Das Sonntagsgespräch Sönke Schulz: Über Self-Publishing-Geschäftsmodelle und die Zukunft von und mit E-Books

Die Berichte und Artikel zum Thema E-Books und Self-Publishing Verlagen häufen sich; erst kürzlich verkündete Amazon, nun auch in Europa verlegerisch aktiv werden zu wollen. Für BuchMarkt Grund genug, mit Sönke Schulz, Geschäftsführer vom Self-Publishing-Dienstleister tredition, über das Geschäftsmodell „Self-Publishing“ speziell und über die Zukunft von E-Books allgemein zu sprechen.

BuchMarkt: Können Self-Publishing-Geschäftsmodelle, die sich ausschließlich auf eBooks fokussieren, langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein?

Sönke Schulz

Sönke Schulz: Nein, eine von uns durchgeführte Marktanalyse zeigt, dass Self-Publishing-Geschäftsmodelle, die sich ausschließlich auf eBooks fokussieren, auch langfristig wirtschaftlich nicht erfolgreich sind. e-Book-Self-Publishing unterscheidet sich von in traditionellen Verlagen publizierten Werken vor allem im Preisniveau. Eine Analyse der bei Amazon lieferbaren e-Books von epubli, neobooks, bookrix und tredition ergab einen durchschnittlichen Nettoladenpreis von nur 4,22 €. Nach Abzug von Handelsrabatten, Kosten der Auslieferung und Autorenhonorar, bleibt den untersuchten Self-Publishing-Anbietern lediglich eine Verlagsmarge von 0,52 € pro verkauftem e-Book. Eine Studie der Unternehmensberatung Kirchner + Robrecht (Berlin) geht für 2013 von 12,78 Mio. verkauften e-Book-Exemplaren in 2013 aus. In 2013 werden ca. 850.000 in Deutschland erhältlich (aktuell laut Libreka knapp 600.000) sein.

Und das bedeutet nun was genau?

Das bedeutet, dass in 2013 pro lieferbarem e-Book Titel nur 15 Exemplare pro Jahr verkauft werden. Den untersuchten Self-Publishing-Anbietern bleiben also aufgrund des niedrigen Preisniveaus lediglich 7,80 € Verlagsmarge pro im e-Book-Handel lieferbarem Titel pro Jahr. Zieht man davon den Aufwand für Autorengewinnung, -betreuung, Vermarktung der Titel und Kosten der IT-Infrastruktur ab, so ist es immer ein Verlustgeschäft. Die Rechnung geht nur auf, wenn die Inhalte gleichzeitig auch als print-Werk angeboten werden. Unter Berücksichtigung, dass der e-Book-Umsatz im Buchmarkt insgesamt nur zwei bis drei Prozent ausmacht, ist nachvollziehbar wie wichtig print auch im Self-Publishing ist.

Was macht ihr Verlag denn anders als andere Self-Publishing-Verlage? Was ist ihre Lösung des Finanzierungsproblems?

Das Finanzierungsproblem entsteht, da 97 Prozent des Marktes, nämlich die Käufer von gedruckten Büchern, nicht erreicht werden. Grundsätzlich veröffentlichen wir unsere eigenen Self-Publishing-Bücher und die Titel unserer „White-Label“-Kunden immer als Paperback, Hardcover und als e-Book und vertreiben diese weltweit. tredition ist in erster Linie Verlagsdienstleister. Unsere Kunden sind traditionelle Verlage, neu gegründete Verlage, Universitäten, Medienunternehmen, Self-Publishing-Anbieter u.v.m. Unseren Kunden stellen wir ein umfassendes Publishing-Portal als „White-Label“ zur Verfügung und übernehmen die komplette Abwicklung der Veröffentlichung, Abrechnung etc. Beispiele sind www.windsor-verlag.com oder das gerade von der Kamphausen Mediengruppe gestartete www.tao.de, aber auch zahlreiche Tageszeitungen wie z.B. das Hamburger Abendblatt (www.norddeutschereihe.de) oder die Neue Westfälische (www.nw-buch.de).

Und wie sieht die angebotene Betreuung aus?

Unser Lektorat prüft jedes Werk vor der Veröffentlichung anhand festgelegter Qualitätskriterien und wir übernehmen für jedes bei uns veröffentlichte Werk aktiv auch die Pressearbeit. Dabei legen wir Wert darauf, die klassische Distribution über Barsortiment und Sortiment wie auch die Online-Absatzwege abzubilden. Dieses Angebot nehmen auch immer mehr traditionelle Verlage in Anspruch, um ihr normales Programm zu veröffentlichen. Verlage konzentrieren sich auf das, was sie gut können: Inhalte akquirieren und vermarkten. tredition übernimmt den Rest. Derzeit überzeugen wir pro Woche einen neuen White-Label-Partner.

Wie schätzen Sie die Zukunft des eBooks ein? Und die des gedruckten Buches? Gibt es eine?

Wir erwarten eine Schwemme von lieferbaren e-Books in 2013 und 2014, weil die Herstellungs- und Distributionsmöglichkeiten einfacher und vermeintlich kostengünstiger als bei print sind. Diese Schwemme kommt durch Self-Publishing und Digitalisierung der teilweise jahrzehntealten Backlist. Aktuelle Titel von traditionellen Verlagen oder solchen, die nur e-Books veröffentlichen, werden es nur mit sehr hohem Marketing-Aufwand schaffen, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz der wachsenden Titelzahl nicht bedeutend mehr Exemplare verkauft werden. Leser erwerben auch bei e-Books nur die Titel, für die sie wirklich Zeit haben, diese zu lesen. Einen „Mitnahme-Effekt“ wird es nur bei Titeln unter 2,00 € geben und die erwirtschaften überhaupt keinen Ertrag mehr. Für ein verkauftes e-Book wird ein print-Exemplar weniger verkauft. Da ein e-Book aber nur knapp die Hälfte kostet (Börsenverein-Studie 2011: 8,07 €, Print: 14,45 € Quelle: KNV) halbiert sich also der Branchenumsatz mit jedem verkauften e-Book.

