Bernd F. Lunkewitz über den Bescheid der Bundesrepublik zum Eigentum am Aufbau Verlag und den Prozess gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) „Nach dreißig Jahren weiß ich Bescheid“

Im Herbst des vergangenen Jahres hatte das Landgericht Berlin die Klage des ehemaligen Verlegers Bernd F. Lunkewitz gegen die früher Treuhandanstalt genannte BvS mit der Begründung abgewiesen, dass die Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag nicht aufklärbar seien und er deshalb nicht bewiesen habe, dass die Treuhandanstalt, die ihm am 18./27.9.1991 eine angebliche Aufbau-Verlag GmbH i. A. verkauft hatte, diesen Vertrag nicht erfüllt hat. Den jetzt in den USA lebenden früheren Aufbau-Verleger lässt das Thema nicht los:

Bernd F. Lunkewitz in der Villa Aurora, Pacific Palisades, Los Angeles. Die Villa Aurora war das Wohnhaus von Lion und Marta Feuchtwanger und ist heute eine Künstlerresidenz und vielseitiges Kulturzentrum

 

Bernd, worum geht es seit so vielen Jahren?

Bernd F. Lunkewitz: Nach mehr als 30 Jahren hat am 17.03.2022 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat, dieses vertreten durch das BADV (Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen) den vom Kulturbund e. V. am 11.10.1990 gestellten vermögensrechtlichen Antrag auf Rückübertragung des Eigentums am Aufbau-Verlag durch einen amtlichen Bescheid gemäß § 33 Abs. 4 VermG abgelehnt, weil der Kulturbund in der DDR sein Eigentum am Aufbau-Verlag nie verloren hatte und daher keine Basis für eine Rückerstattung bestehe..

Und das heißt jetzt?

In dem am 24.3.2022 zugestellten Bescheid der Bundesbehörde wird festgestellt: 

„Vertreter des Kulturbunds e.V. als Rechtsnachfolger des Kulturbunds der DDR vertraten die zutreffende Ansicht, dass der Aufbau-Verlag stets im Eigentum des Kulturbunds der DDR stand.“

„Der Kulturbund der DDR unterfiel dem PartG-DDR und die Aufbau-Verlag GmbH (Kulturbund-Aufbau) war dessen Eigentum.“

„Der Kulturbund e. V. hat die seinerzeitige Aufbau-Verlag GmbH (Kulturbund-Aufbau) 1995 wirksam an den seinerzeitigen Verleger Bernd F. Lunkewitz verkauft und damit wirksam über sein Eigentum verfügt.“ 

Was bedeutet dieser Bescheid für Deinen weiteren Rechtsstreit um den Verkauf der angeblichen Aufbau-Verlag GmbH i. A. durch die Treuhandanstalt? 

00Mit dem Bescheid bestätigt die Bundesrepublik Deutschland meinen Klagevortrag, dass der Kulturbund sein Eigentum am Aufbau-Verlag nie an die SED oder das Volkseigentum verloren hat und deshalb die mit der Treuhandanstalt abgeschlossenen Kaufverträge nichtig sind. Gleichzeitig lässt sie in dem Prozess aber von der BvS das Gegenteil vortragen und behauptet, dass der Aufbau-Verlag in der DDR das Eigentum der SED war, dann zum Volkseigentum gehörte und deshalb Eigentum der Treuhandanstalt wurde. Und die Berliner Justiz tut so, als würde sie das glauben. 

Beruht der Inhalt des Bescheids auf neuen Erkenntnissen?

Nein. Die in dem Bescheid des Bundesamts festgestellten Tatsachen sind ja seit langem allgemein bekannt. Die Treuhandanstalt wusste oder hätte wissen müssen, dass sie nie Eigentümerin des Aufbau-Verlages war. Die verkauften Anteile an einer Aufbau-Verlag GmbH i. A. existierten nicht. Die Bundesregierung bestreitet diese Tatsachen nur, um die Schadensersatzansprüche abzuwehren. Das Bundesfinanzministerium steuert seit Jahren für die BvS deren Prozessbetrug und die bisher damit befassten Richter verteidigen nicht das Recht sondern die fiskalischen Interessen der Bundesregierung. 

