migo-Programmleiterin Carmen Udina über die Arbeit eines Trendverlags und darüber, worauf es hierbei wirklich ankommt „Nah an den Wünschen der Kinder“

Carmen Udina

Was unterscheidet die Prozesse beim „Trendverlag“ migo von der Arbeit herkömmlicher Verlage? Und welche Trends kommen auf uns zu? Wir haben migo-Programmleiterin Carmen Udina gefragt:

BuchMarkt: 2019 wurde migo als Trendverlag von der Verlagsgruppe Oetinger gegründet. Mittlerweile ist Ihr erstes Programm auf dem Markt. Was ist das eigentlich, ein Trendverlag?

Carmen Udina: Ein Trendverlag orientiert sich streng an den Wünschen seiner Zielgruppen, nicht vordergründig daran, was sich (bisher) gut verkauft hat. Diese Wünsche wechseln sehr schnell, was eine mittel- und langfristige Planung behindert. Der große Vorteil: Natürlich gibt es Themen, die auch in 20 Jahren noch aktuell sind. Aber diese sind besetzt und zudem hat die jüngere Vergangenheit gezeigt, wie schnell auch etablierte Marken bedeutungslos werden können. migo hat daher einen anderen Ansatz zwischen Relevanz und Sehnsucht.

Beschreiben Sie noch einmal kurz, was migo als Verlag aus Ihrer Sicht auszeichnet und besonders macht …

Mit dieser Positionierung ist migo in der deutschsprachigen Verlagslandschaft sicher ziemlich einzigartig, weil sich daraus ein komplett anderer Zugang zu Themen, Büchern und Produkten ergibt. Als Trendverlag beobachten wir einerseits sämtliche Einflüsse auf die Zielgruppe Familie, also von Schwangerschaft bis zu den Großeltern. Hier analysieren wir den Alltag der Menschen und gewinnen Erkenntnisse, mit welchen Produkten wir sie unterstützen können, welche Freude bereiten und letztlich gewünscht sind. Ziel ist es, die bereits genannten Faktoren Relevanz und Sehnsüchte zu wecken. Die Basis ist dabei das MindSet, also die Persönlichkeitseigenschaft im Sinne eines Denk- und Verhaltensmusters einer Person oder sozialen Gruppe. Wir befragen unsere angepeilten Zielgruppen direkt über verschiedene Aktionen und bekommen so ein ungefiltertes, authentisches Bild für den Aufbau des Programms. Das bedeutet, dass sich auch alle sonstigen Bereiche den Wünschen der Zielgruppe unterordnen müssen. Das ist ist nicht immer einfach, aber wir haben einen Plan.

Wie unterscheidet sich also Arbeit eines Trendverlags von jener der „herkömmlichen Verlage“?

Die wichtigste Voraussetzung sind die entsprechenden Mitarbeiter*innen, die neu denken und agieren. Insofern sind wir eher Agentur, Start-up, Berater, Partner. Die größten Herausforderungen sind dabei sicher im Vertrieb. Wenn Produkte mit weniger Vorlauf auf den Markt gebracht werden, ist es nicht einfach, diese in etablierte Strukturen einzubringen. Wir sind uns aber sicher, dass die Zukunft des Publizierens auch immer agiler und kürzer getaktet sein wird. Mit migo haben wir eine Plattform, um darauf vorbereitet zu sein und sammeln derzeit eine Menge Erfahrungen. Im Marketing und der Kommunikation haben wir daher auch andere Ansätze: Wir kombinieren gezielt die Nischen und die große Reichweite auf Basis unserer Analysen. Auch hier werden wir 2021 die ersten Früchte ernten.

Wer „findet“ denn die Trends, aus denen sich Ihr Programm dann ergibt?

Die Zielgruppe, also die Familie, unsere WunschFinder, das ist eine Art Content-Scout-Botschafter-Programm von migo und die Programmleitung, das wäre dann also ich.

Und wie schnell geht es dann an die Umsetzung?

Ein heikler Punkt. Uns geht es immer zu langsam und wir testen noch das beste Set-up. Das schnellste Projekt ging innerhalb von acht Wochen von der Idee bis zur Auslieferung über die Bühne. Wir brauchen demzufolge auch Dienstleister, die in der Lage sind, das unter Wahrung unseres Qualitätsanspruchs verlässlich umzusetzen. Und dann spielen ja auch noch die Auswirkungen von Corona eine große Rolle, die unser gesamtes Konzept für 2020 beeinträchtigt haben. Aber wir denken positiv und geben einfach noch mehr Gas.