Und wie geht es dann weiter?

Da sich das für alle Beteiligten (Händler, Verlag/Dienstleister, Autor) nicht rechnet, erwarten wir Mindestpreise und eine Erhöhung der inhaltlichen und technischen Qualitätskontrollen der e-Book-Händler. Das wird dann auch den Verlagen und Self-Publishing-Dienstleistern zugute kommen, die qualitativ hochwertige e-Books produzieren.

Also liegt die Zukunft nicht allein im E-Book?

Nein, das gedruckte Buch hat auf jeden Fall eine Zukunft. Alle 10 Prozent der Käufer von gedruckten Büchern sind „Regalsteller“. 57 Prozent der Deutschen geben an zu Weihnachten Bücher zu verschenken. Das ist neben Geldgeschenken das beliebteste Geschenk. E-Books werden allein diese beiden Käufergruppen nicht annähernd kompensieren bzw. zufriedenstellen können.

Wie vermarkten Sie ihre Bücher? Gibt es eine Print- und eine eBook-Strategie?

Wir denken in Werken und Medientypen oder Ausgabeformaten. Ein Werk vermarkten wir immer ganzheitlich. Wichtig ist es, von einem Werk alle erdenklichen Ausgabeformate also Medientypen anzubieten. Jedes Buch erscheint als Hardcover, Taschenbuch und e-Book und wird weltweit angeboten – so erreichen wir auf jeden Fall alle potenziellen Leser. Wir unterscheiden also keine print oder e-Book-Strategie. Entgegen der populären Meinung sehen wir den e-Book-Markt nicht als die rettende Zukunft des seit Jahren schrumpfenden Buchmarktes.

Spielen die Buchhändler in Ihrer Planung eine Rolle?

Da unser Hauptgeschäft im print-Bereich liegt, arbeiten wir eng mit Buchhändlern zusammen. Wir vertrieben über die Barsortimente und direkt an Händler. Eine Mitarbeiterin bei uns kümmert sich ausschließlich um Buchhandelsmarkting für Sortimenter. Sie informiert Buchhändler jeden Monat aktiv über Bestseller aus unserem Self-Publishing- und TREDITION CLASSICS-Programm und telefoniert jeden Tag mit Buchhändlern, um vor allem unsere Klassikerreihe bekannter zu machen.

Sehen Sie Self-Publishing-Verlage als Ergänzung zu den großen Verlagen oder als Konkurrenz? Was sind die Vorteile eines solchen Verlages?

Wir haben vor kurzem eine Umfrage unter 1.400 Autoren von tredition gemacht und ermittelt, dass 27 Prozent mindestens ein Buch bei einem großen Verlag veröffentlicht haben und enttäuscht sind. Große bzw. traditionelle Verlage sind in Erklärungsnot, welchen Mehrwert Autoren im Vergleich zu einem Self-Publisher wie tredition haben. Wir betreiben aktives Buchhandelsmarketing, haben einen eigenen Buch-Shop bei Amazon, vertreiben die Werke der Autoren weltweit, verfassen und veröffentlichen Pressemeldungen, zahlen im Schnitt 15 Prozent des Ladenpreises als Provision und stellen die Verkaufszahlen täglich transparent zur Verfügung. Wir hören in zunehmendem Maße, dass dieses Gesamtpaket besser als bei so manchem traditionellen Verlag ist. Das spricht sich rum und Verlage geraten dadurch in Erklärungsnot, was sie besser als tredition machen.

Hat ein Self-Publishing-Verlag auch Vorteile für den Buchhändler?

Wir verkaufen alle Bücher neben unserem eigenen Online-Shop und dem der White-Label-Systeme über die klassischen Buchhandelswege. Wir stoßen bei unserem Buchhandelsmarketing auf wachsende Akzeptanz für Self-Publishing, da wir überzeugend darstellen können, dass die Qualität der Bücher geprüft wird. Wir informieren Buchhändler über unsere Bestseller, empfehlen Titel auf Wunsch und informieren natürlich, dass bei uns kein Buch ungeprüft veröffentlicht wird. Mit qualitativ hochwertigen Self-Publishing-Titeln haben Buchhändler die Chance, ihren Kunden wirkliche Neuentdeckungen zu empfehlen und jenseits der Bestsellerlisten auf ein großes Titel-Sortiment zuzugreifen. Mit der wachsenden Titelzahl im Self-Publishing ist es für Buchhändler empfehlenswert, sich dieser Veröffentlichungsmethode offen gegenüber einzustellen. Leser machen keinen Unterschied, ob ein Buch bei einem herkömmlichen Verlag oder bei einem Self-Publishing-Anbieter veröffentlicht wurde. Und der Leser ist schließlich der Kunde…

Die Fragen stellte Maria Altepost.

Sönke Schulz (geb. 1975) ist Geschäftsführender Gesellschafter bei tredition und für die Bereiche Marketing, Vertrieb und Strategie zuständig. Nach seinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium hat er vier Jahre als Unternehmensberater in den USA und Europa gearbeitet. Danach sammelte er fünf Jahre Vertriebserfahrung bei einem führenden Elektronikkonzern, u. a. als Vertriebsleiter eines Geschäftsbereiches für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Die tredition GmbH ist ein Hamburger Unternehmen, das Verlags- und Publikations-Dienstleistungen für Autoren, Verlage, Unternehmen und Self-Publishing-Dienstleister anbietet.

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