Veronika Rusch über ihre Kriminalromantrilogie „Die Josephine-Baker-Verschwörung“ (Piper) „In meinen Augen ist meine Heldin ein Sinnbild für alles, was die ‚Golden Twenties‘ so faszinierend macht“

Sie studierte Rechtswissenschaften und Italienisch in Passau und Rom und arbeitete als Anwältin in Verona, sowie in einer internationalen Anwaltskanzlei in München, bevor sie sich selbständig machte, zunächst als Anwältin, dann als Autorin. Heute lebt Veronika Rusch als Schriftstellerin mit ihrer Familie in ihrem Heimatort in Oberbayern. Im April erscheint bei Piper der erste Band ihrer „Josephine-Baker-Verschwörung“.

Veronika Rusch (c) Diane von Schoen

Worum geht es in Ihrer Kriminalromantrilogie „Die Josephine-Baker-Verschwörung“?

Veronika Rusch: Es geht um eine Verschwörung, in deren Zentrum die legendäre amerikanische Tänzerin Josephine Baker steht, die in den 1920er-Jahren mit ihrem eigenwilligen und zügellosen Tanzstil in ganz Europa für Furore sorgte, und um Tristan Nowak, einen ehemaligen Soldaten, der den Auftrag hat, sie zu beschützen. Er verliebt sich in Josephine und beide werden in einen Strudel von gefährlichen Ereignissen gerissen, die von einem Gegner ausgehen, der ebenso fanatisch wie unerbittlich ist.

Und es geht natürlich auch um die Zeit und die Städte, in der die einzelnen Bände spielen. Zunächst Berlin und Wien der Zwanziger Jahre, dann, im dritten Band, das von den Deutschen besetzte Paris, in dem die beiden Protagonisten wieder aufeinandertreffen.

Wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Geschichte gekommen, was hat sie zu dieser Trilogie inspiriert?

Es gibt eine Fotografie von Josephine Baker, wie sie in Berlin vor dem Hotel Adlon in einem von einem Strauß gezogenen Sulky sitzt. Total verrückt. Dieses Bild hat mich sofort inspiriert. Ich habe mich an den Schreibtisch gesetzt und mir die ganze Geschichte für die drei Bände ausgedacht. Das hat drei Tage gedauert. Ich kam kaum hinterher, alles aufzuschreiben, was mir durch den Kopf ging.

Im Übrigen haben mich die „Golden Twenties“ immer schon fasziniert und ich glaube, das geht vielen Menschen so. Man kann sehr viel aus dieser Dekade lernen. Vieles, was auch heute noch relevant ist, im Guten wie im Schlechten, hatte damals seinen Ursprung. Es war politisch und sozial eine fragile, turbulente und schwere Zeit, die fast unweigerlich in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mündete und in der gleichzeitig die kulturelle Avantgarde eine große Dynamik entwickelt hat. Es gab erstaunlich viele Freiheiten, die, wie wir wissen, kurz danach von den Nazis in Grund und Boden gestampft wurden.

In meinen Augen ist Josephine Baker ein Sinnbild für alles, was diese Zeit so faszinierend macht. Und, das Beste daran: es hat sie tatsächlich gegeben. Ich glaube nicht, dass es mir gelungen wäre, diese Frau in all ihren Facetten zu erfinden.

Welche Teile dieser Story sind realhistorisch und welche „erfunden“?