Im Urteil des Landgerichts steht aber, dass Du die Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag nicht bewiesen hast.0

Der Bundesgerichtshof hat doch schon in 2008 das Urteil des OLG Frankfurt bestätigt, in dem meiner Widerklage gegen die Treuhandanstalt aus den auch im Bescheid des BADV genannten Gründen materiell-rechtlich stattgegeben wurde. Mein Eigentum am Aufbau-Verlag ist bereits rechtskräftig bewiesen. Diese Klage war begründet. Die Gerichte haben das in den Schadensersatzprozessen gezielt übergangen und behauptet, ich hätte diesen Prozess nur gewonnen, weil die BvS ihr Eigentum nicht beweisen konnte und jetzt sei die Beweislast halt umgekehrt. Diese Lüge wiederholt auch der Richter Dominik Reith in dem Urteil des Landgerichts Berlin. 

Ist der Bescheid des BADV jetzt ein gültiger Beweis? 

Das Bundesamt könnte sich ja irren. Der Kulturbund hat in der DDR nie über das Eigentum am Aufbau-Verlag verfügt, aber vielleicht könnte er heimlich enteignet worden sein. Wenn er, wie die Treuhandanstalt behauptet, tatsächlich Volkseigentum wurde, müsste der Verlag wie viele andere Unternehmen nach dem Vermögensgesetz restituiert werden und da ich das gesamte Vermögen des Verlages vom Kulturbund erworben habe, wäre er mein Eigentum. 

Das wäre eine Sensation.

Keine Angst. Ich will nur zeigen, dass es viel einfacher ist, die Wahrheit zu sagen, als – wie die BvS – Lügen zu verbreiten. Das Bundesamt hat Recht. Der Bescheid beweist mindestens, dass die Gerichte die Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag anhand der vorgelegten Dokumente selbst feststellen könnten, wenn sie das wollten. Das trifft auch auf die anderen Klagepunkte zu. Der damalige Vorstand und andere Funktionsträger der Treuhandanstalt haben den Kulturbund und die Käufer des Aufbau-Verlages vorsätzlich und mit Methoden des organisierten Verbrechens mehrfach arglistig getäuscht und die Bundesregierung, die ja auch den Bundestag und die Öffentlichkeit belügt, hat diese Täuschungen bis heute fortgesetzt. Das trifft besonders auf das Problem der Plusauflagen zu.

Das waren die Urheberrechtsverletzungen der DDR gegenüber ausländischen Lizenzgebern durch illegale Mehrdrucke.

Ja. Sehr viele Verlage im Westen waren davon betroffen. Der Lizenzbetrug ist zwar von der SED veranlasst worden, aber die DDR-Verlage und wahrscheinlich auch Urheberrechtsverwerter in anderen Bereichen, z. B. Musik, haben sich daran beteiligt. Es ging beim Aufbau-Verlag um mehr als acht Millionen DM. Die Treuhand hat wohl gehofft, dass ich, wie von ihr vorgeschlagen, „den Laden zumache“ um die Entschädigung zu vermeiden. Deshalb hat sie beim Abschluss des Kaufvertrages auf kriminelle Weise die Ansprüche der geschädigten Lizenzgeber den Käufern verheimlicht, um den Schaden aus den Plusauflagen des Aufbau-Verlages auf sie abzuwälzen. 

Im Urteil steht, dass Du einen Vergleich mit der Treuhand geschlossen hast und die Sache deshalb erledigt ist.

Das will ich hier jetzt wörtlich zitieren, weil es ein ganzes Bündel von Lügen dieses Richters zeigt. Im Urteil steht: „Auch wegen der sogenannten Plusauflagen bestehen keine Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte. Etwaige Schadensersatzansprüche sind durch die Vergleichsregelung (Vergleichsvertrag vom 23./24. November 1992) abgegolten. Dieser Vergleich ist auch nicht wegen einer Täuschung der Beklagten hinfällig. Es fehlt insoweit am Nachweis eines Kausalzusammenhangs. Der Geschäftsführer der Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass er nur einen höheren Schadensersatzbetrag akzeptiert hätte, wenn ihm bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre, dass die Beklagte von den Plus-Auflagen bereits bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt hätte. Dieser Vortrag ist nicht nachvollziehbar, da die Klägerin von etwaigen Schadensersatzansprüchen (sofern rechtskräftig festgestellt) vollumfänglich freigestellt worden ist. Es spricht daher alles dafür, dass im Falle der Kenntnis der Plus-Auflagen-Problematik bei der Klägerin diese die Kaufverträge genauso abgeschlossen hätte, wie sie abgeschlossen worden sind, zuzüglich einer Freistellungsvereinbarung, wie sie dann nachträglich im Vergleichswege getroffen worden ist.“

Was ist daran falsch? 

