Das Sonntagsgespräch Johannes Thiele: Bücher machen, die man sorglos einkaufen kann

Johannes Thiele, Alleininhaber des 2007 zusammen mit Christian Brandstätter in Wien gegründeten Thiele Verlags, hat vor wenigen Tagen von Hanser die Marke Sanssouci erworben.

Mit der Wiederbelebung des 2012 von Hanser eingestellten Imprints will er seine verlegerischen Aktivitäten im Bereich Literarisches Geschenkbuch und Illustrated Books bündeln. Die ersten Novitäten werden im Herbst 2016 erscheinen; die weiterhin lieferbar gehaltenen älteren Sanssouci-Titel sind unter ihrer ISBN nach wie vor bei Hanser bestellbar.

Vor kurzem kamen gleich zwei Pressemitteilungen von Ihrem Verlag in einer Woche – zum Wechsel der Vertriebskooperation und zum Erwerb der Verlagsmarke Sanssouci. Hängt das womöglich zusammen?

Johannes Thiele

Johannes Thiele: Beide Abschlüsse sind eher Schlusspunkte unter monatelangen Verhandlungen, wie sie in der Verlagswelt nicht selten sind. So etwas lässt sich in der Regel nicht rasch über die Bühne bringen und schon gar nicht Hals über Kopf. Und trotzdem haben die beiden Vorgänge auch miteinander zu tun, es gibt da schon einen Zusammenhang.

Und welchen?

Johannes Thiele: Die Verlagsmarke Sanssouci erweitert unser Portfolio und stellt uns nicht nur programmatisch, sondern auch vertrieblich vor eine neue Herausforderung. Da ist die jetzt Anfang des Jahres beginnende Vertriebskooperation mit Hoffmann und Campe eine wichtige Weichenstellung.

Warum übernehmen Sie den wichtigen Bereich Verkauf und Vertrieb nicht in eigener Regie?

Johannes Thiele: Wir sind im Herbst 2007 mit dem Thiele & Brandstätter Verlag gestartet. Der Verlagsname deutet ja schon an: Brandstätter war nicht nur Gesellschafter, sondern hat auch einen erheblichen Teil des operativen Geschäfts übernommen, unter anderem auch Verkauf und Vertrieb. Das lief von Wien aus, wie für alle österreichischen Verlage nicht unproblematisch für den deutschen Markt. Das Key Account war in den ersten Jahren bei der seinerzeit noch im Aufbau begriffenen Artfolio-Vertriebskooperation angesiedelt – ein Zusammenschluss von Kochbuch- und Illustrated-Books-Verlagen, in dem Belletristik nur eine sehr untergeordnete Rolle spielte. Als wir mit unserem Autor Nicolas Barreau erlebt haben, dass der Handel dem Thiele Verlag auch Belletristik – besser: eine bestimmte Art von Belletristik – abnimmt, war es für uns klar, dass wir den Vertrieb neu aufstellen mussten.

Johannes Thiele: Die Vertriebskooperation mit Piper schien uns 2013 eine geradezu ideale Konstellation zu bieten. Für einen eigenständigen Vertrieb – auch im Verbund mit Brandstätter – sind wir ein viel zu kleines Boot. Aber wir segeln nun mal auf hoher See, wendig zwischen den großen Tankern, Vergnügungsdampfern und Kreuzfahrtschiffen. Wir müssen und wollen da sichtbarer werden, jedenfalls wahrnehmbar bleiben. Darum gehen wir ins Kielwasser eines Verbunds, mit allen Vorteilen, die das bietet, von der Synergie über die Bündelung bis zu professioneller Dienstleistung in Vertrieb und Logistik.

Und warum damals gerade mit Piper?

Johannes Thiele: Der Piper Taschenbuch Verlag hatte nicht nur die Barreau-Titel unter Vertrag, sondern auch andere Titel aus unserem Programm. Da legte sich eine Kooperation nahe, zumal sie von Piper sehr gewünscht wurde und auch wir uns davon viel versprachen.

Diese Erwartungen sind dann nicht in Erfüllung gegangen?

Johannes Thiele: Das kann man so nicht sagen. Vertrieblich war das für uns eine Erfolgsgeschichte; der Außendienst war mit großem Enthusiasmus und Engagement bei der Sache, die Zusammenarbeit mit dem Innendienst klappte reibungslos. Da gab es nichts zu klagen, im Gegenteil. Doch es hat auch durchaus seine Problematik, in einem so großen Verlagshaus wie Piper mitvertreten zu werden, mit einem Vorschaupaket, in dem einige Dutzend Verlage mit Vorschauen, Foldern, Leseexemplaren um die Aufmerksamkeit des Handels wetteifern und sich die Imprint-Egos mit ihren Spitzentiteln gegenseitig auf die Füße treten. Das war in der Kiste alles alphabetisch geordnet, und wir kamen mit Thiele dann kurz vor Westend.

Und das hat Ihnen nicht gefallen? Sie hätten mit Ihrem Verlag gern oben auf dem Stapel gelegen?

Johannes Thiele: (lacht). Klar, immer oben. Nein, im Ernst: Wir verstehen unseren Verlag und unsere Art des Büchermachens auf eine sehr spezielle Art, wie in dem BuchMarkt-Artikel „Small is beautiful“ ausführlich begründet. Piper ist unter den Publikumsverlagen eines der großen Konglomerate, die bekanntlich auf ihre eigene Weise ticken. Genau genommen hat der kleine Thiele Verlag da nicht so recht was zu suchen. Schließlich und schlussendlich haben wir keine strategische Perspektive mehr in diesem Verbund gesehen.

