Das Sonntagsgespräch Klett-Cotta will Krimi-Klassiker wiederbeleben – warum?

Klett-Cotta setzt mit der Neuübersetzung von Krimi-Klassikern einen neuen programmatischen Schwerpunkt. Neben der Neuentdeckung von Autoren aus der britischen Krimi-Tradition ist ab März mit Rex Stouts Nero Wolfe einer der erfolgreichsten Serienermittler des 20. Jahrhunderts wiederzuentdecken. Wir sprachen mit Verleger Michael Zöllner und Vertriebs- und Marketingleiter Ralf Tornow über diese für Klett-Cotta untypische Programmerweiterung.

BuchMarkt: Klett-Cotta steht bisher eher für qualitätsvolle und ungewöhnliche zeitgenössische Spannungsautoren. Weshalb jetzt diese Programmerweiterung in dieses Genre?

Michael Zöllner: „Zum Konzept gehört, dass wir prominente Verehrer der Reihe um Nachworte zu den einzelnen Bänden bitten wollen“

Michael Zöllner: Klett-Cotta ist seit jeher ein Verlag, der einen programmatischen Schwerpunkt im Bereich moderner Klassiker-Ausgaben pflegt. Mit Interesse haben wir deshalb die Entwicklung hin zu Wiederentdeckungen auch auf den internationalen Krimimärkten beobachtet.  Dabei sind wir zum einen auf den großen Erfolg der British Library Crime Classics gestoßen. Aus diesem Fundus britischer Krimitradition haben wir mehrere Titel akquiriert, u.a. John Jefferson Farejeons Geheimnis in Weiß, dass wir im letzten Herbst mit großem Erfolg veröffentlicht haben. Wir wollten uns aber ganz bewusst breiter aufstellen und haben deshalb eine umfangreiche Recherche vergriffener aber nach wie vor bekannter Autoren und Titel durchgeführt. Dieser ausführliche Ausflug in die Vergangenheit des Genres hat uns klar gemacht, dass es eine ganze Reihe qualitativ hochwertiger Stoffe gibt, die ihrer verdienten Wiederentdeckung harren.

Wie sind Sie auf Rex Stout gestoßen und weshalb haben gerade die Nero-Wolfe-Krimis Sie überzeugt?

Ralf Tornow: „Die Bücher sollen zu Sammlerstücken werden, die in keiner guten Krimibibliothek fehlen dürfen und sie sollen eine hohe Geschenkfähigkeit besitzen“

Ralf Tornow: Rex Stout ist aufgrund persönlicher Leseerinnerungen zu Jugendzeiten in den Fokus geraten. Sich nach so langer Zeit wieder mit Büchern zu beschäftigen, die man früher einmal geliebt hat, birgt allerdings auch immer ein Risiko. Nero Wolfe und Archie Goodwin, die beiden sehr unterschiedlichen Hauptcharaktere der Serie hatten erstaunlicherweise verhältnismäßig wenig Staub angesetzt. Ganz im Gegenteil wirkte auf uns der unterschwellige Witz der Dialoge und vor allem die Kombination aus klassisch britischem Whodunit a la Agatha Christie und den Noir-Qualitäten eines Raymond Chandler oder Dashiell Hammett extrem charmant und Sucht erzeugend. Da die deutschen Taschenbuchausgaben nur noch antiquarisch zugänglich sind, haben wir uns von Anfang an mit den Originaltexten beschäftigt. Das war ein Glücksfall, wie sich herausgestellt hat, denn so kamen wir mit allen Qualitäten der Texte direkt in Berührung.

Fast alle Krimis der Reihe gab es bereits früher in deutscher Übersetzung. Was macht den Unterschied aus?

Michael Zöllner: Bis hinein in die frühen 80er Jahre hatten Kriminalromane und Thriller ein eher geringes Ansehen in unserer Gesellschaft. Sich mit Spannungsliteratur zu beschäftigen, galt weithin als unfein und entsprach nicht den bürgerlichen Bildungsnormen. Entsprechend stiefmütterlich gingen viele deutsche Verlage mit den Texten um. Vor allem sollten Krimis auch aus Renditegründen nicht zu umfangreich sein. Die Publikationsstrategien waren in der Regel auf ein breites Massenspektrum ausgelegt, dass zudem nicht mit „Nebensächlichkeiten“ überfordert werden sollte. Aus diesen Gründen wurden insbesondere Übersetzungen gekürzt bis hin zur Sinnentstellung.  Dieses Verfahren traf auch die meisten Romane Rex Stouts. Rex Stout war zeitlebens politisch und bürgerrechtlich stark engagiert und hat viele Motive aus seinem Umfeld in seine Romane einfließen lassen. In den früheren deutschen Ausgaben ist nicht mehr viel davon zu spüren. Auch die Qualität der damaligen Übersetzungen ist nicht mit heutigen Standards vergleichbar.

