Das Autorengespräch Klaus Waller: „Ich hatte ein Projekt, an das ich mehr glaubte als die Verlage“

Wir haben Klaus Waller, der gestern seinen 70. Geburtstags feierte und einigen Lesern noch als früherer BuchMarkt-Redakteur in Erinnerung ist, nach seinen Selfpublishing-Erfahrungen gefragt.Waller schrieb 15 „normal“ verlegte Bücher (darunter eine Gerhard-Schröder-Biographie), bevor er mit dem Selfpublishing in Berührung kam – „notgedrungen, aber nicht unbedingt ungern“, wie er sagt.

Im Gespräch geht es um die Frage, warum er die Biographie Paul Abraham. Der tragische König der Operette bei Books on Demand veröffentliche und was im Zuge dieser Veröffentlichung geschah.

Der Hintergrund: In einem Sonntagsgespräch im Januar beleuchtete „Selfpublishingpapst“ Matthias Matting [mehr…] die Szene aus der Sicht des E-Book-Programmleiters (Münchner Verlagsgruppe) und des E-Book-Bestseller-Autors, wobei naturgemäß die Szene und ihre Entwicklung im Vordergrund stand. Der Autor Klaus Waller postete dazu einen kurzen Kommentar… Anlass jetzt,das zu vertiefen und nachzufragen:

Wie kommt ein alter Branchenhase wie Sie dazu, ein Buch bei „Books on Demand“ zu veröffentlichen?

Klaus Waller

Klaus Waller: Ganz einfach – ich hatte ich ein Projekt, an das ich mehr glaubte als die Verlage, die ich ansprach. Ich war überzeugt, dass mein Buch nicht nur gut, sondern wichtig war. Und wenn man als Autor keinen Verleger findet, der derselben Überzeugung ist, dann gibt es heute dank Print on Demand ein Verfahren, mit dem man selbst ohne großen Aufwand zum Verleger werden kann. Ich bin quasi der Verleger Klaus Waller, der daran glaubt, dass sein Autor Klaus Waller ein wichtiges Buch geschrieben hat.

Musikerbiographien gibt es wie Sand am Meer, auch die Lebensgeschichten nahezu aller Operettenkomponisten liegen bei mehr oder weniger spezialisierten Verlagen vor – warum wollte anscheinend niemand ihre Paul-Abraham-Biographie verlegen?

Ach, es hätte prinzipiell schon den einen oder anderen Verlag gegeben. Aber keinen wirklich vertriebsstarken, großen Verlag. Schon als ich das Thema erstmals meiner Agentur Thomas Schlück vorschlug, hieß es, das Thema sei „total unspannend“, womit man mir bedeutete, es lohne sich nicht, es überhaupt den Verlagen anzubieten.

Nun ist es ja wohl tatsächlich so, dass das alte Operettenpublikum langsam ausstirbt. Ehrlich gesagt, ich hätte da auch Bedenken gehabt, ob genug Interesse da ist.

Okay, zum Zeitpunkt meiner Verlagssuche war das neue Interesse für die Operette und speziell für Paul Abraham noch nicht erwacht. Das sieht dank der fulminanten Erfolge der Komischen Oper Berlin mit diesem Genre allgemein und mit Paul Abraham im Speziellen inzwischen etwas anders aus. Andererseits: Abraham war Anfang der 1930er-Jahre der erfolgreichste Komponist überhaupt, nicht nur in Deutschland, sondern den Aufführungstermine nach weltweit. Auch nach dem Krieg gehörten seine Kompositionen zu den beliebtesten Titeln, seine Operetten wurden mehrfach verfilmt. Es schien mir absurd, dass es über einen solchen Mann keine einzige Biographie gab und dass da kein Interesse da sein sollte.

Zumal auch noch der zeitgeschichtliche Hintergrund dazu kommt. Dem Klappentext entnehme ich , dass Abraham ja vor den Nationalsozialisten fliehen musste und das Exil schließlich ganz tragisch verlief.

Richtig. Abraham war ein spannender Mann mit einem spannenden Leben. Das war aber auch mit ein Grund, warum es nicht viel früher eine solche Biographie gegeben hat: Abraham selbst hatte ein großes Talent, Dichtung und Wahrheit über sein Leben zu mixen, so dass es schwer war, da die Fakten zu finden. Es haben sich ein paar Leute an der Biographie versucht, ich war der erste, der das durchgezogen hat.

Nochmal zu den Verlagen, die vielleicht doch Interesse gehabt hätten. Sie schrieben in Ihrem Post anlässlich des Gesprächs mit Matthias Matting, einzelne Verlage hätten Geld für eine Veröffentlichung verlangt.

