Das Sonntagsgespräch Nikolaus Hansen: „Übersetzung ist Völkerverständigung – ihre Bedeutung ist gar nicht hoch genug einzuschätzen!“

Die Heinrich Maria Ledig-Rowohlt- Stiftung hat während der diesjährigen Buchmesse zum 25. Mal ihre hochdotierten Übersetzer-Preise verliehen – den Scheerbart-Preis für Lyrik-Übersetzungen, den Jane Scatcherd-Preis für Übersetzungen aus anderen Sprachen als dem Englischen und den HMLR-Preis für Übersetzungen aus dem Englischen. Es war der Wunsch des Verlegers Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, die oft unterschätze Arbeit der Übersetzer literarischer Werke mit einem jährlichen Förderpreis zu unterstützen.  Das war Anlass dafür, mit Nikolaus Hansen, dem Jury Vorsitzenden der Stiftung, über  Herausforderungen und die Wichtigkeit heutiger Übersetzer zu reden.

 

BuchMarkt: Was ist das Ziel der Stiftung?

Nikolaus Hansen: "Übersetzer werden, auch wenn die Bedeutung ihrer Arbeit inzwischen besser verstanden wird, als Personen noch immer nicht angemessen gewürdigt."
Nikolaus Hansen: „Übersetzer werden, auch wenn die Bedeutung ihrer Arbeit inzwischen besser verstanden wird, als Personen noch immer nicht angemessen gewürdigt.“

Nikolaus Hansen: Es ist längst kein Geheimnis mehr,  kein Geheimnis mehr in der Branche, auch kein Geheimnis mehr beim Leser und auch beim Buchkäufer, dass die Qualität von Übersetzungen von entscheidender Bedeutung für den Lesegenuss, aber auch für die authentische Erfassung eines Textes ist.

Trotzdem genießen Übersetzer kaum öffentliche Wahrnehmung. Sie werden kaum wahrgenommen..

Ja, obwohl ihre urheberrechtliche Leistung juristisch längst anerkannt ist, werden Sie immer noch nicht konsequent auf Buchcovern genannt, sie werden, auch wenn die Bedeutung ihrer Arbeit inzwischen besser verstanden wird, als Person noch immer nicht angemessen gewürdigt. Ziel der Heinrich Maria Ledig Rowohlt Stiftung ist es, indem wir herausragende Übersetzungen auszeichnen, Übersetzern eine Bühne, eine Öffentlichkeit ein Zeichen der Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Leistungen geben – und natürlich möchten wir auch einen finanziellen Beitrag leisten, denn Übersetzungen sind gerade da, wo es um komplexe Texte und literarische Finesse geht, noch immer sündhaft schlecht bezahlt – die drei Übersetzerpreise der HMLR-Stiftung sind sehr gut dotiert.

Was bedeutet Übersetzung heute?

Deutschland ist das Land, in dem, weltweit, die meisten Übersetzungen erscheinen. Das gibt uns Zugang zu anderen Kulturen, deren Denken, deren Identitäten. Gerade heute, da sich eine Neigung zur Abschottung, zur nationalen (und damit auch sprachlichen) Isolation Bahn zu brechen droht, ist es von großer Bedeutung, dass wir die Möglichkeit erhalten, die und das Fremde zu erleben, zu durchdringen, zu verstehen – die Literatur anderer Welten ins Deutsche zu übertragen ist ein wesentlicher Beitrag, die Voraussetzungen für eine solche Durchdringung, für ein solches Verständnis zu schaffen. Übersetzung ist Völkerverständigung – ihre Bedeutung ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Jane und Heinrich Maria Ledig-Rowohlt
Jane und Heinrich Maria Ledig-Rowohlt

Haben Sie noch Erinnerungen an Ledig?

Ich habe Ledig noch persönlich erlebt, Purzelbäume schlagend, Hof haltend auf dem Sofa in der Lobby des Hessischen Hofes während der Frankfurter Buchmesse. Als ich mich mit ein paar Freunden Ende der Achtziger Jahre daran machte, den Kellner Verlag zu gründen, legte mir Ledig die Hand auf die Schulter und sagte, „Junger Mann, lassen Sie die Finger davon, die Verlegerei ist aussichtslos“, um mir dann eine Stunde lang eindringlich von den Herrlichkeiten seines eigenen Verlegerlebens zu erzählen. Zum Glück habe ich nicht auf seinen Rat, wohl aber auf seine Schwärmereien gehört… Später habe ich beim marebuchverlag einen Band mit Updike-Gedichten verlegt – viele in Übersetzung von Ledig. Der Preis trägt zurecht seinen Namen – er war ein großartiger Übersetzer.

Und warum findet das Dinner immer im Hessischen Hof statt?

Preise gewinnen ihre Bedeutung ganz wesentlich durch den Rahmen, in dem sie verliegen werden. Der Friedenspreis, der Nobelpreis – wir alle kennen das. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, während der trubeligen und hektischen und fahrigen Frankfurter Buchmesse einen Abend zu gestalten, an dem sich achtzig Verlegerinnen und Verleger, Agentinnen und Agenten, Übersetzerinnen und Übersetzer von Rang aus dem In-und Ausland in einem Raum versammeln und bei einem schönen Abendessen drei Preisverleihungen mit Laudationen und Dankesreden beizuwohnen – das bedeutet Konzentration, das bedeutet einzutauchen in Fragen der Übersetzung, der Sprache, der Eigenheit anderer Kulturen.

Ich habe an einer ganzen Reihe dieser Abende bisher teilnehmen dürfen. Jeder ist mir in Erinnerung geblieben als Abend, der innerhalb des hektischen Messegeschehens zum Innehalten anhielt..

Dann ist gelungen, was wir uns jedes Jahr vornehmen. Andreas Nohl, der diesjährige Ledig-Preisträger, hat zum Beispiel in seiner Rede das ( schwer begreifliche und in der Literatur-Exegese heftig diskutierte) Ende von Mark Twains ‚Huckleberry Finn‘ in Zusammenhang mit der Passionsgeschichte gebracht – ein Meisterstück von Literaturverständnis, das keiner der Anwesenden jemals vergessen wird. Es sind solche Reden und Momente, die man nicht planen kann, die aber immer wieder passieren bei den Preisverleihungen der Ledig Stiftung, die unser Preisdinner so unvergleichlich machen. Und der Hessische Hof ist deswegen der richtige Ort, weil Ledig hier residiert hat, weil er quasi noch physisch anwesend ist bei diesem denkwürdigen alljährlichen Preisdinner.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Klaus Altepost über „gute Bücher als Botschafter einer besseren Welt“

 

 

 

 

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