Wie relevant ist denn ein Trend überhaupt beim Kaufverhalten?

Ein Trend an sich gar nicht, aber wenn ein Meinungsführer oder eine bestimmte Gruppe mit Signalwirkung bestimmte Produkte und Services für sich entdecken und vor allem empfehlen, dann werden schnell Sehnsüchte geweckt und die Relevanz steigt. Die Frage ist, diese Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, die ja die Basis für Trends sind. Wenn das im Jahr ein, zwei Mal funktioniert und migo dann Trends setzen kann, wird sich das auszahlen. Das Kaufverhalten wird sich in den kommenden Jahren weiter verändern und damit auch die Struktur des Buchmarkts. Die Trigger, um einen Kauf auszulösen, ändern sich immer wieder, was vor allem das Marketing herausfordert. Wir arbeiten hier mit einer versierten Agentur zusammen, die uns dabei unterstützt. Leider ist auch hier Corona ein Bremsklotz, mit dem wir von Monat zu Monat lernen, besser umzugehen.

Bei migo ist das Thema „Crossmedialität“ im Kern verankert. Was kann das in Ihrem Programmumfeld bedeuten?

Das Buch ist und bleibt sicher ein Kernprodukt bei migo. Aber wir sind sehr offen, was andere Kanäle, Contentformen und Vermarktungspotenziale angeht. Von Hybrid-Produkten wie Claude Momäh – das Mitmalfilmbuch, Apps, TikTok-Formaten und und und. Wir laden den Buchhandel ausdrücklich ein, mit uns gemeinsam zu agieren.

Gibt es bereits beispielhafte Produkte, die den Ansatz veranschaulichen?

Ich nehme einfach Claude Momäh als Beispiel: Das ist die Zukunft des multimedialen Buches. Kinder erleben, wie ihre selbst gemalten Bilder in einem professionell produzierten Trickfilm erscheinen und beschäftigen sich hierdurch auf mehreren Ebenen kreativ mit Inhalten. Das Mitmalfilm Malbuch und die sinnvolle Einbindung von Smartphones oder Tablets gibt Kindern ab vier Jahren wertvolle (Lese-)Impulse – und weckt das Interesse für die wunderbare Welt der klassischen Bücher. Das Potenzial ist riesig und das Konzept verbindet alles, wofür migo steht: Es ist innovativ, trendy, sinnvoll, nah an den Wünschen der Kinder und bietet eine Extra-Portion Spaß! Hinzu kommt, dass das Buch das erste haptische Ergebnis der CONTENTshift-Initiative des Börsenvereins ist – mit Nina Hugendubel und Per Dalheimer als Mentoren für das Start-Up. Davon abgeleitet ist es ein Ziel von migo, den Handel, vor allem jedoch Buchhänder*innen so unmittelbar wie möglich beim Entstehungsprozess mit einzubinden und als WunschFinder einzuladen.

migo setzt auch auf das Thema Kooperationen. Welche gibt es bisher – und auf welche Effekte setzen Sie damit?

Wir erreichen mit Kooperationen eine große Nähe zu den Zielgruppen und haben positive Awareness- und Reichweiten-Effekte. Kooperationspartner sind unter anderem Josera im Bereich Petfood, Fox & Sheep im Bereich digitale Produkte und Jump House im Bereich Activity. Über unsere zahlreichen Medien- und Aktionspartner kommunizieren wir an Hotels, Entertainment-Partner, Blogger*innen, Influencer, Kindergärten, Schulen, Ärzte und Praxen etc. 2021 werden wir das noch weiter forcieren.

Können Sie schon verraten, um welche Trends es 2021 gehen wird?

Hobby Horsing und Bushcrafting sind zwei Schwerpunktthemen, zudem werden wir die Ninjas zu einem Highlightthema für Kinder machen. Das sind alles Ergebnisse aus unseren Umfragen und unter anderem unserem Event „Family Trends“. In diesem Jahr hatten wir dort die Zeitgeist- und Trendforscher*innen Kirstine Fratz, Ulrich Köhler (Trendbüro) und Kai Gondlach zu Gast.

Worauf freuen Sie sich im nächsten Jahr am meisten?

Wenn wir es schaffen, wieder zu so etwas Ähnlichem wie einem Normalzustand zu kommen. Auf persönliche Gespräche, Meetings, Messen und sämtliche andere Events ­– so modern die Arbeit und Kommunikation am mobilen Arbeitsplatz und Themen wie Zukunft der Arbeit auch sein mögen.

Die Fragen stellte Jörn Meyer

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