Das Sonntagsgespräch Thomas Rohde über das E-Buch als „schnelles Medium“

Hanser Berlin hat das neue Buch von Jonathan Littell deutlich vor Erscheinen der Printausgabe schon als E-Version auf den Markt gebracht [mehr…]. Ist das klug? Das war Anlass für Fragen an Thomas Rohde, den Pressesprecher von Hanser Berlin.

Herr Rohde, mutiert Hanser jetzt vom Paulus zum Saulus? Erst beweint Hanser öffentlich den Verlust an Kultur durch Elektronisierung und dann ziehen Sie einen Titel vor, in dem Sie ihn lange vor Erscheinen der Hardcover-Ausgabe schon als E-Book bringen?

Thomas Rohde

Thomas Rohde: Bei aller berechtigten und gepflegten Liebe zum gedruckten Buch und zur traditionellen Buchkultur – Hanser hat sich nie gegen E-Books gesträubt. Dass es vielen Sortimentern das Leben schwerer macht, wenn die Menschen Ihre Bücher über den Computer beziehen, ist eine Sache, die uns schmerzlich bewusst ist. Aber wenn wir dieses besondere Buch nun vorab als E-Book auf den Markt bringen, dann tun wir das, weil in Syrien Bürgerkrieg herrscht und die wenigen Reportagen zugänglich gemacht werden müssen und zwar so schnell wie möglich.

Früher hätten wir auch auf Print gewartet, auch wenn es nicht rechtzeitig aus der Druckerei gekommen wäre. Warum haben Sie diese Tugend des entschleunigten Verlegens aufgegeben? Wird man als Verleger immer mehr zur Eile angetrieben, die Bücher auf den Markt zu werfen?

Jonathan Littells Notizen aus Homs sind ein Bericht über ein Thema, das täglich in den Nachrichten ist, mit immer neuen schrecklichen Meldungen. Dabei gibt es wenige unabhängige Journalisten vor Ort, die das Geschehen bezeugen können, und die Meldungen der Konfliktparteien lassen sich selten überprüfen. Entschleunigung ist in vielen Zusammenhängen sinnvoll und wünschenswert – hier aber geht es darum, den Lesern eine wertvolle Informationsquelle aus der Krisenregion so schnell wie möglich zugänglich zu machen – um unseren Blick auf diesen Konflikt zu schärfen.

Flächendeckend gesehen kann der Handel mit E-Books noch nicht gut umgehen. Was wurde getan, um den Handel einzubinden?

E-Books gibt es nun schon eine ganze Weile, und der Handel hat ja, über die MVB, die Branchenplattform libreka! mit aufgebaut. Es ist uns wichtig, dass unsere E-Books dort erhältlich sind.

Lohnt es sich für den Handel dann überhaupt noch, den Littell einzukaufen?

Wir meinen nicht, dass das vorgezogene E-Book den Absatz des gedruckten Buches schmälern wird, das ja wie angekündigt ab 27. August im Handel sein wird. Im Gegenteil. Dass der schreckliche Konflikt in Syrien im Sommer ein Ende finden wird, ist aus menschlichen Gründen zu hoffen, aber realistisch ist das nicht zu erwarten. Mit der Entscheidung, das E-Book vorzuziehen, konnten wir aber einer aktuell hohen Medien- und Publikumsaufmerksamkeit für das Thema entgegenkommen, die durch die drohende Internationalisierung des Konflikts und das spektakuläre Scheitern aller diplomatischen Bemühungen gegeben war – und Littells wichtiges Buch in diese lebhafte Diskussion mit einbringen. Wir glauben, dass dies auch dem Absatz des gedruckten Buches zugute kommen wird.

Bleibt das ein Einzelfall?

Littells Notizen aus Homs sind der erste Titel, den Hanser als E-First veröffentlicht. Insofern sammeln wir hier natürlich Erfahrungen. Dass wir uns in diesem Fall für eine digitale Vorabveröffentlichung entschieden haben, liegt aber an diesem Buch und seinem Thema, weil es dem Defizit an verlässlichen Informationen abhelfen und der Titel von einer gegenwärtig starken Aufmerksamkeit für das Thema profitieren kann.

Könnte die Elektronik hier das Modell für ein neues Sachbuch-Genre bilden, noch näher noch zeitnäher am Geschehen zu sein. Ein Zwischending zwischen Sachbuch und Zeitungsreportage, das „Zeitgeschehen-Buch“ oder als Form des „Debattenbuch“ sozusagen?

Sicher, das ist möglich, und in Ansätzen gibt es das ja auch schon. Dass E-Books unabhängig von Druck- und Auslieferungsterminen sind, ist nun mal ein Vorteil des digitalen Formats. Uns ist aber wichtig, dass unsere Bücher in der jeweils passenden Form publiziert werden, und deshalb werden wir auch in Zukunft unsere Bücher drucken. Es gibt viele gute Gründe, sich für ein E-Book zu entscheiden. So wie es viele Gründe gibt, am gedruckten Buch festzuhalten. Es gibt kein praktischeres Format.

Die Fragen stellte Matthias Koeffler

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