Last-Minute-Tipps aus dem Buchhandel: „Eines dieser Bücher, nach dem man nicht weiß, was man jetzt lesen soll – was jetzt noch kommen soll“

Worauf setzen die Kolleg*innen im Buchhandel in diesem Weihnachtsgeschäft? Wir haben uns im aktuellen Dezember-BuchMarkt umgehört und nach den besten Schenk-Ideen und Umsatzbringern im Jahresendspurt gefragt. Hier eine Auswahl:

Saskia Thelen, Social Media Managerin bei Graff in Braunschweig,
empfiehlt: Maggie o‘ Farrell, Portrait einer Ehe, Piper

„Trotz der wenigen Fakten, die über Lucrezia de Medici bekannt sind, hat
die Autorin ihr kurzes Leben in einen opulenten und lebendigen Roman
verwandelt. Absolut lesenswert und mein Lieblingsbuch des Winters.“

 

Das Team der Buchhandlung Markus (Gütersloh) um Vera Corsmeyer empfiehlt: Kat Menschik/Jakob Hein, Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor medicinae Jakob Hein Illustrirtes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen, Kiepenheuer & Witsch

„Wir verschreiben als literarisches (Weihnachts-)Rezept, den garantiert nebenwirkungsfreien, neuesten Geniestreich aus der Feder Kat Menschiks! Gemeinsam mit Autor und Psychiater Jakob Hein begibt sie sich auf einen buchgewordenen Streifzug durch die Welt der psychoaktiven Flora. Ein psychedelischer Trip für Auge und Hirn in sechs durchgeknallten, eigens angemischten Farben, jedoch völlig ohne Substanzkonsum!“

„Sekt, keine Taschenbücher!“

Theresa Kleene von der Bücherinsel Dieburg stößt mit ihren Kund*innen an

„Wir nennen diese panischen Weihnachtskäufer ‚Desperados‘, und meist sind das ja Männer, die für jeden Tipp, auch für die teuren, sehr empfänglich sind. Vor etwa dreißig (!) Jahren haben wir erstmals mit den Dreien, die IMMER am 24. eine halbe Stunde vor Ladenschluss kamen, eine Flasche Sekt getrunken, ein wunderbares Ritual und mittlerweile ein Fest, das sich bis heute erhalten
hat. Wir laden dazu nicht ein, wir machen es nicht öffentlich, aber mittlerweile kommen etwa 70, 80 Leute und wir singen Weihnachtslieder, trinken sehr viel Prosecco und gerade die jungen Leute, die nicht mehr in der Stadt wohnen, nutzen unser ‚Desperado-Fest‘, um alte Freunde und Freundinnen zu treffen, bevor sie dann zuhause bei der Familie leicht angeschickert Weihnachten feiern. Das kann dann schon mal bis vier Uhr dauern, bevor die Letzten rausgekehrt sind.
Ein sehr sehr schöner Abschluss unseres Weihnachtsgeschäftes! Ein passendes Buch dazu? Die Tipps sind so vielfältig wie die Menschen, die danach fragen. Aber mit Taschenbüchern halten wir uns da auf keinen Fall auf!“

Rasmus Schöll von der Buchhandlung Aegis in Ulm, empfiehlt: Nino Haratischwili, Das achte Leben, HC Frankfurter Verlagsanstalt, als TB bei Ullstein

„Ja, es sind tausend Seiten – aber Nino Haratischwili hat mit dem achten Leben
für mich eines der großen Meisterwerke der neueren Literatur geschaffen. Nino erzählt anhand ihrer Familiengeschichte die Georgische Geschichte, welche eine Europäische Geschichte ist, die mich so tief berührt hat und bei uns in der Buchhandlung das einzige Buch ist, was wir kommentarlos zurücknehmen, wenn es jemanden nicht gefällt, was noch nie vorkam. Wenn man dieses Buch liest, holt mansich mehrere Probleme, zum einen kommt man sehr wenig zum schlafen, weil es einen so in den Bann zieht und man es einfach nicht weglegen kann. Zum anderen will man unbedingt nach Georgien um dieses Land auch in echt zu erleben, und zum Schluss ist es einer dieser Bücher, nach dem man nicht weiß, man jetzt lesen soll – was jetzt noch kommen soll … aber da kann ja zum Glück eine gute Buchhandlung weiterhelfen.“

