10 Jahre Thiele Verlag und warum das wirklich ein Grund zum Feiern ist Johannes Thiele über das Heldentum der Kleinen

Heute im SONNTAGSGESPRÄCH Fragen an Johannes Thiele über seine verlegerische Philosophie. Er hat in diesem Jahr sein zehnjähriges Verlagsjubiläum gefeiert – und eine ganz besondere Sicht auf seine Arbeit und auf die Buchbranche:

Daniela und Johannes Thiele haben sich für diesen Beitrag bewusst in Venedig fotografieren lassen, der Stadt nämlich, die in ihrem Verlagsprogramm von Anfang an eine große Rolle spielte und weiter spielt

 

BuchMarkt: Zehn Jahre Thiele Verlag und Sie haben wirklich Grund zum Feiern?

Johannes Thiele: Aber ja. Zehn Jahre sind eigentlich nichts Besonderes, für uns aber ist es alles. Doch ausruhen möchten wir uns darauf nicht, wir haben noch viel mehr vor.

Noch mehr vor, in diesen Zeiten?

Ja! Wir haben Sanssouci im letzten Jahr neu eröffnet, in diesem Herbst PAPER MOON gestartet, ein Programm für schöne Geschenke aus Papier. Und im nächsten Frühjahr bringen wir erstmals drei Novitäten im Paperback – etwas Besonderes, das zu uns passt und von dem wir überzeugt sind, dass der Handel es gut aufnehmen wird.

Paperbacks machen aber doch viele, das fällt Ihnen jetzt erst ein?

Stimmt, wir sind spät dran, tatsächlich haben wir lange gebraucht, um dieses spezielle Format auch für unser belletristisches Profil zu nutzen. Aber wir wollen dem Handel keine beliebige Dutzendware liefern, sondern mit Liebe ausgewählte Titel, die auch in der Gestaltung den gewissen und unverwechselbaren „Thiele-Touch“ haben. Das erwartet der Handel auch von uns, das spüren wir.

Dann nutzen wir das doch hier zur Promotion.

Nichts lieber als das. Wir starten mit einem ganz außergewöhnlichen Titel, Lichter auf dem Meer von dem jungen spanischen Autor Miquel Reina, der schon Verleger auf der ganzen Welt begeistert hat. Er hat alles, was man vom Thiele Verlag auch im Paperback erwarten wird und kann: Eine rasant erzählte Geschichte mit unvergesslichen Helden und einer berührenden Botschaft.

Die drei Thiele-Programme (durch Klick aufs Foto geht’s zur Vorschau): „Ich glaube, dass wir mit unserem besonderen Potenzial von den Großen auch nach zehn Jahren noch nicht so anerkannt und eingeschätzt werden, wie es sein sollte und könnte“

Thiele hat sich einen Ruf als „Wohlfühlverlag“ erworben. Fühlen Sie sich mit diesem Etikett richtig verstanden?

Nicht wirklich. Natürlich legen wir größten Wert auf die Ausstattung: feines Papier, Vor- und Nachsatz, Lesebändchen, ein besonderes Format, eine unverwechselbare, eben „schöne“ Covergestaltung. Wir wollen aber Bücher machen, bei denen vor allem die Inhalte stimmen, die mehr als
Wohlgefühl evozieren: Sie sagen etwas über das Leben aus, sie haben gleichsam eine lebensphilosophische Grundierung. Auch die gehobene Unterhaltung, die von uns in der Belletristik gewünscht wird, ist nie bloße Genrekonfektion, sondern hat stets „ein gewisses Etwas“. Peter Wilfert, der uns in den ersten Jahren beraten hat, brachte das immer so auf den Punkt: „Sie können alles machen, aber am Ende muss es ein Thiele-Buch sein.“

Sie führen den Verlag zusammen mit Ihrer Frau Daniela und das aber ganz allein …

Ja, auch das stimmt. Ein Unternehmen zusammen mit dem liebsten Menschen zu führen, ist unschlagbar, wenn es klappt. Bei uns ist das wunderbarerweise der Fall. Wir streiten so gut wie nie über bestimmte Titel und Cover, wir machen alles mit conviviality. Das gibt unserem Verlag auch eine Energie und Dynamik, die nicht überschätzt werden kann. Deshalb haben und brauchen wir auch keine Angestellten.

Sie haben wirklich keine, nicht einen?