Zunächst natürlich ist die Figur Josephine Baker realhistorisch, so weit, wie es in einer fiktiven Geschichte möglich ist. Die Zeiten, in der die Bände spielen, folgen bestimmten Stationen ihrer Karriere. 1926 hatte sie mit neunzehn Jahren ihren ersten Auftritt in Berlin, und 1928 startete sie in Wien mit einer Welttournee. Die Besetzung Frankreichs durch die Nazis war ebenfalls bedeutend für Josephine Baker, weil sie in der Résistance für ihre Wahlheimat Frankreich aktiv war und sich zeitlebens gegen Rassismus und für Freiheit eingesetzt hat. Ebenfalls historisch korrekt sind die politischen Eckdaten, viele Ereignisse aus der Zeit, die ich u.a. aus Archiven und historischen Zeitungen und umfangreichem Recherchematerial entnommen habe. Es gibt zusätzlich einige realhistorische Figuren in den einzelnen Bänden, oder meine Figuren sind ihnen nachempfunden, wie beispielsweise Tristans Onkel Graf von Seidlitz, der von der historischen Figur des Harry Graf Kessler inspiriert ist, oder Hugo Sperber, ein Wiener Anwalt, der im zweiten Roman eine Rolle spielt und den es tatsächlich gegeben hat. Es tauchen auch ein paar Nebenfiguren auf, die von realen Personen inspiriert sind, deren Namen ich jedoch verändert habe. Wer sich ein bisschen mit der Zeit auskennt, wird sie vermutlich identifizieren.

Erfunden sind dagegen die Kriminalhandlung, die meisten der daran beteiligten Figuren und Tristan Nowak. Obwohl ich überzeugt bin, dass sich die echte Josephine mit Sicherheit in ihn verliebt hätte, wenn es ihn tatsächlich gegeben hätte.

Wussten Sie vor dem Schreiben schon etwas über Josephine Baker, die schwarze Venus?

Fast nichts. Ich kannte sie, wie die meisten vermutlich, nur als die dunkelhäutige Tänzerin mit dem Bananenröckchen.

Wie recherchiert man über eine solche Figur – und wie nähert man sich ihr dann erzählerisch an, wie findet man für sie die richtige Stimme?

Das war tatsächlich das Spannendste an diesem Projekt. Ich habe zunächst einmal alles gelesen und mir alles angesehen, was ich über sie gefunden habe. Es gibt viele Fotos und auch ein paar Videos von ihr und sie war, was Stil und Mode anbelangte, eine Ikone ihrer Zeit. Besonders hilfreich waren aber die Biografien über sie bzw. teilweise von ihr selbst. Es gibt mehrere und sie stimmen in Details nicht alle überein, was daran liegt, dass Josephine Baker es mit ihrer eigenen Geschichte nicht so ganz genau nahm und sie hin und wieder ein wenig abgeändert hat, besonders, was ihre Kindheit und Jugend anbelangte. Ich habe mich bemüht, die historischen Fakten aus den verschiedenen Biografien herauszufiltern. Im Übrigen habe ich mich ihr auf intuitive Art angenähert, bin quasi in sie hineingeschlüpft, so lange, bis ich das Gefühl hatte, sie wirklich zu kennen. Ich hoffe, es ist mir gelungen und ich kann den Lesern etwas von ihrem Esprit und ihrem Mut vermitteln. Man darf nicht vergessen, wie jung Josephine damals war. Januar 1926 war sie gerade einmal neunzehn Jahre alt. Ein blutjunges Mädchen aus den Slums von St. Louis, Missouri, gerade erst nach Paris gekommen und schon im Begriff, die Welt zu erobern.

Was fasziniert Sie am meisten an Ihrer Heldin?

Am meisten fasziniert mich an ihr, dass sie nie ein Opfer war. Wenn man ihre Art zu tanzen sieht, anfangs fast nackt, nur mit ein paar Federn behängt oder einen Bananengürtel umgeschnallt, und das als Afroamerikanerin in einer durch und durch rassistischen und auch sexistischen Zeit, kann man fast nicht glauben, dass sie es nie zugelassen hat, in irgendeiner Art und Weise ausgebeutet zu werden. Es gibt einen Satz von ihr, der auch der deutsche Titel einer Autobiografie ist, die sie als Einundzwanzigjährige zusammen mit einem französischen Journalisten verfasst hat. Er lautet: „Ich tue was mir passt“ Ich glaube, das war ihr Lebensmotto. Daran hat sie sich immer gehalten. Sie war sicher keine Heilige und bei weitem nicht perfekt, aber sie hatte Mumm, Talent und Charme. Und einen klaren Standpunkt, was die Gleichheit aller Menschen anbelangt. Das ist ziemlich viel. Nicht nur in ihrer Zeit.