Beziehungsweise: Wir haben sie eher bei Hoffmann und Campe gesehen und gefunden: ein traditionsreiches Haus als literarisches Flaggschiff (in dem ich Anfang der neunziger Jahre mal Cheflektor war), ein ambitioniertes Programm, nicht nur mit dem Atlantik Verlag, der sehr gut zu uns passt und den wir, glaube ich, perfekt ergänzen. Ein absolut stimmiges Portfolio. Hinzu kommt: Sowohl früher mit Cadeau wie jetzt mit Atlantik gibt es in diesem Haus einen besonderen verkäuferischen Elan, was das sogenannte geschenkfähige Buch angeht – ein Terrain, das bei Piper völlig fehlt, da es im Bonnier-Konzern von arsEdition abgedeckt wird. Und damit sind wir bei Sanssouci …

… die Verlagsmarke, die Sie jüngst vom Carl Hanser Verlag erworben haben.

Johannes Thiele: Ja, und mit der wir einiges vorhaben, gerade auch im Verkauf und Vertrieb von Hoffmann und Campe. Der Sanssouci Verlag lief ja immer als „Beiboot“ zu eher literarischen Programmen. Das war schon 1954 so, als der legendäre Schweizer Verleger Peter Schifferli ihn bewusst als Ergänzung zu seiner Literatur-Arche gründete. Auch in der Hanser-Ära war Sanssouci ein Spielbein, ganz so, wie es der Verlagsname nahelegte.

Aber Thiele ist ja nun – pardon – kein literarischer Verlag im engeren Sinn. Und Geschenkbuch haben Sie ja auch unter der Marke „Thiele“ gemacht.

Johannes Thiele: Nun versetzen Sie sich mal in die Rolle des kleinen Geschenkbuchs (oder sagen wir besser: des besonders geschenkfähigen Buches) bei Thiele. Das Segment läuft richtig gut, manchmal sogar hervorragend, aber es steht immer hinten in der Vorschau, bildet immer das Schlusslicht des Programms. Nach vorne stellen wir die belletristischen Titel (sie sind gewissermaßen die „Königsklasse“, wie unserer früherer Vertreter Michael Wübbelsmann immer sagte), gewiss nicht alle literarisch, aber doch mit einem gewissen erzählerischen und unterhaltsamen Anspruch. Dann kommen die großen Illustrated Books, die Bildbände. Es fehlte uns die Möglichkeit, auch Bücher zum Verschenken, auch verspielte oder eigenwillige Titel stärker zu akzentuieren, sie herauszustellen und ihnen mehr zu bieten, als sie hinten in der Vorschau „abzufeiern“. Diese Chance bietet uns jetzt Sanssouci.

Publizieren ohne Sorgen – wie es der Verlagsname nahelegt?

Johannes Thiele: Wenn man so will, ja durchaus. Michael Krüger, der in den ersten zehn Jahren persönlich die Sanssouci-Verlagsleitung übernommen hatte, wies darauf in seinem Editorial zur ersten Sanssouci-Vorschau hin: „Der Verlagsname ist eine wunderbare Erfindung: In diesem Hause sollten ‚ohne Sorgen’ Bücher entstehen, die wiederum den Lesern die Sorgen vertreiben sollen. Diesem Motto wollen wir treu bleiben, es sollen Bücher sein, die zum Lesen und zum Anschauen gleichermaßen einladen.“

Werden Sie das Sanssouci-Programm so weiterführen, wie es in den fünfzehn Jahren der Hanser-Zeit bis 2012 war?

Johannes Thiele: Ich habe – offen gestanden – so meine Probleme mit dem Begriff „Geschenkbuch“. Das klingt mir zu beliebig, zu sehr nach Verlegenheitsgeschenk. Insofern sehe ich mich gar nicht in der Konkurrenz eingeführter Geschenkbuchverlage und -programme wie Groh, arsEdition, Coppenrath, Pattloch, Herder etc. pp., in denen die ca. 30 Geschenkbuchthemen (mehr gibt es ja nicht) im wesentlichen immer wieder nur variiert und neu verpackt werden. Ich folge den zugegeben großen Spuren von Peter Schifferli, Michael Krüger und dann vor allem Felicitas Feilhauer und stelle mich bewusst in ihre Tradition – sie sind es ja, die das charming book überhaupt erfunden haben. Ihre nice to have-Bücher hatten Anspruch, es waren Bücher mit Namen, von exzellenten Autoren und/oder Illustratoren, keine no-name– und me-too-Produkte mit Titeln wie „Liebe Mama“ oder „Herzlichen Glückwunsch“. Es war unglaublich viel Originalität, ja Liebe in diesem Sanssouci Verlag über die Jahre und Jahrzehnte, viel Zuneigung und auch Zärtlichkeit. Etwas, das ich sehr bewundere und das ich zusammen mit Daniela Thiele weiterführen möchte.

Sanssouci war ja tatsächlich sehr beliebt im Buchhandel. Das ist schon eine Verpflichtung. Auch verkäuferisch gesehen.

Johannes Thiele: Unbedingt. Es hat mich erstaunt, dass Michael Krüger das auch gleich in seinem ersten Editorial so betont an den Buchhandel adressiert hat: Er wolle bei Sanssouci Bücher machen, „die Sie sorglos einkaufen können, weil wir sicher sind, dass Sie mühelos Käufer dafür finden werden, Käufer die Spaß an intelligenten und witzigen Texten haben, die gerne etwas Besonderes verschenken wollen, die Bilderbücher lieben.“ Das kann ich nur unterschreiben. Aber wir werden auch ganz neue Akzente setzen, mit thematischen Fokussierungen, über die ich heute noch nichts verraten kann. Nur soviel: Es wird sehr spannend, Sanssouci in eine neue Zeit zu führen.

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