansage! Über viele Gespräche mit Verlagskollegen  war es schon vorab durchgedrungen, dass die Messe dieses Jahr nicht nur auf der Kippe steht, sondern nicht durchführbar sein wird, wenn die großen Verlagshäuser nicht kommen. Mich ärgert vor allem heute noch, dass nicht zumindest Leipzig Liest möglich war. Für unsere Autor*innen mehr als schmerzlich.

Manche sehen in der Absage ein alarmierendes Signal …

Das ist es auch! Einerseits erleben wir, wie schnell die großen Verlagshäuser bereit sind, kostengünstiger zu denken und die Messepräsenz in Frage stellen. Das merken wir ja auch seit Jahren daran, dass viele Lektor*innen kaum noch in Leipzig und jüngere Lektor*innen begrenzt in Frankfurt Vorort sind. Dabei sind das ja gerade wunderbare Gelegenheiten das eigene Netzwerk auszubauen.

Andererseits bin ich überrascht, dass es nicht möglich war, die Messe zu verschieben und das rechtzeitig in eine pandemisch vermeintlich ruhigere Zeit. Und wie gesagt – die Kommunikation fand ich allenthalben etwas unglücklich. Man hätte das viel offener und früher kommunizieren können. Es war doch klar, dass gerade die Verlage mit großen Mitarbeiterzahlen eine andere Verantwortung für diese übernehmen, als die eher kleinen unabhängigen Verlage. Und der Flurfunk war auch nicht zu überhören.

Zu guter Letzt: Es geht um die Sichtbarkeit des Buches und da ist die Leipziger gerade ein wunderbarer Ort der Begegnung und Zeigens. Gerade für die kleinen und unabhängigen Verlage, die eben noch sehr viel zur Vielfalt der Branche beitragen. Deshalb halte ich die Absage gerade unter diesen Gesichtspunkten für ein weiteres alarmierendes Zeichen aus der Branche.

Wieso finden Sie denn gerade die Leipziger Buchmesse so wichtig?

Einmal aus persönlichen Gründen: Mein Schwiegervater Dr. Eberhard Kossack hat bereits nach der Wende viel für den Erhalt der Messe und die alten DDR Verlage wie Aufbau, Das Neue Berlin (Eulenspiegel) getan. Dafür musste er hart mit der Treuhand ringen und ohne ihn und andere, würde es Leipzig in der Form als Buchmesse heute gar nicht mehr geben.

Für unsere Autor*innen ist Leipzig eine wichtige Begegnungsstätte und eine gute Gelegenheit durch Präsenz und Lesungen Aufmerksamkeit zu bekommen.

Für uns als Agentur war es immer ein schöner Ort um mal länger mit Verlagskolleg*innen sprechen zu können, abseits von Agent Centern und es ist für uns die einzige Messe, wo wir wirklich auf und an der Messe sind. In Frankfurt oder sind wir fast ausschließlich im Agent Center, dessen Charme sich nicht jedem gleich erschließen mag. Ich liebe es inzwischen.

Also kann man schon sagen, dass das Feeling und das Buch hier ganz anders zur Geltung kommt, als auf der Frankfurter Buchmesse?

Auf jeden Fall. In Leipzig stehen für uns die Bücher, die Lesungen und die Begegnungen gerade mit den kleineren unabhängigen Verlagen im Vordergrund. In Frankfurt sind es der Handel mit Rechten, die Pflege des Netzwerks und natürlich auch die Begegnungen untereinander, wo aber Autor*innen eher eine kleinere Rolle spielen. Auch wenn wir einen Messeabend mit Autor*innen in einem der schönen Frankfurter Lokale veranstalten.

Wie sind denn Ihre persönlichen Erfahrungen auf der Leipziger Messe, was machen Sie da überwiegend?

Wie schon gesagt: Wir sehen unsere Auto*rinnen, besuchen ihre Lesungen und auch und wir führen entspanntere Messegespräche.

Wir sprechen heute auch miteinander, weil Sie uns mit einer besonderen Aktion – anlässlich der ausgefallenen Messe – aufgefallen sind. Wollen Sie selbst kurz erklären?

