Das Sonntagsgespräch Johannes Thiele über das Potenzial von Nonbooks im Buchhandel

Johannes Thiele war Programm- und Verlagsleiter in verschiedenen Verlagshäusern, bevor er 2007 zusammen mit Christian Brandstätter den Thiele Verlag gründete. Dieser hat sich „einer Welt aus schönen Dingen“ verschrieben und produziert entsprechende Bildbände, Belletristik und illustrierte Sachbücher. Im Herbst startet mit dem „Thiele Salon“ ein motto-affines Papeterie-Programm (s.a. BuchMarkt 6/2001 S. 134).

Im buchmarkt.de-Gespräch erläutert Thiele, wie er diesen Markt einschätzt: „„Der Markt der Möglichkeiten ist in Bewegung!“

Johannes Thiele

buchmarkt.de: Wie kommt es, dass die früher belächelten Nonbooks im Buchhandel inzwischen als Wachstumsmarkt gelten?

Thiele: Viele Hoffnungen richten sich auf den Geschenkemarkt, der in einer Zeit retardierender und schrumpfender Segmente stabile Zuwächse in einem immer schwieriger werdenden Markt verspricht. Die großen Marktteilnehmer – wie Hugendubel, Thalia und die Mayersche – richten ihre teuren Flächen neu aus, positionieren sich im Kampf um Aufmerksamkeit und Anmache, kappen oder reduzieren Warengruppen, denen sie kein Wachstum mehr zutrauen. Nina und Maximilian Hugendubel haben gar in Interviews die Parole ausgegeben: Bis zu 30 Prozent Umsatzanteil wolle man künftig mit Nonbooks machen.

buchmarkt.de: Also sollen die Nonbooks jetzt den dringend benötigten Zusatzumsatz bringen …

Thiele: Das wird kein echter Zusatzumsatz sein, keine gewaltige Sahnehaube mit Zuckerguss, sondern ein substituierender Anteil am immer härter erkämpften Umsatz – und gerade deshalb ein kleiner Rettungsanker im stürmischen Meer. Mit Hugendubels Devise ist also nicht gemeint, dass sich der Gesamtumsatz um 30 Prozent steigern soll oder wird, sondern dass der Anteil der Bücher am Umsatz geringer wird.

buchmarkt.de: Und was prädestiniert die Nonbooks als Umsatzbringer für den Buchhandel?

Thiele: Es klingt seltsam, wenn die Händler mit Books nun auf Nonbooks setzen. Die Nonbooks sollen Kunden in die Buchhandlungen locken; Büchern wird das nicht mehr zugetraut. Man inszeniert mit diesen Produkten und Artikeln die Verführungen, die mit den Büchern nicht mehr recht gelingen wollen. Alles präsentiert in aufgeräumten „Themenwelten“, sozusagen hübschen Serviervorschlägen für den modernen Buchhändler, der nicht mehr groß nachdenken und auswählen, sondern möglichst alles ordern soll, in fertigen „Verpackungseinheiten“. Komplett konfektioniert, alles aus einer Hand, alles in einem Dessin, alles mit der passenden Dekoration.

buchmarkt.de: Aber für diese „Themenwelten“ hat die kleine oder mittlere Buchhandlung doch gar keinen Platz.

Thiele: Sie sucht sich eben aus dem Angebot die zu ihr passenden Artikel aus; es muss ja nicht immer gleich der „Thementisch“ sein. Aber Sie haben Recht: Nonbooks brauchen Flächen, und die finden sie zunächst und zuerst in den großen Buchhandlungen. Nicht zuletzt aus diesem Grund – dem simplen Umstand, dass Platz vorhanden ist, auf dem sich Waren rasch umschlagen lassen – räumen die Filialisten den Nonbooks eine große Zukunft ein (während es im Versand- und Onlinehandel eine geringe Rolle spielen dürfte). Zum neu erwachten branchenweiten Optimismus dürfte auch beitragen, dass Nonbooks wesentlich internetabstinent sind, von „E“ und „i“ und Web also ausnahmsweise mal keine Gefahr ausgeht. Es ist eines der ganz wenigen Segmente, die einen point of sale brauchen, einen Ort, wo die Verführung wirken kann. Man muss die Produkte in die Hand nehmen, befühlen, bestaunen. Es ist ein zutiefst sinnliches Geschäft.

