Das Sonntagsgespräch Oliver Zille über die zurückliegende Leipziger Messe und die Herausforderungen in der Zukunft

Oliver Zille

Vom 12. bis zum 15. März 2009 fand die diesjährige Leipziger Buchmesse statt. Im Gespräch mit buchmarkt.de blickt Oliver Zille, Direktor der Leipziger Messe, zurück auf die letzte Veranstaltung, zieht Bilanz und denkt über die Herausforderungen in der Zukunft nach.

buchmarkt.de: Herr Zille, die Leipziger Messe 2009 liegt nun bald vier Wochen zurück. Die wirtschaftliche Lage ist derzeit schwierig. Was für eine Bilanz ziehen Sie?

Oliver Zille: Wir als Macher haben die Veranstaltung als einen sehr erfolgreichen und dabei insgesamt eher unaufgeregten Jahrgang erlebt. Dabei war bei der gegenwärtigen konjunkturellen Lage in der Gesamtwirtschaft der Erfolg tatsächlich keineswegs so absehbar wie in den vergangenen Jahren. Täglich tun sich immer größere Löcher auf, in denen die Welt versinkt, und das hat natürlich schon den Optimismus gedämpft. Ganz zu schweigen, was einem Veranstalterkollegen von Buchmessen im Ausland berichten.

Um so mehr haben wir uns gefreut, dass wir von unseren Ausstellern für diese Leipziger Buchmesse durchweg gute Noten bekommen haben und viele Dinge, die wir uns vorgenommen und an denen wir übers Jahr gearbeitet haben, auch aufgegangen sind.

buchmarkt.de: Wie zum Beispiel?

Oliver Zille: Zunächst einmal ist unser gesamtes Besuchermarketing sehr gut aufgegangen. Die Zahl der Fachbesucher hat sich um mehr als ein Viertel auf 43.000 erhöht. Dabei ist die Resonanz bei Buchhändlern stabil geblieben, von denen erstmals deutlich über 50% aus den alten Bundesländern bzw. Österreich und Schweiz gekommen sind.

Überproportional zugelegt haben bei den Fachbesuchern vor allem Lehrer und Erzieher. Aber eine regelrechte Überraschung war für uns, dass die Gesamtbesucherzahl gleich um 14 % auf 147.000 angestiegen ist. Damit hatten wir nicht gerechnet. 60% der Besucher sind dabei aus einer Entfernung von über 100 km gekommen, 25 % aus den alten Bundesländern.

buchmarkt.de: Also eine durchweg positive Resonanz auf Seiten des Publikums.

Oliver Zille: Ja, aber auch die Aufmerksamkeit auf Seiten der Medien ist nochmal gestiegen. In diesem Jahr haben sich über 2.900 Journalisten aus 23 Ländern akkreditiert. Damit konnte die Messe auf jeden Fall zwei wichtige Aufgaben erfüllen: Dem Buchmarkt kräftige Impulse geben und den besonderen Wert des Mediums Buch für die Gesellschaft öffentlichkeitswirksam hervorheben.

Zur positiven Publikumsresonanz hat natürlich auch beigetragen, dass unser Lesefest Leipzig liest in diesem Frühjahr mit einem sehr starken Programm aufwarten konnte. Das verdanken wir dem Engagement der Verlage.

Ganz besonders hat mich aber gefreut, dass unser erstmals gemeinsam mit dem Börsenverein organisierter Karrieretag Buch und Medien so gut bei den Jugendlichen angekommen ist. Das war Branchenmarketing im besten Sinne des Wortes.

buchmarkt.de: Die Messe scheint insgesamt von jungen Leuten sehr gut angenommen zu werden.