Hier geht es mir darum, bei all der Diskussion um das Wesentliche. Das Buch. Ich versuche es sichtbar zu machen und will so auch versuchen auf viele wunderbare Bücher aufmerksam zu machen, die man in Leipzig hätte sehen und anfassen können.

Und nach welcher Strategie stellen Sie diese Bücher vor, gibt es ein Konzept?

Vorrangig wähle ich Bücher unabhängiger Verlage aus. Dann gibt es mal einen Wortwitz, ein Thema oder die wunderbare Verlagsarbeit, die mich dazu bringt es hochzuladen. Zwei Beispiele, wenn ich schreibe zu dem Buch „Der Termin – Ein Buch für etwas das persönlich bleiben sollte“, steckt da natürlich der Frust der letzten 3 Jahre dahinter, Messen via Videocall veranstalten zu müssen und das man sich so lange nicht gesehen hat. Wir sind doch auch wegen der besonderen Menschen in der Branche und arbeiten eben nicht beim Streamingdienst, der Beratung oder als Programmierer. Und wenn ich ein Buch von Jella Lepman und oder dem mare verlag vorstelle, geht es mir auch darum, die editorische und herstellerische Leistung gerade dieser Verlagsausgaben hervorzuheben.

…also stellen Sie vor allem unabhänige Verlage und ihre Titel vor. Soll das auch ein „kleiner Faustschlag“ gegen die BIg Player sein, die ja nicht zur Messe kommen wollten und mit ihrer Absage das Fass zum Überlaufen gebracht haben?

Nein. Nur muss man fairerweise einräumen, dass die „Big Player“ über mehr Geld verfügen ihre Bücher anderweitig sichtbar zu machen.

Wie entstand überhaupt die Idee zur Aktion?

Bei einem Glas Wein und der abendlichen Lektüre der Branchenpresse. Ich finde, es ist nicht zu unterschätzen, dass unsere Branche immer von Büchermenschen getrieben war. Da können Zahlen sicher nicht außer Acht gelassen werden, aber wir arbeiten ja auch mit Büchern weil wir unser „Hobby“ zum Beruf machen konnten. Und es bringt wenig, sich Vorhaltungen zu machen, ein offenerer Dialog wäre angebracht – auch in Frankfurt, wo man das Agent Center auch gerne in die hässlichste und unbelüftete Halle schiebt, obwohl das ein wichtiger Motor ist – ohne das Agent Center wären dort ausländische und deutsche Verlage nämlich auch weniger präsent.

Die Aktion findet vor allem auf Facebook statt, richtig? Ist diese Plattform dafür besonders gut geeignet?

Hier verfügen wir einfach über einen guten Kanal mit einer vierstelligen qualifizierten Abonnentenzahl. Instagram folgt – ich habe aber ehrlich gesagt nicht mit so einer großen Resonanz gerechnet.

Geht es also auch um den Austausch?

Natürlich. Um am besten untereinander.

Mit wem findet dieser statt, in erster Linie mit BuchhändlerInnen?

Autor*innen, Verlagen, Handel und Vertrieb.

Wie sind denn die Reaktionen, durchweg positiv?

Bisher ja.

Denken Sie, dass die BuchhändlerInnen momentan sowieso zu kurz kommen, in diesem ganzen Kontext?

Durchaus. Leipzig ist ja auch für sie ein Begegnungsort mit der Branche. Mein Schwiegervater sagte mal sinngemäß, dass die belletristischen Verlage, er war als ehem. Geschäftsführer eines Schulbuchverlags sicher parteiisch und nicht immer gerecht, sich für den „Nabel“ der Branche halten, dabei verdienen doch alle anderen zusammen mehr Geld! Und auf Leipzig, wie auch Frankfurt angelegt, gilt es für mich heute so: Es sollten mehr Buchhändler*innen, Autor*innen, Literarturagent*innen und Co. in den Dialog miteinbezogen werden. Das kam mir die letzten Jahre persönlich leider zu kurz.

Was würden Sie sich für die kommende Messe 2023 wünschen?

Das sie stattfindet und zwar so, dass wir die letzten 3 Jahre abhaken können und am Besten mit frischen Wind überall, mutigen Büchern, überraschenden Erfolgen und wunderbaren Veranstaltungen. Und ich freue mich immer in Leipzig zu sein. Tolle Stadt!

Die Fragen stellte Franziska Altepost

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