Das Sonntagsgespräch Thedel von Wallmoden: „Vermutlich haben wir alle aus (falscher) Bescheidenheit in der Vergangenheit darzustellen versäumt, was Verlage leisten“

Als „schweren Schlag für Verlagskultur in Deutschland“ bezeichnete gleich die erste Presseerklärung des Börsenvereins die Zurückweisung der Revision der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) gegen eine Klage des Autors Martin Vogel am 21. April [mehr…] Im Klartext heißt das: Verlage sind von der Ausschüttung ausgeschlossen.

Und schlimmer noch: Den Verlagen drohen jetzt Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an die VG Wort, VG Bild-Kunst, GEMA und VG Musikedition. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sagt – so keine Korrektur der Entscheidungen von BGH und Europäischem Gerichtshof erfolge – die Insolvenz zahlreicher Verlag voraus. Wir fragten Thedel von Wallmoden (Wallstein), für wie gefährlich er die Lage als „praktizierender Verleger“ hält.

Wie beurteilen Sie das am 21. April verkündete Urteil des BGH gegen die Auszahlung eines Verlegeranteils durch VG-Wort?

Thedel von Wallmoden

Thedel von Wallmoden: Der Bundesgerichtshof vertritt den Standpunkt, dass den Verlegern keine eigenen Rechte oder Ansprüche zustehen, die denen der Urheber vergleichbar wären. Ebenso vertritt der BGH den Standpunkt, dass die Verleger keine Leistung erbringen, die im Sinne eines Leistungsschutzes einer gesetzlichen Vergütungspflicht unterliegt. Ich teile diese höchstrichterliche Einschätzung nicht. Den Verlagen bleibt nun das Rechtsmittel der Verfassungsbeschwerde.

Haben die Anwälte unserer Branche versagt, oder ist das mal wieder ein Urteil, das sich am Buchstaben des Gesetzes abarbeitet ohne Rücksicht auf Verluste?

Es ist nichts unversucht geblieben, die Argumente der Verlage vorzutragen. Außerdem haben die Kulturstaatsminsterin Monika Grütters, der Bundesjustizminster Heiko Maas und der für das Urheberrecht zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sehr deutlich für den Bestand der bewährten Verteilungspraxis durch die VG-Wort geworben.

Allerdings zeigt sich in dem Urteil, dass in der Öffentlichkeit kein Bewusstsein für die Leistung der Verlage vorhanden ist. Die vorherrschende Sicht ist, dass die Verlage lediglich für die Distribution zuständig sind und keinen weiteren Anteil an der Entstehung und inhaltlichen Qualifizierung der Werke haben. Vermutlich haben wir alle aus (falscher) Bescheidenheit in der Vergangenheit darzustellen versäumt, was Verlage leisten.

Welche Konsequenzen hat das Urteil?

Da der Bundesgerichtshof die bisherige Praxis einer pauschalen Vergütung im Rahmen der sehr komplexen und sorgfältig ausgehandelten Verteilungspläne verwirft, ist nun zu prüfen, ob eine individuelle Regelung zwischen Autoren und Verlagen getroffen werden kann, mit der Autoren den Verlagen wirksam einen Vergütungsanspruch als Nebenrecht übertragen können. Allerdings würde es einen gigantischen Aufwand bedeuten, das bisherige Verfahren komplexer Pauschalisierungen durch individualisierte Verteilungen zu ersetzen. Außerdem setzt das voraus, dass die Autoren unsere Auffassung vom kollaborativen Zustandekommen der Werke teilen.

Die Aussperrung von der Ausschüttung wäre ja allein schlimm genug, aber was kommt mit der Rückzahlung auf die Verlage zu?

Über die Fristen zur Rückzahlung der unter Vorbehalt erfolgten Auszahlungen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 wird in der Pressemeldung des BGH nichts gesagt. Das bleibt abzuwarten. Im Sinne kaufmännischer Umsicht war und ist es geboten, für diese Beträge Rückstellungen zu bilden.

Die Rückzahlungen sind aber nur ein Teil des Problems. Fast noch wichtiger ist, dass den Verlagen künftig diese Ertragskomponente fehlt, wenn es nicht zu individuellen Regelungen kommt. Dann würde sich die Rentabilität der Unternehmen negativ entwickelt.

Sie haben sicher im Kopf mal überschlagen, was da jetzt auf Ihren eigenen Verlag zukommen könnte. Über welche Dimensionen reden wir?

Ich verlasse mich bei so wichtigen Fragen nicht nur auf meinen Kopf, sondern auf die Zahlen der Buchhaltung. Wir kennen die Summe auf den Cent. Der Wallstein Verlag ist auf die Rückzahlungen vorbereitet. Das ist unangenehm und wir empfinden das Urteil nicht als gerecht, aber wir werden diese Situation meistern.

Wenn es bei dem Urteil bleiben sollte: Was glauben Sie, wieviele Verlage dann in ihrer Existenz bedroht sind?

Ich wünsche mir, dass alle Kolleginnen und Kollegen in den Verlagen diese Herausforderung mit Entschlossenheit, Kreativität und dem Ideenreichtum bewältigen, für den die deutschen Verlage stehen.

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