Runde Geburtstage Ruthild Spangenberg (80)

Heute wird Ruthild Spangenberg 80 Jahre alt. Der Gründerin des Berliner Bücherbogens gratuliert der Verlagsvertreter Peter Wolf Jastrow (buchArt Berlin).

Ruthild Spangenberg

Schönheit und Bewunderung zuerst, Respekt und Herausforderung bald, Angst und Sorge über Zeiten von Krise und Krankheit, fallen mir ein, wenn ich anlässlich eines Geburtstages, der nicht zu übergehen ist, (was sie bedauert), gefragt werde: wer und was Ruthild Spangenberg ist, für mich, für uns und für ein Leben in dieser Welt. Vielen wird es ähnlich gehen wie mir, und Dankbarkeit überschwemmt Herz und Kopf oder beides. Der Dank zunächst für das deutlich Sichtbare, dafür, dass sie als mutige junge Frau mit dem Berliner Bücherbogen eine der schönsten Buchhandlungen der Welt geschaffen und durch manche Krisen hinweg erhalten hat, einen Wohlbehagen spendenden Ort, einen Ankerplatz der Seele, an dem ich gar nicht genug Zeit verbringen kann und zu ihm so oft zurückkehre wie zu einem Zuhause. Den Weg dahin kenne ich im Schlaf, und falls ich tatsächlich mal Pensionär würde und brauchbar noch, wäre ich gern Aushilfe im Bücherbogen, statt alter Mann am Meer. Der war auf einem der ersten Bücher, die ich an Ruthild Spangenberg verkauft habe, unvergessen.

Auf und in etlichen anderen Bildbänden ist Spangenbergs außergewöhnliche Buchhandlung gewürdigt und so in die Kulturgeschichte der Branche eingerammt. Doch viel besser, als in Papier zu blättern und zu stauen ist es, die Aura dieses Ortes leibhaft und mit allen Sinnen zu erspüren und mit etwas Glück die der Senior-Chefin noch dazu. Dann dürfte jedem wachen Geist klar werden, dass die Präsentation von Büchern, und seien es die schönsten, und deren Versammlung zu kommerziellem Zweck allein noch längst nicht Kultur schafft, schon gar nicht eine Kultur- oder Kultstätte. Die entstehen erst mit Vermittlung und Hingabe und Klugheit passionierter, wohlgesonnener Menschen und in der Atmosphäre, die von ihnen erschaffen wird. Von Gespür und Geschmack dafür und dabei gar nicht zu reden.

Wer all das hat und wem es abgeht, kann wer mag bei einem Streifzug durch die vielfältige Buchhandelslandschaft der Hauptstadt mit großem Gewinn erfahren und weiß dann noch genauer, was er und wir am Bücherbogen haben und an Ruthild Spanngenberg, die man einst (oder schon jetzt) die legendäre Berliner Kunst-Buchhändlerin nennen wird, oder eine „Institution“, oder sie mit anderen zweiseitigen Medaillen schmückt, die erfolgreichen Alten angehängt werden, die geschafft haben, was sie doch wollten, oder das Beste daraus gemacht. So, wie es uns geschieht und gelungen ist, die wir uns im Sommer 1990 erstmal(s) skeptisch und distanziert beäugten, die Grande Dame aus Charlottenburg (Westberlin) und der in Sachen Buchhandel (und Kapitalismus) unbedarfte Quereinsteiger vom Prenzlauer Berg (Ostberlin) der sich unfreiwillig neues Auskommen in neuen kalten Land suchen musste. Freundschaft zu schließen hat gedauert, war Feinarbeit, über Narben des Lebens hinweg, die Zutrauen und Vertrauen für beide zu scheuen Gefährten gemacht hatten.  Statt auf Schönrederei (zwischen Verkäufer und Käufer übermäßig verbreitet) haben wir systemübergreifend Gespür dafür entwickelt, dass Wahrhaftigkeit nicht leicht, aber viel besser auszuhalten ist als alles andere. Und nach gut 30 Jahren der zweiten Lebenshälften dürfen wir uns bei der Gelegenheit auch dazu mal verdammt gratulieren! Da ist zusammen gewachsen und zusammengewachsen, wie wir es vielen nur wünschen können. Vorbildlich geradezu!

Bei der Würdigung öffentlicher Personen wird jener Teil des Lebens meist weggeblendet, der nicht öffentlich ist, und das ist gut so. Wenige Nahestehenden nur wissen immerhin, dass es noch viel mehr und nicht Geringeres zu würdigen gibt. Wissen, dass Ruthild Spangenberg neben Ihrem „Laden“, der ihr Leben ist, auch im stillen Privaten keine “halben Sachen“ macht und Stärke und Herz zeigt, wo großer Bedarf an beidem ist. Auch da darf man niederknien vor einer großartigen Frau, und deshalb darf es hier erwähnt sein.

Gesagt werden muss auch, Spanngenbergs Bücherbogen ist natürlich nicht nur der Ort einer einzigartigen und besonderen Frau, sondern der Ort vieler, an deren da sein, noch sein oder weg sein – wie man es auch wendet – Ruthild nicht ganz unschuldig ist. Viele haben sie lang und weit mitgetragen bis zum heutigen Tage und werden das weiter tun. Jene, die zuerst sagen darf, wir haben „die  80“ gemeinsam geschafft, ist Tochter Wanda, die als Co-Geschäftsführerin unverzichtbare Stärken einbringt. Die sind ihr gewachsen aus dem Leben und Arbeiten, dem Streiten und sich Verstehen mit der genialischen Individualistin, besessenen Arbeiterin und herausfordernden Mutter. Und schon in jungen Jahren konnte sie erkennen, wie man einen “Laden“ lenkt und führt, mit guter Energie, mit Vorbild und Zutrauen in sich selbst und die anderen. Und der genaue Beobachter kann erkennen, beide sind auf unterschiedlich langen Wegen zum gleichen guten Schluss gekommen. Zeiten des Drucks und der Anspannung, oft übermäßig beschwert durch die Last der Verantwortung, sind liebevoller Gelassenheit gewichen und gutem Humor auch. Auf allen Seiten.

Ruthild, es hat sich alles gut gefügt, das Feld ist bestellt, doch fertig ist es nie! Dass all dies so gelang und gedeiht, ist wohl das größte Glück, zu dem man nur gratulieren darf!

Was dagegen ist schon ein 80.Geburtstag! Wir feiern ihn heut, vergessen ihn morgen, aber wir sind noch da, wie immer, halten die Fahne hoch und durch! So lang es geht und solang es uns und den anderen noch Spaß macht, versprochen?!

Herzlich!

Peter Wolf Jastrow

Falls auch Sie gratulieren wollen: ruthild.spangenberg@t-online.de

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