Der Marktanteil ist für einige Buchsparten deutlich kleiner geworden Annika Bach über den Neustart von E.A. Seemann

Die Zukunft der Leipziger Verlage E.A. Seemann und Henschel ist gesichert hieß es vor gut drei Monaten: Die Verlage wurden zum 1. Oktober 2017 von dem Medienunternehmer Michael Kölmel und der Kunsthistorikerin Doris Apell-Kölmel übernommen.

Anlass für uns die Verlegerin der Verlagsgruppe Dr. Annika Bach zu fragen, wo die neuen Schwerpunkte liegen und ob der Neustart funktioniert hat:

BuchMarkt: Frau Bach, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Medienunternehmer Michael Kölmel und der Kunsthistorikerin Doris Apell-Kölmel, die die Verlagsgruppe im Oktober übernommen haben? Wie ist es angelaufen?

Annika Bach

Annika Bach: Ausgezeichnet! Wir kommen gerade von einer sehr lustigen Weihnachtsfeier, die wir dieses Jahr also mit den Kolleginnen und Kollegen von Weltkino und Zweitausendeins begangen haben. Viele offene und interessierte Menschen, die alle damit betraut sind, gute Inhalte zu finden und zu vertreiben: Das passt. Die letzten drei Monate waren natürlich bis zum Anschlag mit Arbeit vollgepackt.  Wir produzieren endlich wieder: Bücher wurden ausgeliefert, die Vorschauen werden derzeit verschickt, wir drucken eine Riesencharge an Memos nach, nehmen wieder Kontakt zu allen Handelspartnern auf.

Wie soll das Jahr 2018 aussehen? Was wird wichtig?

Naja, ganz direkt: Umsatz bleibt/wird/ist wichtig. Wichtig sind für uns aber natürlich auch die neuen Titel, neue Aktionen, die wir uns gerade überlegen. Dazu zählt zum Beispiel, dass wir zur Leipziger Buchmesse einen Tag der offenen Tür in den Verlagsräumen veranstalten und dorthin junge Grafiker und Illustratoren mit ihren Mappen und Probearbeiten einladen. Wir werden unsere Themen vorstellen und nach Kreativen suchen, die mit uns schöne Bücher gestalten möchten.

Wo sollen in Zukunft Schwerpunkte des Verlagsprogramms liegen? Wo sind Chancen?

Wir sehen unter anderem Chancen im Segment der spannend erzählten (Künstler)Biografie, im aufwendig edierten und hochpreisigen Sachbuch zu unseren Themen, das auch auf der Backlist weiter Umsatz macht, im Non-Book-Bereich, wo unsere Kunst-Memos einfach ein sympathisches und hübsches Produkt sind. Zum Klimt-Jubiläum im nächsten Jahr bringen wir übrigens ein Memo heraus. Es eignet sich hervorragend als Geschenk und hat  – natürlich – den Titel „Der Kuss“. Die Kollegin im Lektorat hat intensive Zeit bei der Auswahl der Motive und Ausschnitte verbracht und liefert dazu einen penibel recherchierten Bildnachweis. Es ist eben nicht einfach ein Memo, sondern ein Kunst-Memo aus dem Hause E.A.Seemann.

Sie haben mit E.A. SEEMANNs BILDERBANDE ein Kinderkunstprogramm im Angebot.  Welche Überlegungen stehen hinter diesen Büchern und wie entwickelt sich das Programm?

Dahinter stecken sehr viele Überlegungen: Verjüngung unserer Leserschaft bzw. Erschließung unserer Themen für die Kleinen. Wir haben darauf reagiert, dass das Kunstbuch im Buchhandel immer weniger vorkommt, das Kinderbuch aber wächst. Es läuft so gut, dass wir uns thematisch ein bisschen verbreitern. Wir werden mit der BILDERBANDE in Zukunft auch Themen der darstellenden Kunst aufgreifen und leicht zugängliche Kinderbücher über Tanz, Oper, Schauspiel und Musik vorstellen. Im März erscheint ein urkomisch illustriertes Buch über die Instrumentenwahl und den Gemeinschaftssinn im Orchester. Es geht um eine kleine Triangel, die frustriert ist, weil sie vermeintlich nie den großen Auftritt bekommt.

Klingt nach einem Herzensprojekt?

Ja, ich liebe unsere BILDERBÄNDE und möchte, dass das Programm im Bereich des Kinderkunstbuchs bald einen sehr zentralen Platz einnimmt.

Die beiden ehemaligen Verleger Bernd Kolf und Arne Bach haben sich aus dem aktiven Tagesgeschäft zurückgezogen. Stehen Sie noch im Kontakt?

Natürlich! Beide kommen nicht mehr wöchentlich nach Leizig, haben aber schon wieder Buchprojekte für den Verlag akquiriert. Mit meinem Vater spreche ich regelmäßig, mir ist der Austausch wichtig und hilft mir in meinen Geschäftsentscheidungen.

Thema: Digitalisierung. Was meinen Sie, inwiefern verändert die das Einkaufsverhalten der Menschen und bekommen Sie als Verlag da was von mit?

Wie alle Verlage machen wir einen substantiellen Teil unseres Umsatzes über den Online-Handel. Die Kolleginnen setzen viel Arbeit dafür an, Metadaten zu pflegen. Ein Projekt des nächsten Jahres soll es auch sein, unsere Homepage www.seemanns-bilderbande.de bekannter zu machen und unsere Verlagshomepage  www.seemann-henschel.de zu überarbeiten. Die Bücher müssen noch besser, offener präsentiert werden, zumal wenn Buchhandlungen in Innenstädten schließen müssen.

Sind gedruckte Bücher in Gefahr?

Nein, das gedruckte Buch  an sich wird bleiben, aber der Marktanteil ist für einige Buchsparten deutlich kleiner geworden. Gerade die Kunstbuchbranche hat in den letzten Jahren enorme Schwierigkeiten bewältigen müssen. Wir haben Kunden bzw. Präsentationsflächen verloren, Auflagen drastisch reduzieren müssen, Projekte  (z.B.mit Museen) sind ins Digitale gewandert, die Aufmerksamkeit der Menschen für visuelles Vergnügen muss mit noch mehr Anbietern geteilt werden. Schwierig ist auch, dass viele in Anbetracht von High-Gloss Bildschirmbildern in Überfülle überhaupt kein realistisches Verhältnis mehr zu Kosten und Aufwand eines gedruckten Bildbandes haben. Eine zentrale Erfahrung eines jeden Praktikanten, wenn er/sie bei uns im Lektorat sitzt: „Was?! Diese ganze Arbeit macht ihr euch?!“

Was würden Sie sich vom Buchhändler heutzutage wünschen?

Ich verstehe, dass der Buchhandel heutzutage  auf Nummer sicher gehen muss und Bücher vorhält, die zum Beispiel über den Blockbuster-Namen des Autoren oder eine enorme Werbekampagne des Verlags ihre Käufer findet. Gleichzeitig darf dies natürlich nicht dazu führen, dass überall nur noch die Stapel der SPIEGEL-Bestsellerliste liegen. Deshalb wünsche ich mir vom Buchhandel eine gute Mischung aus Themen, Autoren und Verlagen.

Ihre Botschaft an den Buchhandel?

Ich möchte dem Buchhändler einen Kuss zur Weihnachtszeit zuwerfen. All die Enthusiasten, die sich noch bis spät die Beine in den Bauch stehen, damit wir guten Lesestoff unter den Baum bekommen, haben einen herzlichen Dank verdient.

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