Veit Hoffmann von der Buchhandlung Hoffmann in Achim empfiehlt:
Jonas Dahm | Carl Douglas, Geisterschiffe. Eine Reise zu den Wracks der
Ostsee, Malik


„Bei der richtigen Präsentation im Laden (auf das Licht achten!) verkauft sich dieser beeindruckende Bildband quasi von selbst.“

Beatrice Schmitt von der Bücherhütte Wadern empfiehlt: Dörte Hansen, Zur See, Penguin

„Endlich ist er da, …

…der dritte Roman von Dörte Hansen! Nach ihrem tollen Roman Altes Land und der erstklassigen Mittagsstunde endlich der Neue. Er spielt auf einer fiktiven Nordseinsel und er ist wieder großartig, jede Seite zum Genießen, Sätze zum Einrahmen und Gedanken, die bleiben. Unbedingt lesen, mein Tipp des Jahres, ich bin sehr begeistert! Und noch ein Tipp für ‚Nichtleser‘: Saarbotage von
Marion Demme-Zech – ein saarländischer Hunde-(Dackel-)Krimi, kurzweilig für alle, die sich hier bei uns im Saarland auskennen, zum Wiedererkennen und Wiederentdecken der bekannten Orte im neuen mörderischen Zusammenhang. Und für alle, die sich hier noch nicht auskennen: Ein schöner, humorvoller Einstieg in die saarländische Seele und in viele bekannte saarländische Orte. Und für alle anderen: ein witziger Hundekrimi, Dackel Günther ist Kult. Geht auch für Nichtleser, weil‘s ja quasi ein Reiseführer ist.“

Matthias Mayer, Herrn Mayers Buchladen in Langenselbold: Velma Vallis, Zwei alte Frauen, Piper

„Alte Indianergeschichte. Der Stamm muss weiterziehen, es ist ein harter Winter. Die beiden ältesten und schwächsten Frauen müssen ausgesetzt werden, damit der
Stamm überleben kann. Tradition verlangt Opfer. Aber Tradition verlangt ja nun
nicht, dass man in der ersten Nacht gleich sterben muss: ‚Wir sind zwar zwei alte
Frauen, aber wir wissen, wie man ein Feuer macht, wir wissen, wie man eine Falle
baut.‘ Und so vieles, vieles mehr. Begleiten wir die zwei alten Frauen durch ihren
Winter. Das verkaufe ich stapelweise. Jedes Jahr.“

Mein Geschenktipp für Nichtleser“

Sylvia Anderle von der Buchhandlung Lünebuch in Lüneburg:

„Der Desinformator von DuMont! Der ist so lange so richtig lustig, bis
einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Ich hab‘s an meinen Kolleginnen
getestet. Schon aufgrund der Spiralbindung für Nicht-Leser
ziemlich unverdächtig, 3 x 50 Karten die zu 125.000 gar nicht mal so
abwegigen Verschwörungstheorien gemixt werden können. Ein großer
Spaß mit ernstem Hintergrund, erkennt man doch beim Blättern und
Kombinieren ziemlich schnell, wie Verschwörungstheorien und andere
Mythenbildungen sprachlich aufgebaut sind. Politische Aufklärung
also inklusive. Und nicht zu vergessen: Der Trump-Clan, die
Antifa und der immer noch ungeimpfte Bill Gates sind sich einig:
Dieses Buch gehört unbedingt in jeden Haushalt! Und: Bei unserem 13. Lüneburger Krimifestival habe ich Johannes Groschupf für mich entdeckt!
(Darf man den Preisträger des Deutschen Krimipreises eigentlich
‚Entdeckung‘ nennen?) Groschupf ist ein fantastischer Leser und sein
neuer Thriller Die Stunde der Hyänen (Suhrkamp) hat es definitiv
in sich. Absolute Leseempfehlung und aus Veranstaltersicht top!“

 

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