Alles, außer der Feststellung, dass die Beklagte die Käufer arglistig getäuscht hat, denn die vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen ist inzwischen bewiesen. Die mir unterstellte Aussage zu dem Vergleich hat der Richter Dominik Reith nachträglich frei erfunden. um seine Rechtsbeugung zu verdecken. Sie steht auch nicht im Protokoll der mündlichen Verhandlung. Ich habe nie „geltend gemacht“, dass ich „nur einen höheren Schadensersatzbetrag akzeptiert hätte“ wenn mir „bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre, dass die Beklagte von den Plus-Auflagen bereits bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt hätte.“ Der Ersatz des Schadens ist ja nur dessen Folge und beseitigt nicht mein Recht als arglistig getäuschter Käufer, den nichtigen Vertrag anzufechten. Ich muss mich auch nicht auf ein mögliches Rechtsgeschäft verweisen lassen, zu dem ich vielleicht auch ohne arglistige Täuschung bereit gewesen wäre. 

Buchmarkt:

Die Treuhandanstalt hätte also entweder die Käufer über die Plusauflagen aufklären müssen oder den Verlag nicht verkaufen dürfen?

Bernd F. Lunkewitz:

Richtig. Wenn die Treuhandanstalt pflichtgemäß die Plusauflagen offenbart hätte, stünde logischerweise den Käufern überhaupt kein Schadensersatz zu, erst recht nicht ein „höherer“, weil sie nicht arglistig getäuscht wären. Allerdings hätten die Käufer den Vertrag vom 27.9.1991 nicht abgeschlossen wenn die Treuhandanstalt ihre Kenntnisse offenbart hätte, denn die Folgen der Plusauflagen waren völlig unübersehbar. 

Warum?

Die Staatsanwaltschaft übergab der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission am 20./23.9.1991 ein bei der PDS gefundenes Dokument, aus dem hervorgeht, dass durch Raubdrucke ausländischen Rechteinhabern „seit Mitte der sechziger Jahre etwa eine Millionen DM jährlich“ entzogen wurden. Diese Rechteinhaber hatten nicht nur Schadensersatzansprüche. Sie hatten auch das Recht, sämtliche noch laufenden Verträge mit dem Aufbau-Verlag fristlos zu kündigen und ihm voller Verachtung ein ähnlich unrühmliches Ende zu bereiten, wie es in den sechziger Jahren der Kurt Desch Verlag in München erlebt hat. Die Erben von Heinrich Mann z. B. kündigten wegen der Plusauflagen den seit vierzig Jahren bestehenden Verlagsvertrag und der Aufbau-Verlag verlor den bedeutenden Autor. Die Treuhandanstalt hat damals in voller Kenntnis, dass der Aufbau-Verlag diese Rechteinhaber arglistig getäuscht hat, dann in eigener Regie mich und die anderen Käufer des Verlages ebenso vorsätzlich betrogen und mit der eigenen arglistigen Täuschung den Vertrag vom 27.9.1991 abgeschlossen, dann am 1.10.1991 die Zustimmung des Vorstands erteilt und sie am 17.10.1991 dem Notar zugestellt.

Aber warum hast Du nach dem Kaufvertrag den Vergleich geschlossen?

Ich hatte schon viele Millionen DM investiert und mich leider auf die Integrität der Treuhandanstalt und des Verlagsleiters Elmar Faber verlassen. Die Kripo hatte am Tag der Übergabe an die Käufer den Verlag durchsucht und gab zu den Ermittlungen keine Auskünfte. Elmar Faber berichtete mir von Honoraren in Höhe von nur „einigen zehntausend DM“, die geschuldet seien, obwohl der Verlag alles an die Hauptverwaltung abgeführt habe. Die Treuhandanstalt hatte im Kaufvertrag nur ihr Eigentum am Verlag garantiert – auch das war eine Lüge – aber sonst jede Haftung für dessen Verbindlichkeiten ausgeschlossen und bestritt seit dem 7.10.1991 vehement jede vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen. Ich bat sie zunächst um Hilfe und wollte dass sie den Schaden aus dem Alt-Vermögen der SED ersetzen lässt. Erst als ich den vollen Umfang der Plusauflagen feststellte – mehr als acht Millionen DM – forderte ich wegen der Überschuldung des Verlages am 24.3.1992 die Freistellung und warf der Treuhandanstalt, allerdings damals noch ohne Beweis, die vorvertragliche Kenntnis vor, die sie bis heute bestreitet. 