Nein, nicht mal Volontäre oder Praktikanten. Wir gehen noch selbst zum Copy-Shop und zur Post, arbeiten in unserem Verlag wie in einem Atelier. Aber wir schwören auf professionelle, starke Partner. Zur Jahreswende erneuern wir eine umfassende Kooperationsgemeinschaft mit Piper. Wir erleben dort einen starken Rückenwind, der uns trägt und beflügelt und ohne den wir uns sehr allein fühlen würden.

Schönheit ist Ihr Wettbewerbsvorteil?

Vielleicht ist es eher der, dass wir ein bisschen verrückt sind? Wir zitieren und reklamieren für uns ja allen Ernstes Schönheit wird die Welt retten von Fjodor Dostojewski und Ein Werk der Schönheit ist ein Glück für immer von John Keats. Es ist das, was wir zu bieten haben. Und wir freuen uns, dass all die Mühen und Anstrengungen und Verzweiflungen der ersten fünf Jahre nicht ganz vergeblich waren.

Aber Sie wollen „klein“ bleiben?

Vorsicht ist die Mutter der Bücherkiste. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, ein paar Dutzend oder gar hundert Novitäten pro Saison auf den immer volatiler werdenden Markt zu werfen und dabei doch originell zu bleiben. Würden wir mit unserem Programmvolumen expandieren, kämen wir rasch in die Situation, Kompromisse einzugehen, die wir nicht wollen. So haben wir die Größe oder besser: Kleinheit, mit der wir uns wohlfühlen und die zu uns passt.

Das ist Ihr Lieblingsthema, zu dem Sie auch bei uns immer wieder Position bezogen haben …

Ja, und das nicht ohne Stolz. Jeder kleine Verlag, der sich im unerbittlichen und mit so ungleichen Mitteln ausgetragenen Konkurrenzkampf behauptet, ist für mich ein Held. Wie auch jeder kleine Buchladen, der es schafft, mit Ideen und Idealen über die Runden zu kommen. Wie jeder Vertreter, der vielerorts ausgeladen wurde und dessen Radius immer geringer geworden ist. Heldenhaft nenne ich es, wenn ein „kleiner Marktteilnehmer“ nicht kapituliert, sondern listenreich agiert angesichts der schier ausweglos erscheinenden Anstrengung, wahrnehmbar zu bleiben. Froh bin ich aber auch, weil wir uns auf Augenhöhe mit unseren wichtigsten Handelspartnern, den kleinen und mittleren Buchhandlungen bewegen.

Und die großen Filialisten interessieren Sie nicht? Die lassen Sie links liegen?

Nein, soviel Demut muss nicht sein. Ich freue mich über jeden Zentraleinkauf, wie ein Schneekönig, wirklich. Ich glaube jedoch in aller Bescheidenheit, dass wir mit unserem besonderen Potenzial von den Großen auch nach zehn Jahren noch nicht so anerkannt und eingeschätzt werden, wie es sein sollte und könnte. Nur so ist es, glaube ich, auch zu erklären, dass Thiele und Sanssouci eher in der Provinz als in der Metropole reüssieren, also eher in Mecklenburg-Vorpommern als in Berlin, um es mal so zu sagen. Ich weiß nicht, warum das so ist, es muss mit den kleinen und mittleren Buchhandlungen zu tun haben, von denen wir in den vergangenen zehn Jahren so viel Anerkennung undWertschätzung erfahren haben.

Den Helden auf der Händlerseite also. Gibt es Wünsche für die
nächsten zehn Jahre?

Dass wir die kleine Nische verteidigen können, die wir uns erobert haben, uns aber auch unsere Innovations- und Überraschungsfähigkeit erhalten. Wir haben kein Recht und keine Veranlassung, uns zurückzulehnen und auszuruhen. Wir wollen unseren Gestaltungswillen behalten und kultivieren, unsere vom Eigensinn getriebene Bücherlust. Darin sehen wir unsere Stärken und unsere Chancen. Wir wollen auch in den nächsten Jahren unser Bestes geben.Wir wollen weiterhin von Büchern und Geschichten und Lichtern einer Welt träumen, die einfach nicht untergehen will. Träume, die wir noch immer wahrmachen wollen.

Schöne Träume …

Ja, in der Tat. Nach wie vor suchen wir eigentlich nichts anderes als Schönheit. Und Freundschaft. Dass wir von anderen, vor allem von Buchhändlerinnen und Buchhändlern verstanden werden, stimmt uns sehr froh und stürzt uns immer wieder in freudige Erregung. Dann sage ich zu meiner Frau: Dafür machen wir’s doch, oder?

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Das Interview ist auch im aktuellen BuchMarkt-Heft enthalten:

Zur E-Paper-Variante aus dem Heft gehts hier (ab Seite 46)

 

 

 

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