Das Sonntagsgespräch Ralf Alkenbrecher: E-Book – ist der Hype vorbei?

Ralf Alkenbrecher

Ralf Alkenbrecher, bis Ende 2008 Geschäftsführer von ars edition und vorher von Prestel, ist mit seiner Beratungsfirma Verlagsberatung @ Digitale Medien einer der wenigen Experten zum Thema E-Book – im heutigen Sonntagsgespräch zieht er eine erste Bilanz.

BUCHMARKT: Es sind nun drei Monate seit dem Start des Sony-Readers in Deutschland vergangen, das Thema der Buchhändlertage in Berlin war die „Digitalisierung“, aber hat man nicht trotzdem den Eindruck, dass es ganz schön ruhig um das Thema „E-Book“ geworden ist?

ALKENBRECHER: Ja, es ist ruhiger geworden – zum Glück.

BUCHMARKT: Warum zum Glück?

ALKENBRECHER: Im Rückblick muss man sagen, dass besonders durch die intensive Berichterstattung der Fachpresse wie auch der Feuilletons eine Erwartung geweckt wurde, die an den Hype um das erste Apple iPhone erinnern und die nicht erfüllt werden konnten. Hinzu kommt, dass viele Publikumsverlage und auch Dienstleister schlichtweg im März nicht fertig waren.

BUCHMARKT: Also eine schlechte Vorbereitung des Starts?

ALKENBRECHER: Nein. Klar, es gibt ein paar Punkte, wie zum Beispiel die Einbindung des Buchhandels, die man hätte besser vorbereiten können. Aber ganz im Gegenteil, ich kenne eine Menge Dienstleistungs- und Verlagskollegen, die in den letzten sechs Monaten Großartiges geleistet haben – warten Sie da mal noch ein paar Monate die Ergebnisse ab. Die Wissenschaftsverlage hatten es deutlich leichter, sie konnten, ohne in der Öffentlichkeit zu stehen, langsam ihre Produktion auf E-Books umstellen.

BUCHMARKT: Da muss ich nachfassen, Random House meldet in einer Pressemitteilung, dass man „mehrere tausend“ E-Books verkauft habe, bekannt ist aber auch, dass Random House knapp 1.500 Titel erstellt hat, das heißt, im Schnitt wurden wohl eher 5 denn 10 Exemplare verkauft. Auch Lingenbrinck hält sich mit Informationen zu Verkaufserfolgen deutlich zurück.

ALKENBRECHER: Richtig, aber deutlich zu kurz gesprungen. Es gibt keine offiziellen Reader-Verkaufszahlen, aber ich halte eine fünfstellige Verkaufszahl per heute für gerade erreicht. Woher sollen da große Download-Zahlen kommen? Und sehen wir es positiv: Die auch heute schon verfügbare Titelanzahl ist doch ein Vielfaches der Zahlen von Sony Data Discman, RocketBook oder ähnlichen Versuchen der Vergangenheit.

Nun geben Sie dem Markt bitte noch 12 Monate – das Taschenbuch war auch nicht kurz nach der Einführung sofort ein großer Verkaufserfolg, und beim Taschenbuch handelte es sich nur um eine neue Bindeart und nicht um ein immaterielles Gut mit vielen eigenen Gesetzen.

BUCHMARKT: Wo hakt es denn nach Ihrer Meinung?

ALKENBRECHER: Die Verlage haben den Aufwand für das Einholen der Rechte und die Probleme der Konvertierung unterschätzt. Kaum hatte man sich in diese Thematik eingearbeitet, wurde das Thema „iPhone als Reader“ gehypt. Viele Verlage haben das Thema „E-Book“ nicht zur Chefsache erklärt, sondern „es läuft so als Test nebenher“.

Für den Markt war es nicht gut, dass praktisch nur eine der drei großen Publikumsgruppierungen mit großem Engagement sofort E-Books präsentieren konnte. Wer sich beim Kauf neuer E-Books an der Spiegel-Bestseller-Liste orientiert, wird nur in wenigen Fällen fündig, und dies frustriert die Reader-Käufer, wie man in einschlägigen Internet-Foren lesen kann.

Auch der Buchhandel hat eher an die Probleme denn an die Chancen bei diesem Geschäft gedacht. Aber noch können wir dies korrigieren.

BUCHMARKT: Wann kommt eigentlich der Kindle nach Deutschland?

ALKENBRECHER: Dies werde ich so ungefähr einmal pro Woche gefragt. Amazon ist sehr beschäftigt, seine Vorherrschaft im USA-E-Book-Geschäft gegenüber Apple zu sichern. Amazon liefert schon kurz nach der Vorstellung seit dem 10. Juni den Kindle DX, der aber den Buchhandel wenig tangieren wird. Apple hat am 9. Juni auf der WWDC in San Francisco gemeinsam mit der Firma Scroll-Motion eine auf iPhone OS 3.0 optimierte Reader-Software vorgestellt.

Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass Amazon auch bei uns im Herbst startet, der Kindle2 ist technisch für den europäischen Markt vorbereitet. Und dieser Start wäre gut für den gesamten E-Book-Markt.

BUCHMARKT: Ein proprietäres, monopolistisches System soll gut sein für die gesamte Branche?

ALKENBRECHER: Ja, denn ich erwarte eine große Werbe- und Pressekampagne mit neuer Aufmerksamkeit beim potenziellen Reader-Käufer, eine Vervielfachung der verkauften Geräte und damit einen deutlichen Nachfrageanstieg nach E-Books.

Und: Verlage, die jetzt schon über Erfahrungen mit E-Books und entsprechend aufbereitete Daten verfügen, werden schnell auf das Drängen nach Inhalten von Amazon reagieren können. Dies lege ich meinen Kunden nahe, und man kann es jetzt schon am Beispiel des iPhone sehen: Verlage, die ihre Daten schon jetzt neutral vorrätig halten, können viel schneller auf neue Geräte, neue Anbieter reagieren und erarbeiten sich einen Wettbewerbsvorteil. Daher ist es für die Verlage letztlich auch nebensächlich, ob sich der Sony-Reader, der Kindle oder das iPhone durchsetzen, die eigentliche Frage ist: Wie und wann der Verlag in die neutrale Verfügbarkeit seiner Daten investiert, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

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