In dem Urteil des Landgerichts Berlin steht, dass der Verlag von den „Schadensersatzforderungen (sofern rechtskräftig festgestellt) vollumfänglich freigestellt“ wurde.

Die Treuhandanstalt bestritt zwar vehement die vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen, bot aber anscheinend großzügig und „im Interesse der Fortführung des Aufbau-Verlages“ die Freistellung von rechtskräftig festgestellten Forderungen an. Der Aufbau-Verlag musste sich also von den Geschädigten verklagen lassen und die Prozessführung mit der Treuhandanstalt absprechen. Am 24.6.1992 wurde dieser Vergleichsvertrag unterzeichnet, aber bereits am 23./24.11.1992 durch eine neue Regelung aufgehoben. Darin stimmte die Treuhandanstalt zu, dass der Aufbau-Verlag bis zu einem bestimmten Höchstbetrag Vergleiche mit geschädigten Verlagen abschließen kann und als „Anreiz“ die Hälfte der „gesparten“ Zahlungen erhält. Die Behauptung des Richters Dominik Reith, der Verlag sei am 23./24.11.1992 „vollumfänglich freigestellt“ worden, ist aber falsch, denn diese Regelung galt nur für die Ansprüche der Verlage. Die Ansprüche der ebenfalls geschädigten ausländischen Autoren, immerhin fast zwei Millionen DM, musste der Verlag aus eigenen Mitteln erfüllen (weil ich keine Prozesse gegen meine Autoren führen wollte) und er musste auch alle anderen Folgeschäden tragen, z.B. die Kosten des Vergleichs, der notariell beurkundet wurde, weil die Treuhandanstalt eine erneute Abtretung der verkauften Geschäftsanteile verlangt hatte. 

Warum das?

Weil meine bei diesen Verhandlungen nicht anwesenden Mitgesellschafter angeblich behauptet hätten, dass die Kaufverträge vom 18./27.9.1991 sittenwidrig seien. Dieser Vorwurf sollte durch die erneute Abtretung ausgeräumt werden. Die wahren Motive der Treuhandanstalt für den Abschluss des Vergleichs vom 23./24.11.1992 habe ich erst 2006 in den Akten dieser betrügerischen Behörde entdeckt. Eine Arbeitsgruppe der Treuhandanstalt unter Leitung des Vorstands Dr. Wolf Klintz hatte im Herbst 1992 festgestellt, dass die Kaufverträge über die Aufbau-Verlag GmbH i. A. bereits wegen Notarfehlern nichtig waren, weil die als Anlagen beigefügten Dokumente bei der Protokollierung nicht verlesen wurden. Die Käufer waren schon deshalb nicht Eigentümer der verkauften Verlage geworden. Die Treuhandanstalt hätte den Betrieb zurücknehmen und den Käufern mehr als 15 Millionen DM Investitionen erstatten müssen. Die Behörde „befürchtete“, dass ich mich darauf berufen würde, verschwieg deshalb die Nichtigkeit der Verträge und erreichte durch diese arglistige Täuschung deren vermeintliche „Heilung“. Die Käufer übernahmen erst in diesem „Vergleich“ durch die erneute Abtretung der angeblichen Geschäftsanteile die bisher „aufgelaufenen Verluste des Verlages“ und dessen weitere verlustreiche Finanzierung, die ich sogar noch durch die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in mein gesamtes Vermögen bis zu einem Betrag von zehn Millionen DM garantierte. 

Du siehst dich weiter getäuscht.

Ja, Wegen dieser mehrfachen, wiederholten und bis heute von der BvS bestrittenen und damit fortgesetzten arglistigen Täuschung habe ich in 2007 die Anfechtung der Kaufverträge und des Vergleichs erklärt. Die Gerichte haben das in den späteren Schadensersatzprozessen entweder übergangen oder deshalb die arglistige Täuschung verneint, weil ich ja die Nichtigkeit der Verträge selber hätte feststellen können. Mit anderen Worten: wer vom Staat betrogen wird, der ist selbst schuld.

Was geschah nach der Anfechtung der Kaufverträge?