Sie brauchten alle samt und sonders zumindest Zuschüsse. Gut, das mag in dem Bereich auch Usus sein, wenn nur eine geringe Auflage gedruckt werden kann. Dann hilft es, wenn sich Stiftungen, politische oder kulturelle Institutionen oder Sponsoren an den Kosten beteiligen. Der Witz war, dass man auf Verlagsseite einhellig der Meinung war, ich als Autor hätte diese Geldgeber mitzubringen. Oder gar die Käufer. Ein Verleger sagte wörtlich: Wenn Sie mir 500 Leute garantieren, die das Buch kaufen, dann veröffentliche ich es sofort.

Wie kamen Sie dann auf BoD?

Ich hatte ja sieben Jahre lang ein Antiquariat in Witten. Mit der Möglichkeit, dort auch Neubücher zu bestellen. Und ich erinnerte mich daran, dass es tatsächlich BoD-Bücher waren, die dort mit am meisten bestellt wurden. Im Wissenschaftsbereich, auch auf vielen anderen Spezialgebieten, hat es sich nämlich durchaus etabliert, auf diesem Wege zu veröffentlichen. Die Leute kamen dann meist mit einem Artikel aus einer Fachzeitschrift in die Buchhandlung und bestellten das Buch.

So lief das dann bei Ihrem Buch tatsächlich auch?

Nur etwa bei der Hälfte der Verkäufe. Die andere Hälfte läuft über Amazon. Das muss man leider so deutlich sagen. Amazon ist auch die einzige Buchhandlung, die mein Buch in 10er-Chargen kauft, also nicht erst bei Bestellung drucken lässt. Buchhändler weigern sich sogar, bei Lesungen BoD-Bücher zu verkaufen. Weil sie dann die nicht verkauften Exemplare nicht remittieren können. So hat sich die Branche verändert: Früher schätze ein Buchhändler praktisch bei jedem Buch, das er einkaufte, wie viele er davon im Laufe der Zeit verkaufen könnte und bemühte sich dann auch darum. Eine Komponistenbiographie könnte man auch in zwei Jahren noch verkaufen. Aber ich weiß: da spricht das vorherrschende betriebswirtschaftliche Denken dagegen.

Hört sich alles nicht so reibungslos an. Wo sind denn nun die Vorteile, und was sind die hauptsächlichen Nachteile beim Selfpublishing?

Ich würde gern erst über die Vorteile reden. Für mich war das Wichtigste, dass ich ein Buch vom Thema bis zur Ausführung völlig autonom schreiben konnte. Wobei ich nicht die Rolle eines Lektors geringschätze. Ich habe bei Rowohlt ja selbst zwölf Jahre als solcher gearbeitet. Aber ich kenne auch viele Kollegen, die ihre ganz festen Vorstellungen haben und dann mit dem Autor in Clinch gehen. So was brauche ich nicht.

Dennoch ist doch wohl ein Gegenüber beim Schreiben eines Manuskripts wichtig.

Da kam mir mein Alter und meine Erfahrung zugute: Ich kenne inzwischen genug Leute, die ich da privat ansprechen kann. Es gab zwei Personen, die die Manuskriptarbeit von Beginn an begleitet und mit kritischen Anmerkungen unterstützt haben. Auch den Umschlag hat ein befreundeter Profi gestaltet. So etwas ist natürlich wichtig, sonst müsste man sich diese Dienstleistungen bei BoD oder auf dem freien Markt kaufen.

Weitere Vorteile?

Die geringen Einstellgebühren von knapp 20 Euro. Bei sogenannten Druckkostenzuschussverlagen wäre man leicht das Hundertfache und mehr los. Dazu kommt die große Flexibilität: Ich konnte den Erscheinungstermin frei wählen. In meinem Fall war das Buch vier Wochen nach Abschluss der Schreibarbeit lieferbar. Wäre es in ein Verlagsprogrammes aufgenommen worden, würde ich vielleicht heute noch auf den Erscheinungstag warten. So konnte ich mich beeilen und kam noch genau in die Abraham-Renaissance hinein auf den Markt.

Sie haben in Ihrem Post zu dem Gespräch mit Matthias Matting auch die Honorarfrage erwähnt.

