"Darüber macht man keine Witze" Larissa Sarand tut es doch: Eine junge Autorin erzählt mit viel Galgenhumor über den Irrsinn der Magersucht

Immer freitags hier ein Autorengespräch. Heute mit  Larissa Sarand zu ihrem Buch „Friss oder Stirb. Wie mir die Magersucht auf den Magen schlug und ich ihr ins Gesicht“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf)

Larissa Sarand © Konstantin Zander

Psychische Erkrankungen sind ein ernstzunehmendes Thema –  das kümmert Larissa Sarand allerdings wenig. In ihrem autobiografischen Buch Friss oder Stirb. Wie mir die Magersucht auf den Magen schlug und ich ihr ins Gesicht (Schwarzkopf&Schwarzkopf) bricht sie ein Tabu: Gnadenlos ungeschönt und mit viel Galgenhumor erzählt sie hier von ihrer Magersucht.

1988 wurde die Autorin  in Berlin geboren, wo sie als waschechter Lokalpatriot, wie sie sich selbst bezeichnet, noch immer lebt.  Nach einer Ausbildung zur Verlagskauffrau studierte sie Deutsch und Politische Bildung  auf Lehramt. Ihr anschließendes Referendariat brach sie vorzeitig ab und arbeitet heute als freie Autorin. Der Magersucht hat sie den Rücken gekehrt, aber „die Magersucht noch nicht mir“, wie sie selbst sagt.  Wir haben sie wegen ihres ungewöhnlichen Umgangs mit dem ernsten Thema gefragt:

BuchMarkt: Frau Sarand, worum geht es in dem Buch?

Larissa Sarand: Wie der Titel bereits verrät, geht es in meinem Buch grundsätzlich um Magersucht. Das klingt erst einmal nach nichts Neuem, ist es in Anbetracht meiner Herangehensweise an die Thematik aber doch.  Denn weil ich (außer beim Essen) nach dem Motto „keine halben Sachen“ lebe, spreche ich in FRISS ODER STIRB nicht nur ungewöhnlich offen über Magersucht, sondern ich haue richtig auf die Kacke. Ich gebe die Magersucht der Lächerlichkeit preis, und zwar im buchstäblichen Sinne. „Darüber macht man keine Witze!“, riefen viele meiner Bekannten quasi intuitiv aus, als ich ihnen von meinem Buchprojekt erzählte. Nun ja, „man“ kauft sich aber normalerweise auch keine XXL-Strickjacken, weil sich in den extra großen Taschen des Grobstrick-Ungetüms so gut Geburtstagstorte verstecken lässt.  Und „Man“ googelt auch nicht nachts im Bett auf dem Smartphone nach Reaktorunfällen in dem Glauben, für den eigenen Haarausfall in Folge des Gewichtverlustes müsse die Strahlenkrankheit verantwortlich sein und nicht etwa die Anorexie.

Wieso wollten Sie in der Art über ein solch ernstes Thema schreiben, wie Sie es in Ihrem Buch tun?

Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Die Idee für diese bisher noch nicht dagewesene Behandlung der Magersucht  entstand, als ich im Fernsehen eine Vorschau für die komödiantische US-Serie „Monk“ gesehen habe. Darin geht es um einen Privatdetektiv, der an Zwangsstörungen leidet und dadurch während seiner Ermittlungen in allerlei skurrile Situationen gerät. Wenn man darüber lachen darf, dachte ich mir, warum dann nicht auch über Anorexie? Sie dürfen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass auch mich diese Erkrankung oft in Lagen gebracht hat, auf die ich heute mit einem Lachen zurückschauen kann. In all ihrer Tragik entbehrt die Magersucht nicht in einer gewissen Komik und diese verschweige ich ebenso wenig aus falscher Zurückhaltung heraus wie die Abgründe, an die sie mich trieb.  Ich habe eine lange Zeit hinter mir, in der ich zwischen Nacht und Dunkel schwebte – entsprechend gefärbt ist mein Humor. Ich mache Witze darüber, weil ich Witze darüber machen kann. Ich habe überlebt.

Welche Leser wollen Sie mit Ihrem Buch ansprechen?

Natürlich ist das Buch besonders interessant für all jene, die persönlich von Anorexie betroffen sind oder Erkrankte in ihrem Umfeld haben. Aber auch für alle anderen ist Friss oder Stirb gedacht. Denn letztlich war die Magersucht für mich „nur“ die pathologische Ausprägung einer handfesten Lebenskrise. Ich beschreibe, wie ich nach dem Tod meiner Eltern vor drei Jahren in diese hineingeriet, eine wahre Abwärtsspirale hinuntergeglitten bin, der Tiefpunkt schließlich zum Wendepunkt wurde und ich daraufhin mein Leben  völlig neu ordnete.

Inwiefern?

Ich habe nicht nur der Magersucht den Rücken gekehrt, sondern auch meinem Job und meinem Verlobten. Solche Erfahrungen machen nicht nur Anorexie-Patienten. Insofern ist mein Buch sicherlich auch für „Normalesser“ eine lohnende Lektüre – besonders für solche, die einen Sinn für schwarzen Humor besitzen. Wie ich das Thema aufgreife, ist bestimmt streitbar.  Aber das bin ich persönlich auch, insofern ist das okay.

Was lesen Sie privat gerne bzw. aktuell?

Generell  bin ich – zumindest literarisch –  Fan von „schwerer Kost“. Mich interessieren persönliche Schicksale , ob diese nun den realen Erfahrungen der Autoren entsprechen oder fiktiver Natur sind. Wolfgang Herrndorfs Arbeit und Struktur und Jennifer Clements Gebete für die Vermissten haben mich beispielsweise sehr beeindruckt. Momentan liegt bei mir auf den Nachttisch Und es schmilzt von Lize Spit.

Was möchten Sie Ihren Lesern für die  Lektüre von „Friss oder Stirb“ noch mit auf den Weg geben?

Psychische Erkrankungen sind ein ernstes Thema, ja. Aber der ganze Mist ist per se schon schlimm genug. Also fragen Sie bitte nicht, ob man darüber lachen darf. Tun Sie es einfach.

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