Der Bundesgerichtshof bestätigte kurz danach die Urteile des LG und des OLG Frankfurt, die meiner Widerklage zu den Eigentumsverhältnissen des Aufbau-Verlags stattgegeben hatten, weil sie materiell begründet war. Damit stand rechtskräftig auch gegen die BvS fest, dass die Kaufverträge mit der Treuhandanstalt nichtig waren, weil die verkauften Geschäftsanteile an den angeblichen GmbH i. A. nicht existierten. Das führte dann zur Insolvenz der vermögenslosen Aufbau-Verlagsgruppe GmbH weil die BvS den Ersatz der Schäden verweigerte und ich erlaubte dem Insolvenzverwalter den Verkauf meines Aufbau-Verlages an Herrn Koch. 

Du hattest 2008 den Prozess gewonnen, aber der Verlag war verloren.

Der Verlag ist nicht verloren. Er war 18 Jahre lang mein Pflegekind. Ich habe ihm gegen den Widerstand der BvS endgültig seine Rechtssicherheit verschafft, ihn dadurch auch langfristig gerettet und ihm eine gute Zukunft ermöglicht. Schon lange vor dem Verkauf an Herrn Koch hatte ich den Verlag gut aufgestellt, sein Profil und die Gemeinschaft der Autoren erneuert und Zeit genug gehabt, mein Amt so weit zu ordnen, daß ich entbehrlich war. 

Die nach der BGH-Entscheidung und dem Verkauf des Verlages bisher geführten Prozesse hast Du verloren. 

Ja, der Staat ist ein übermächtiger Gegner. Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums und anderer „Dienste“, die das Erbe der abgewickelten Treuhandanstalt/BvS betreuen, haben nur Fehler, Missbrauch, Rechtsbruch und Schulden zu verwalten. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den Fiskus vor den Konsequenzen des rechtswidrigen Verhaltens dieser inkompetenten Behörde zu schützen. In den Prozessen bestreitet die BvS alles und jedes, selbst die offensichtlichsten Tatsachen. Auch solche, die sie selber behauptet hat. Sie lässt Urkunden fälschen und verbreitet Lügen. Der § 263 StGB, der Prozessbetrug unter Strafe stellt, schreckt sie nicht, denn die Bundesregierung hat einen sehr langen Arm in den Justizapparat und kann sich die Richter aussuchen. Dagegen gibt es keinen Schutz. Der politische Einfluss auf die Rechtsprechung ist in Berlin vielleicht nicht so offensichtlich wie beim Stadtgericht Moskau, aber genauso effektiv. Zivilklagen gegen den Staat wegen Amtshaftung, Verletzung der Eigentumsgarantie oder arglistiger Täuschung sind extrem schwierig, weil die Richter die Obrigkeit nicht verurteilen wollen. 

Das sind heftige Vorwürfe. 

die ich in meinem Buch „Der Aufbau-Verlag und die kriminelle Vereinigung in der SED und der Treuhandanstalt“ ausführlich dargelegt und in den Prozessen sehr detailliert bewiesen habe. Die Gerichtsakten sind mit allen Schriftsätzen, vorgelegten Dokumenten und den Urteilen auf meiner Website www.prozessbeobachter.net nachzulesen. Da wird von deutschen Gerichten behauptet, dass die verkauften, aber nichtexistierenden Geschäftsanteile „ex nihilo“ (aus dem Nichts) entstanden sein könnten, oder dass der Aufbau-Verlag „sich“ in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt hat, dass die Gewinne des Verlages, die jährlich als „Verlagsabführungen“ an den Kulturbund überwiesen wurden, nicht die Überweisung der „Gewinne“ an den Eigentümer, sondern nur „systemimmanente Zahlungen“ des Staates gewesen seien oder dass die Aufschrift „Volkseigentum“ auf einem Aktendeckel beweise, dass der Verlag volkseigen war, obwohl er ausdrücklich als Eigentum des Kulturbunds dort registriert wurde. Die arglistigen Täuschungen durch behördenintern vereinbarte falsche amtliche Auskünfte der BvS seien nicht etwa Lügen, sondern lediglich „noch vertretbare Rechtsmeinungen“ und daher legitim. 

Wie ging es weiter?