Genau. Und die hängt natürlich mit der freien Preisgestaltung zusammen. Nach der Musterrechnung des BoD hätte ich das Buch in dieser Ausstattung für zehn Euro anbieten sollen und hätte dann die üblichen zehn Prozent Honorar vom Ladenpreis erhalten. Ich habe mich an die alte Verlagsweisheit erinnert, dass der Preis eines Buches weniger mit den Herstellungskosten zu tun hat, als vielmehr mit der Frage, was das Buch dem Leser wert ist. So nehme ich jetzt 14,90 Euro, erhalte für jedes Buch mehr als vier Euro Honorar und habe sicher kein Exemplar weniger verkauft, als wenn das Buch zehn Euro kosten würde.

Fast 30 Prozent Autorenhonorar sind natürlich nicht schlecht. Aber kommen wir zu den Nachteilen.

Zunächst muss noch ein großer Vorteil der Publikation über ein so großes Unternehmen wie Books on Demand erwähnt werden: die Verfügbarkeit. Das Buch hat eine ISBN-Nummer, ist in allen Katalogen gelistet, und damit garantiert für jedermann auf einfache Art lieferbar. Ich hatte früher je selbst mal einen Kleinverlag und kann Ihnen sagen, dass ich meinen Autoren diese Garantie nicht geben konnte. Wie schwer ist es da allein, bei allen Barsortimenten gelistet zu werden. Und last but not least: Eine E-Buch-Ausgabe gibt es gratis dazu. Auch wenn die in meinem Falle nicht sehr oft bestellt wird.

Ich frage noch mal nach den Schattenseiten.

Die gibt es natürlich auch. Über die Scheu der Buchhandlungen vor nicht remittierbaren Büchern haben wir schon gesprochen. Ich wurde von potentiellen Käufern darauf angesprochen, dass ihre Buchhandlungen bei der Bestellung von solchen Büchern Vorkasse verlangen. Das ist natürlich nicht gerade kundenfreundlich. Dazu kommt noch ein Problem: die Ignoranz des Pressefeuilletons gegenüber Selfpublishing-Büchern. In Wissenschafts- und Fachzeitschriften hat es sich herumgesprochen, dass Bücher von renommierten Autoren auch dann gut sein können, wenn sie nicht bei Springer oder Thieme erschienen sind.

Wie soll man auch den ganzen Selfpublishingmarkt überschauen?

Leider kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass viele Redakteure solche Bücher auch dann ignorieren, wenn sie ausdrücklich auf den Titel aufmerksam gemacht worden sind. Man könnte denken: es ist doch die eigentliche Aufgabe des Redakteurs, sich selbst ein Bild zu machen. Natürlich gibt es im Selfpublishingmarkt auch viel Schrott, aber den wird ein versierter Redakteur schnell erkennen.

In der Tat gibt es viele, teilweise doch wohl auch berechtigte, Vorurteile gegenüber selbst verlegten Büchern.

Daran sind sogar einige Verlage mit schuld. Zwei befreundete, ausgewiesene Autoren haben in letzter Zeit Manuskriptangebote an Droemer geschickt. Die Antwort war beide Male: Das passt nicht in unser Programm, aber wir machen Ihnen das Angebot das Buch als E-Book außerhalb unseres Verlagsprogrammes – bei neobooks, glaube ich – zu veröffentlichen. Das bedeutet aus Sicht der Lektoren doch wohl: Die Sachen sind in unseren Augen nicht marktfähig, aber wenn wir es nur als E-Book veröffentlichen (ohne Lektoratskosten und Ähnlichem) verdienen wir trotz der Absage noch was dran. So soll ein Qualitätsprogramm zustande kommen?

Wie kann man als Autor trotz der Kritikervorbehalte Aufmerksamkeit für das eigene Buch erzeugen?

In meinem Fall ist das in einem gewissen Rahmen gelungen. Da kam mir das Genre zugute. Ich habe nicht nur über die eigene Abraham-Webseite Reklame machen können, wo seit einiger Zeit auch meine Paul Abraham News erscheinen, als monatlicher PDF-Newsletter. Das Buch wird natürlich auch in den Literaturangaben bei Wikipedia und anderen Veröffentlichung zu Paul Abraham erwähnt. Bei Youtube habe ich inzwischen mehr als 30 eigene Filmchen (Spielfilmausschnitte, Plattenaufnahmen etc.) hochgeladen, natürlich immer mit Nennung des Buches. Auch bei sehr vielen anderen Abraham-Beiträgen habe ich auf Youtube im Kommentarbereich auf das Buch hingewiesen. Hinzu kamen Lesungen mit Musik, allein bei zwei Veranstaltungen des Theaters Hagen mit insgesamt mehr als 250 Gästen. Man muss halt was tun, wenn man keine Werbeabteilung hinter sich hat.

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