Eine Lektorenlegende: Fast 25 Jahre war er an der Seite von Karl Blessing Rolf Cyriax (80)

Heute wird Rolf Cyriax achtzig Jahre alt. Dem langjährigen Blessing-Lektor
gratuliert Blessing-Verlagsleiter Holger Kuntze:

Gruppenbild mit Lektor: Rolf Cyriaxn (vorn) umrahmt von Bruno Jonas, Gerhard Polt, Matthias Beltz, Dieter Hildebrandt, Karl Blessing und Hanns Dieter Hüsch auf der Frankfurter Buchmesse 2001 (c) Christine Strub

 

Im August 2013 war ich ein paar Tage sehr nervös: Das erste Treffen mit Rolf Cyriax stand an. Rolf war eine Legende, begegnet waren wir uns aber in den Jahren davor nie. Nun war ich Verlagsleiter des Blessing Verlages und Rolf Cyriax, obwohl seit 2007 im Ruhestand, immer noch höchst aktiv für das Haus.
Ein Mittagessen in der Münchner Goethestraße sollte uns einander näher bringen, neue Projekte wollten besprochen werden und Dieter Hildebrandt hatte gemeinsam mit Rolf eine neue Buchidee entwickelt, die schon im Frühjahr des folgenden Jahres erscheinen könnte. Viel Stoff also und vielleicht ein bisschen zu  viel Stoff für ein erstes Treffen, da ich mir noch gar nicht so sicher war, ob und wie es mit den Kabarettisten bei Blessing weitergehen konnte. Denn dafür stand und steht Rolf Cyriax wie kein zweiter in der gesamten deutschen Buchbranche: das Kabarett und Bücher mit Kabarettisten sind seine Passion, seine Herzensangelegenheit und er hat quasi im Alleingang in den 1980/1990ern damit ein Buchgenre erfunden und geprägt.
Doch zurück zu unserem Mittagessen: Keine zwei Minuten nachdem wir am Tisch saßen, entdeckten wir unsere gemeinsamen pfälzischen Wurzeln. Rolf wurde am 15. Februar 1938 in Ludwigshafen geboren, ich stamme aus der Südpfalz. Das Eis war gebrochen.  Bücher und Projekte konnten warten und  wir sprachen über  unsere Lieblingsorte und Lieblingswinzer in der Pfalz und schlossen einander sofort ins Herz. Zudem hatte Rolf eine bewegte und erfüllte Verlagskarriere in der großen, wilden  Zeit der 1970er/1980er/1990er Jahren erleben dürfen und ich konnte mich nicht satthören an diesen Geschichten:
Obwohl sein Vater Chemiker und seine Mutter Hausfrau war, wuchs Rolf mit seinem Bruder in einem sehr musisch-literarischem Elternhaus auf, sein Bruder wurde Flötist im Mannheimer Nationaltheater und Rolf entschied sich für ein Studium der Germanistik und Anglistik, das ihn auch erstmalig in seine geliebte spätere Wahlheimat München führte. 1968 promovierte er sich in Freiburg/Breisgau mit einer Arbeit zu William Somerset Maugham, um im gleichen Jahr als Pressesprecher der deutschsprachigen Fassung des Musicals Hair erst einmal buchfern zu arbeiten. Nachdem Hair 1972 pleite ging und das Hippieleben an Reiz verloren hatte ging es zum Süddeutschen Verlag, zu dem damals auch noch die Buchverlage List und Südwest gehörten, und damit endgültig und fest nach München. Nach Stationen in der Pressestelle kam 1979 der Wechsel ins Lektorat, wo sich Rolf seiner zweiten großen Liebe, den Cartoons und Karikaturen, widmen konnte. Die ersten Bücher mit Dieter Hanitzsch erschienen, Rolf begründete die Buchreihe Scherz, Satire und Cartoon beim Südwest Verlag  und unzählige Humorbücher unter der Herausgeberschaft von Rolf Cyriax mit so wunderbaren Titeln wie: Lachen bis der Arzt kommt, Lachen ist die beste Medizin oder Vorsätzlich heiter erblickten das Licht der Buchwelt. 1982 dann der Wechsel zu Droemer  in die Rauchstraße. Dort war Rolf auch für das politische Sachbuch zuständig und ein Vierteljahr nach Rolf kam Karl Blessing in den Verlag, der als Verleger die kommenden beiden Jahrzehnte Rolf die Treue hielt und umgekehrt.

