Das Sonntagsgespräch Uli Hörnemann über die Bedeutung von Lesekreisen für Buchhandlungen und Verlage

Beim Bloomsbury Taschenbuch Verlag (BvT) ist gerade Das Lesekreis-Buch von Thomas Böhm, das erste deutschsprachige Buch zum Thema Lesekreise, erschienen.

Lesekreise sind für Verlage und Sortimentsbuchhandlungen wichtig und haben nichts mit „alten Damen und Likör zu tun“, meint Uli Hörnemann (Foto), Vertriebsleiter im Bloomsbury Verlag. Im Sonntagsgespräch redet er über Chancen und Möglichkeiten, die Lesekreise den Buchhändlern eröffnen.

Uli Hörnemann

BuchMarkt: Bei (BvT) bringen Sie schon seit einiger Zeit Bücher heraus, die im Anhang Materialien für Lesekreise anbieten; jetzt gibt es Das Lesekreis-Buch: Wieso sind Lesegruppen bei Ihnen so ein großes Thema?

Uli Hörnemann: Leser, die sich mit anderen treffen, um über Bücher zu sprechen, gehören zu den eifrigsten, leidenschaftlichsten und regelmäßigsten Lesern. Deswegen sind sie nicht nur für uns als Verlag, sondern auch für Buchhändler eine besonders interessante Kundengruppe.

Ob der Kunde ein Buch kauft, um es still für sich zu lesen oder um gemeinsam mit anderen darüber zu diskutieren, sollte für den Buchhändler doch egal sein, könnte man meinen. Hauptsache, er kauft’s, oder?

Lesen ist nicht nur das „einsame Vergnügen“ der Lektüre. Viele Leser wollen sich über ihre Leseerfahrung mit Gleichgesinnten austauschen – das kennt ja jeder Buchhändler aus dem Verkaufsalltag. Und das Gespräch über Bücher ist bekanntlich die beste Möglichkeit, eine Kundenbindung herzustellen und zu pflegen: Buchhandlungen können davon profitieren, wenn sie als ein Ort wahrgenommen werden, wo Bücher nicht nur verkauft werden, sondern wo das Gespräch über das Gelesene stattfindet und gefördert wird.

Aber man will als Buchhändler doch auch nicht den ganzen Tag mit Kunden verquatschen…

Ja, das hat Grenzen, da sind zu viele Aufgaben, die auf den Buchhändler warten. Umso besser, wenn es gelingt, das literarische Gespräch auch außerhalb der Buchhandlung – und möglichst mit der Buchhandlung verknüpft – weiterlaufen zu lassen: Indem man bestehende Lesekreise an sich bindet oder seine Stammkunden unterstützt, selbst Lesekreise zu gründen.

Was habe ich als Buchhändler davon?

Stellen Sie sich vor, einer Ihrer Kunden gründet einen Lesekreis: Das heißt nicht nur, dass er regelmäßig wiederkommt, um sich mit seinem Lektürepensum einzudecken. Sondern er erzählt seinen Mitlesern bestimmt auch von seiner Lieblingsbuchhandlung – oder kommt gleich mit einer Sammelbestellung für den ganzen Lesekreis. Wer Lesekreise pflegt und an seine Buchhandlung bindet, bindet die eifrigsten Leser und Buchkäufer.

Es geht also um mehr, als bestehende Kunden zu binden und eventuell über Mundpropaganda neue zu gewinnen?

Ja. Lesekreise können noch mehr als das: Sie können auch Menschen, die bisher nicht regelmäßig lesen, zu Lesern machen. Denn Gruppen entwickeln ja oft eine eigene Anziehungskraft, so dass Leute lesen, um mit von der Partie zu sein. Wie viel effektiver Mundpropaganda wird, wenn sie von Gruppen getragen wird, hat vor Jahren schon Malcolm Gladwell in Tipping Point beschrieben, wo er an einem ganz konkreten Beispiel nachweist, wie die Begeisterung von Lesegruppen ein Buch zum Bestseller machen kann.

Wie weit ist die Lesekreis-Kultur in Deutschland denn gediehen?

In England scheint man die Bedeutung von Lesekreisen jedenfalls schon klarer zu sehen als hier: Die dortige Booksellers Association hat einen „National Reading Group Day“ eingerichtet. Er findet dieses Jahr am 25. Juni zum ersten Mal statt: So will man dort den Sortimentern einen Anstoß geben, sich für Lesegruppen zu engagieren.

Was können Buchhändler konkret tun, um Lesekreise zu unterstützen?

Zuerst einmal können sie beispielsweise ihre Stammkunden auf die Idee bringen, einen Lesekreis zu gründen. Etwa indem sie im Kundengespräch einfließen lassen, wie toll sich ein bestimmter Titel für eine spannende Diskussion in der Lesegruppe eignet. Natürlich können sie auch gezielt dort helfen, wo sich für Lesegruppen, oder Menschen, die eine Lesegruppe gründen wollen, Probleme auftun.

Nämlich?

Vielleicht kennen sie ja andere Kunden, die sich gern einer Lesegruppe anschließen würden und einen ähnlichen literarischen Geschmack haben – und können diese miteinander in Verbindung bringen? Vielleicht haben sie einen Rat, wo sich Lesegruppen in netter Atmosphäre treffen können? Wer die Möglichkeit dazu hat, kann sogar seine Ladenräume oder einen Teil davon als Treffpunkt zur Verfügung stellen.

Und wer dafür keinen Platz hat?

Der hat bestimmt eine Pinnwand, auf der Lesekreis-Interessenten Aushänge machen können. Und wer hin und wieder Autorenlesungen organisiert, kann beispielsweise anbieten, Autoren, die die Lesegruppe gerade ‚behandelt‘ zu Lesungen einzuladen. Es gibt also allerlei Möglichkeiten, sich als Freund des geselligen Lesens zu profilieren. Ein Buchhändler könnte zum Beispiel auch ein Fußballturnier zwischen verschiedenen Lesegruppen organisieren… Da sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Und Bücher empfehlen, die sich besonders für gesellige Diskussionen eigenen, kann nun wirklich jeder gute Buchhändler. Das „Lesekreis-Buch“ von Thomas Böhm gibt eine Anleitung, für alle, die einen Lesekreis gründen wollen. Wer sich das neben die Kasse legt, schafft damit schon mal einen guten Anlass, über Lesegruppen ins Gespräch zu kommen.

Aber ist das nicht alles etwas gestrig und angestaubt? Das neue große Ding sind doch angeblich Social Media wie Facebook, Twitter usw. Und da wollen Sie mir sagen, dass man sich wieder ganz unvirtuell zusammensetzen und lesen soll?

Die sozialen Medien sind bestimmt wichtig, auch für Mitglieder aus Lesekreisen und für Buchhändler. Alle, die mit diesen Netzwerken vertraut sind, können diese auch nutzen, um Lesekreise anzusprechen, Mitglieder zu suchen, einzuladen. Aber das echte Gruppengefühl, das in einem Lesekreis entsteht, können sie doch nicht ersetzen. Sich mit anderen Lesern zu treffen und über Bücher zu reden, ist immer noch die leichteste und konkreteste Form des sozialen Netzwerkens unter Lesern. Je mehr sich der Buchhandel ins literarische Gespräch seiner Kunden einklinkt, desto besser.

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