Es klingelte an der Tür ist keine klassische Mordermittlung. Wieso starten Sie die Reihe gerade mit diesem Titel?

Durch Klick aufs Cover gehts zum Buch

Ralf Tornow: Ähnlich den Hercule-Poirot oder Miss-Marple-Bänden, bietet die Nero-Wolfe-Serie den Vorteil, dass es fast keine parallel zu den Fällen verlaufende Lebenschronologie der Ermittler gibt. Durch alle zeischen 1934 bis 1975 erschienenen über 30 Romane bleiben Nero und Archie im etwa gleichen unbestimmbaren Alter. Es ändert sich selbstverständlich die sie umgebende Welt. Die Grundkonstellation  bleibt unverändert. Dies birgt für uns den großen Vorteil, dass wir uns hinsichtlich der Publikationsreihenfolge nicht der Chronologie des ursprünglichen Erscheinens anpassen müssen. So starten wir die Reihe mit den erfolgreichsten und aus unserer Sicht besten und originellsten Titeln. Es klingelt an der Tür nimmt in Rex Stouts Schriftstellerkarriere eine Sonderstellung ein. In diesem Buch geht es darum, dass Nero Wolfe von einer reichen alten Witwe mit einem horrenden Honorar dazu überredet wird, Anstrengungen zu unternehmen, sie von den Nachstellungen des FBI zu befreien. Er übernimmt den unmöglich scheinenden Auftrag und trickst den übermächtigen Gegner nach allen Regeln der Kunst aus. Aus heutiger Sicht erfährt dieser erfolgreichste Roman der Reihe einen zusätzlichen Reiz, nämlich den Blick zurück aus einem Überwachungsstaat auf eine Zeit, in der öffentliche Telefone, Briefe und Telegramme noch die gängigen Kommunikationsmittel waren und in der die Leitmedien Zeitung und Buch hießen. Dies gibt dem Roman eine Art von nostalgischem Schmelz. Das FBI und namentlich J. Edgar Hoover fanden die Veröffentlichung von Es klingelte an der Tür allerdings alles andere als komisch. Der Roman kam auf eine Liste „nicht genehmer Schriften“, Hoover bezeichnete den Autor als Kommunisten und widersprach der Darstellung der Agenten in dem Buch ausdrücklich. Nachdem Stouts Schwester sogar Besuch von FBI-Mitarbeitern bekam, bekannte sie: „Mein Bruder wurde darüber ganz grün vor Neid“.

Auffällig ist die liebevolle Ausstattung der Buchreihe. Was versprechen Sie sich davon?

Ralf Tornow: Anders als bei normalen Einzeltiteln, haben wir in diesem Falle unsere Coveragentur Anzinger und Rasp mit der Erstellung eines Reihenkonzepts beauftragt, das einerseits das historische Kolorit und den unterschwelligen Humor der Serie transportieren sollte, andererseits Eleganz, Feinheit und Sammelbarkeit der Ausgaben zu gewährleisten hatte. Wir sind außerordentlich glücklich über das Gelingen dieser anspruchsvollen Aufgabe und darüber, dass wir mit Dirk Schmidt einen so kongenialen Illustrator für die Umschläge gefunden haben. Kurzum: Die Bücher sollen auch zu Sammlerstücken werden, die in keiner guten Krimibibliothek fehlen dürfen und sie sollen eine hohe Geschenkfähigkeit besitzen.

Mit Jürgen Kaube (dem Herausgeber der FAZ) haben Sie einen sehr prominenten und eher ungewöhnlichen Autor für das Nachwort des ersten Bandes gewinnen können. Ist das einmalig oder gehört es zum Konzept der Reihe?

Michael Zöllner: Zum Konzept der Neuausgaben gehört,dass wir je nach Möglichkeit prominente Verehrer der Reihe, Krimispezialisten und den ein oder anderen Überraschungsgast mit ganz anderem Zugang zur Materie, um Nachworte zu den einzelnen Bänden bitten wollen. Jürgen Kaube hat mit seinem kenntnisreichen und launigen Kommentar zu Es klingelt an der Tür sicher Maßstäbe für diese Art der Einordnung literarischer Inhalte gesetzt.

Wie ist die weitere Planung in Sachen Rex Stout und sind weitere Neuentdeckungen geplant?

Ralf Tornow: Im Herbst dieses Jahres erscheint mit Zu viele Köche ein weiterer Band der Reihe – noch sehr viel amüsanter diesmal – in dem Nero Wolfe einen Fall nur deshalb annimmt, um in den Besitz eines geheimen Würstchenrezeptes zu kommen.  Weitere Fälle sind in Vorbereitung. Dazu erscheint in der Nachfolge des letztjährigen Weihnachtskrimis dieses Jahr ein Geheimnis in Rot von MarvisDoriel Hay, very british und sehr winterlich.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

In der letzten Woche sprachen wir mit Stephan Schierke: „Der erste Schritt aus dem Loch ist getan“

 

 

 

 

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