Oliver Zille: Die Zahl der Jugendlichen unter 18 Jahren ist seit 3 Jahren mit einem Anteil von etwa 27.000 Besuchern relativ stabil. Davon sind etwa 19.000 Schüler, die die Messe im Klassenverbund besuchen. Der Anteil der Cosplayer mit ihren teils sehr skurrilen Kostümen ist leicht gestiegen. Und da die sich, ob des außergewöhnlichen Fotomotivs besonders gerne in der Glashalle aufhalten, hat auch jeder Besucher das Gefühl, die Kostümierten wären überall. Alle diese Jugendlichen gehören für uns zwingend dazu. Spass am Buch zu vermitteln und Leseförderung zu betreiben, sehen wir als eine unserer vornehmlichsten Aufgaben.

buchmarkt.de: Also heißt das Motto fürs nächste Jahr: „Weiter so“? Oder wo sehen Sie Aufgaben für die Zukunft?

Oliver Zille: Natürlich gibt es auch immer neue Herausforderungen. Eine der größten für uns ist, die Balance zwischen Fach- und Publikumsveranstaltung zu halten. Nach dieser Messe heißt das für uns, das bestehende Logistikkonzept weiter zu überarbeiten und dabei darauf zu achten, dass die Fachbesucher auch bei steigender Publikumszahl zu ihrem Recht kommen. Der eigene Fachbesuchereingang im Kongresszentrum und die Fachzentren in den Hallen waren in der Vergangenheit schon Maßnahmen in dieser Richtung. Trotzdem werden Fragen nach exklusiverer Behandlung der Fachbesucher drängender. Deshalb werden wir – auch in Abstimmung mit den Ausstellern – hier sicher noch zulegen.

buchmarkt.de: Letztes Jahr war das Schwerpunktthema der Messe „Kroatien“. Dieses Jahr gab es kein Schwerpunktthema. Gibt es nächstes Jahr wieder eins?

Oliver Zille: Mittel- und osteuropäische Literatur ist unser permanenter Schwerpunkt. Und das soll auch in der Zukunft so bleiben. Sei einigen Jahren kümmern wir uns besonders um die Region Südosteuropa. Wenn es passt, die Finanzierung steht und engagierte und durchsetzungswillige Partner gefunden sind, kann es da künftig in bestimmten Abständen auch weitere Schwerpunktländer geben.

Einen inhaltlichen Schwerpunkt, zu dem die Mittel- und Osteuropäer auch beigetragen haben, hatte die Messe aber schon: 20 Jahre friedliche Revolution. Es gab in diesem Frühjahr dazu eine ganze Flut von Neuerscheinungen sowohl in der Belletristik als auch im Sachbuch und im Kinder- und Jugendbuch. Viele bekannte Akteure von damals waren jetzt zum Jubiläum in Leipzig auf der Messe dabei. Gerade hier in Leipzig bleibt das natürlich ein Thema, bis in den kommenden November hinein.

buchmarkt.de: Auch das e-Book war ein beherrschendes Thema auf der Messe.

Oliver Zille: Das war schon im Vorfeld der Messe ein ziemlicher Medienhype. Sicher auch befeuert von dem zur Messe gerade neu auf den Markt gekommenen e-book-reader von Sony. Die meisten buchhändlerischen Fachveranstaltungen auf der Messe haben sich dann auch darum gedreht.

Viele Fragen zu diesem Thema sind im Moment ja noch offen; nur eines scheint klar: Am e-Book geht auch für Publikumsverlage künftig kein Weg vorbei. Es ist eine Chance für zusätzliches Geschäft und man muss sich jetzt damit beschäftigen.

Als Messe halten wir es aber ansonsten mit dem alten Bauhaus-Motto: Die Form folgt dem Inhalt. Für Messe und Festival sind die Autoren unsere Stärke, und auf die konzentrieren wir uns auch in der Zukunft.

buchmarkt.de: Wie sehen Sie die Messe nach der diesjährigen Veranstaltung positioniert?

Oliver Zille: Wir haben auch in schwierigen Zeiten unsere Position am Markt gefestigt. Unser Konzept, Literatur und Bildung zu verknüpfen und mit dem Lesefest Leipzig liest auch die ganze Stadt in die Messe einzubeziehen, funktioniert, und darauf können wir weiter aufbauen.

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