Als Karl Blessing 1995 bei Droemer fristlos beurlaubt wurde und seinen eigenen Verlag gründete war Rolf an seiner Seite und der Blessing Verlag wurde zur neuen Heimat der deutschsprachigen Kabarettszene, die ebenfalls ihrem Verleger und ihrem Lektor in den neuen Verlag gerne folgten. Rolf Cyriax betreute über die Jahrzehnte auf der einen Seite Egon Bahr, Herbert Riehl Heyse oder Valentin Falin und erfand auf der anderen Seite Bestseller gemeinsam mit Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder, Hanns Dieter Hüsch, Matthias Beltz, Bruno Jonas, Urban Priol, Georg Schramm, Peter Ensikat und vielen anderen. All diese Autoren sprachen und sprechen von Rolf niemals von ihrem Lektor sondern immer von ihrem Freund und Lektor, immer war Rolf zu 150 Prozent engagiert, persönlich, fachlich, als Kenner der Buchbranche, als Experte und Liebhaber des Kabaretts, als Freund und Mensch.

Rolf Cyriax „life“ – in einer Zeichnung von Dieter Hanitzsch

 

Die Münchner Lach- und Schiessgesellschaft wurde ihm zum zweiten Zuhause, kein Künstler, kein Programm, das er nicht kannte, aus dem er nicht bis heute zitieren kann. Er war und ist ein Verlagsfeierbiest und auch das schätzten seine Autoren sehr an ihm. In Konsequenz hatte Rolf zwar irgendwann einmal einen Führerschein gemacht, besaß aber nie ein Auto, fuhr niemals Auto und weiß bis heute nicht, wie man ein Auto fährt: einem letzten Glas Wein stand entsprechend nie etwas im Wege. 2007 schied Rolf Cyriax nach fast 30 Jahren kreativer und erfolgreicher Lektoratstätigkeit aus dem aktiven täglichen Verlags- und Schreibtischdienst, fast 25 Jahre mit und an der Seite von Karl Blessing, der 2005 viel zu früh verstorben war. Doch Rolf blieb weiterhin rege, betreute seine Autoren weiter, inspirierte Dieter Hildebrandt immer wieder zu neuen Buchideen, tummelte sich neben den Kabarettbühnen des Landes, schrieb Liebesbriefe an neue Autoren, die er für Blessing gewinnen wollte und war weiterhin ein gern gesehener Aktivposten im Haus. Ottfried Fischer vertraute Rolf Cyriax die Gesamtbetreuung seiner Bücher an, auch wenn diese leider nicht bei Blessing erschienen sind. Und 2013, als wir zusammen saßen, planten wir ein neues Buch von Dieter Hildebrandt, der dann leider für uns alle überraschend im November 2013 verstarb. Rolf edierte und komponierte das Buch in Zusammenarbeit mit Renate Hildebrandt vorzüglich bis zur Drucklegung und im Mai 2014 erschien: Letzte Zugabe von Dieter Hildebrandt und stürmte die Bestsellerlisten. 2017 erschien dann zum 90. Geburtstag von Hildebrandt Rolfs editorische Meisterleistung: Was aber bleibt. Texte aus fünf Jahrzehnten,  ein Band, der das Lebenswerk von Dieter Hildebrandt wie kein Buch zuvor spiegelt und dokumentiert.
Und Rolf, der Eheman, der zweifache Vater und dreifache Großvater ist sich über all die Jahrzehnte treu geblieben, nicht zuletzt deshalb, weil er immer gelebt hat, was er geliebt hat: die Bücher, die Menschen, das Kabarett, die Karikaturen. Stets heiter und gleichzeitig verlässlich und präzise. Wenn der Mann im beigen Trenchcoat mit seiner Aktentasche in mein Büro kommt, freue ich mich immer. In seiner Tasche immer kleine Schätze, präzise lektorierte Texte, Fundstücke aus seinem Archiv. Unserem ersten Mittagessen folgten unzählige, regelmäßig verabreden wir uns mittlerweile am Frühabend und Rolf zeigt mir Münchner Kleinode mit beeindruckenden Weinkellern, wenn er nicht gerade auf ein paar Tage in London oder Wien ist, den beiden Städten, die er so liebt. Er ist heute wieder Avantgarde, da er beharrlich auf einen Computer oder eine Mailadresse* verzichtet, mit Festnetztelefon, auf Papier  und mit der Schreibmaschine seine Lektoratsarbeiten erledigt und dadurch ein Lektor der Extraklasse geblieben ist.

Lieber Rolf, danke, dass wir uns begegnen durften und miteinander arbeiten, danke für Deine Warmherzigkeit, Deinen Humor, Dein Wissen, Können und Wollen. Noch viele Jahre in bester Gesundheit und Munterkeit des Geistes. Die besten Wünsche und Grüße zu Deinem 80. Geburtstag sendet

Dein Holger

*Kontakt: Rolf Cyriax
Pognerstraße 22
81379 München

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