buchmarkt.de: Und wie weiß der Buchhändler, was in seinem Laden erfolgreich sein könnte? Auch bei den Nonbooks ist das Angebot doch inzwischen unübersichtlich …

Thiele: Als ich im vergangenen Jahr auf der Frankfurter Buchmesse durch die ziemlich stille Nonbooks-Halle ging, war ich erstaunt über das im Grunde noch ziemlich überschaubare Angebot der Aussteller – sieht man mal von den Marktführern wie Coppenrath ab, aber diese Unternehmen präsentieren sich nicht in der Nonbooks-Halle. Mir kam es vor wie ein Versuchslabor, in dem die Marktteilnehmer testen, was geht und was nicht. Und in der Tat – es muss eben ausprobiert werden, was Erfolg verspricht. Keine Bestsellerliste, kein hyperventilierender Autorenname (die neue Stephenie Schätzing-Brown!), kein Vertreter, kein überdimensioniertes Marketingbudget mit Trillionen Werbekontakten drückt hier die Waren rein. Alles muss sich bewähren, zumeist in nur einer Saison. Jedes Produkt, jede Themenwelt, jede Inszenierung ist eine Premiere. Und die Parameter, mit denen sich Erfolg prädestinieren lässt, sind noch unterentwickelter als beim Buch. Schlichtes Me-Too wird jedoch abgestraft, spätestens vom Kunden. Gespür ist gefragt – was könnte gefallen? Gefallen kommt bekanntlich vor Geldausgeben.

buchmarkt.de: Sie starten in diesem Herbst mit einem eigenen Nonbook-Sortiment, dem Thiele Salon. Was versprechen Sie sich davon?

Thiele: Für die kleineren Verlage und Anbieter, zu denen ich auch uns zähle, ergeben sich interessante Ansätze, den Markt mitzugestalten und von ihm zu profitieren: mit kreativen Produkten, verblüffenden Animationen, ungewöhnlichen Dessins, unverwechselbaren Nischenartikeln, pfiffigen Dekorationen. Sie können mit Schönheit, Attraktivität, Ideenreichtum, Witz, Charme, Poesie – darf ich auch sagen: mit Liebe? – punkten, wo andere nur noch oder überwiegend auf Masse statt Klasse setzen. Oft ist es nur ein kleiner Kick, ein winziger, aber alles entscheidender Unterschied, ein besonderes Ausstattungsmerkmal, ein bisschen Investition in originelle Haptik & Harmonie, was das Produkt mit Überzeugungskraft auflädt, ihm bestenfalls sogar eine Aura verleiht. Sicherlich wird die Konkurrenz, die im Augenblick noch überschaubar ist, in nächster Zeit wachsen, vermutlich exponentiell. Aber die Kleinen, die nie eine Chance haben, werden sie ergreifen.

buchmarkt.de: Und Sie sind zuversichtlich, dass die Rechnung aufgehen wird?

Thiele: Der Nonbook-Markt wird sich nach der Pionierphase, in der wir uns noch immer befinden, differenzieren, sowohl auf der Händler- als auch auf der Anbieterseite. Manche können, manche werden das Geschäft machen, andere nicht. Beide Seiten werden nach einiger Zeit wissen, was sie von wem zu erwarten haben. Es gibt – anders als bei den oft so präpotenten Publikumsverlagen – nur wenige Große, die den dicken Max machen. Es gibt noch viel Neugier, viel Bereitschaft, mal was auszuprobieren. No risk, no fun. Der Markt der Möglichkeiten ist in Bewegung.
Nur eines ist schon jetzt klar: Im Nonbook liegt für den Buchhandel weder das alleinige Heil noch die Rettung der Zukunft. Doch wer glaubt, es sei nur ein flüchtiges Phänomen, hält den Holzpfad für den Königsweg. Ohne den Handel mit Nonbooks wird es künftig keinen Handel mit Books mehr geben. Man muss kein Prophet sein, um das vorauszusagen. Man muss nur seine Kunden kennen.

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