Was würden Sie sie fragen wollen, könnten Sie ihr persönlich begegnen?

Wenn ich ihr persönlich begegnen würde, würde ich sie um Rat fragen, wenn es um Entscheidungen ginge, bei denen man zaudert und zögert und nicht den Mut findet, das zu tun, was man wirklich will. Ich habe eine gerahmte Fotografie von ihr in meinem Arbeitszimmer hängen, darauf sieht sie aus wie eine gute Freundin. Ich würde sie bitten, es für mich zu signieren.

Was macht Berlin, Wien und Paris in den 1920ern/1940er zu idealen Krimischauplätzen?

Alle drei sind sehr inspirierende Städte, die, jede für sich, eine besondere Atmosphäre haben und in der Zeit, in der die Geschichten spielen, großen sozialen und politischen Umwälzungen unterworfen waren. Elend und Glamour, Verbrechen und Showbusiness lagen nah beieinander. Zu Berlin und der Weimarer Republik hat jeder sofort Bilder vor Augen, in Wien lag die ruhmreiche K. u. K.-Zeit in Trümmern und der Faszination von Paris konnten sich nicht einmal die Nazis entziehen. Spannend für mich war es, die jeweils eigene, besondere Düsternis herauszuarbeiten, die dann den spezifischen Nährboden der jeweiligen Krimihandlung bildet.

Wie würden Sie Ihren „Helden“ Tristan Nowak charakterisieren?

Auf dem Moodboard, das ich mir für jedes Projekt mache, stand Folgendes:

Tristan ist Boxer. Aus Berlin. Mutig. Gebrochen. Verschlossen. Aggressiv. Leidenschaftlich. Emotional.

In anderen Zeiten wäre Tristan vermutlich einfach ein gebildeter, offener und umgänglicher Mann geworden. Der Krieg und die Entscheidungen, die er in diesem Zusammenhang getroffen hat, haben aus ihm einen zerrissenen Charakter gemacht. Er ist schroff, distanziert, voller Wut und Selbsthass und versucht, seine verletzliche Seite so gut es geht zu verbergen bzw. zu schützen. Diese ständige Anspannung führt dazu, dass er in manchen Situationen unberechenbar wird und seine Aggressionen nicht beherrschen kann, was ihm selbst Angst macht. Außerdem hat er einen Hang zur Selbstzerstörung. Als er Josephine kennenlernt, will er sie um jeden Preis beschützen, nicht nur um ihretwillen, sondern unbewusst auch um sich selbst zu helfen. Dann verliebt er sich in sie, und seine mühsam aufrechterhaltene Fassade beginnt zu bröckeln. Er kann seine beiden Identitäten nicht mehr zusammenhalten und das führt wiederum zu neuen Problemen.

Aus Sicht von Tristan: Was ist typisch für die Handlungszeit der Romane? Was macht die 20er-Jahre golden im Sinne der „Golden Twenties“? Was macht sie eher abgründig?

Aus Tristans Sicht sind die „Golden Twenties“ in keiner Weise golden. Sie sind ein bodenloser Abgrund, in den er nach dem Krieg, aus Gründen, die sich erst nach und nach offenbaren, stürzt. Das Goldene, das ihm schließlich begegnet, ist Josephine Baker. Im Grunde sind Tristan und Josephine die beiden Seiten der „Golden Twenties“:  das Abgründige, Haltlose dieser Jahre, der Verlust aller Sicherheiten, und auf der anderen Seite das verheißungsvolle Funkeln einer neuen Zeit, die Hoffnung auf eine neue Freiheit.

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