Ich musste zwölf Jahre auf den Gerichtstermin warten und nutzte diese Zeit, ein überwältigendes Beweismaterial vorzulegen. Die Klage ist lückenlos und zweifelsfrei begründet. Das Urteil des Richters Dominik Reith ist die endgültige Bankrotterklärung der Justiz und eine Verhöhnung des Rechtsstaats. Die mündliche Verhandlung führte er gegen den Widerspruch der Klägerin als Einzelrichter, weil die Sache so einfach sei. Er erklärte die Klage für zulässig, die Ansprüche seien nicht verjährt und es gäbe auch keine entgegenstehende Rechtskraft anderer Entscheidungen. Nur die abschließende Prüfung, ob die Beklagte überwiegende Kenntnis gehabt habe, stehe noch aus. In etwa drei Wochen werde er seine Entscheidung verkünden. Irgend etwas hat das verhindert. Erst drei Monate später erging sein Urteil: der Fall sei so komplex, dass die „Übertragungsvorgänge“ zum Eigentum am Aufbau-Verlag nicht aufklärbar seien. Daher sei nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden und die Klage abzuweisen, weil die Klägerin ihre Vorwürfe nicht bewiesen habe. Die nach seiner eigenen Ansicht sehr komplexen und deshalb unmöglich aufzuklärenden Eigentumsverhältnisse seien allerding der Klägerin schon seit 1995 bekannt gewesen, weshalb die Sache auch verjährt sei, weil sie bereits vor vielen Jahren eine Feststellungsklage hätte einreichen können.

Deine Klage ist in 2009 eingereicht worden, nachdem der BGH in 2008 Dein Eigentum am Aufbau-Verlag bestätig hatte.

Ja. Keine der arglistigen Täuschungen der Treuhandanstalt/BvS ist verjährt, schon weil sie bis heute diese Täuschungen fortsetzt und durch weitere Lügen und Prozessbetrug den Schaden laufend vergrößert. Aus dem gleichen Grund ist auch der arglistig erschwindelte „Vergleich“ zu den Plusauflagen nichtig. Eine Verjährungsfrist hat deshalb noch nicht mal begonnen. Die Justiz hat diese sehr peinliche Klage zwölf Jahre in der ersten Instanz hin und her geschoben und dann ein Urteil ausgeschieden in dem der Richter Dominik Reith behauptet, „vieles spricht dafür“, dass der Aufbau-Verlag von der SED in Volkseigentum übertragen wurde. Was „vieles“ dafür spricht, erklärt er nicht, nur „dass der SED als herrschender Partei in einer Ein-Parteiendiktatur hierzu die Rechtsmacht gefehlt hätte, erscheint fernliegend“, obwohl sie am 2.4.1990, als sie das Übergabeprotokoll unterzeichnete, weder das Recht noch die Macht dazu hatte. 

Wie wird es weitergehen?

In den nächsten Instanzen werden die Richter entscheiden, ob sie die Einhaltung des Rechts im Interesse des deutschen Volkes, in dessen Namen sie ja urteilen, durchsetzen wollen oder nur die fiskalischen und politischen Interessen der Bundesregierung. Die bisher ergangenen falschen Urteile in den Prozessen gegen die Treuhandanstalt/BvS sind leider keine isolierten Einzelfälle, die weder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch die Weiterentwicklung des Rechts beschädigen, sondern von der Bundesregierung gezielt gesteuerte rechts- und verfassungswidrige Willkürakte, deren Verhinderung grundsätzliche Bedeutung hat für den Bestand des Rechtsstaats und die Durchführung von fairen Prozessen. Das kann nur eine unabhängige Justiz gewährleisten. Vielleicht hilft es, dass aus dem Dritten Reich und der DDR bekannt ist, dass die Schreibtischtäter in Deutschland ihre Akten sorgfältig aufbewahren und dass deshalb auch die bisher noch geheimen Dokumente der kriminell durchsetzen Treuhandanstalt und anderer „Dienste“ zugänglich werden und belegen, dass alles noch viel schlimmer war.

Du wirst also nicht aufgeben?

Ich habe in dieser Sache den Kampf um das Recht als meine Bürgerpflicht übernommen. Anhand der bisher bekannten Dokumente der Behörden und Institutionen der DDR und der Bundesrepublik habe ich klar und eindeutig das fortbestehende Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag, die objektive anfängliche Unmöglichkeit der Erfüllung der Kaufverträge und die mehrfache Arglist der Treuhandanstalt/BvS bewiesen. Ich bin zwar skeptisch, aber weil die weitaus meisten deutschen Richter ihr schwieriges Amt gewissenhaft und unparteiisch führen, hoffe ich trotzt schlechter Erfahrungen, dass meine Klage objektiv geprüft und gerecht entscheiden wird.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert