Bernd-M. Beyer über sein Buch „71/72 – Die Saison der Träumer“ (Die Werkstatt) „Fußball, Rock und Rebellion“

 

Bernd-M. Beyer: „Menschen, die sich für Fußball und Politik interessieren – und das tun viele – erhalten in dem Buch einige spannende Geschichtsstunden. Bei den Älteren wird das lebhafte Erinnerungen wecken“

In seinem Buch 71/72 (Verlag Die Werkstatt) wirft Bernd-M.Beyer einen Blick auf die Zeit 1971/1972 – eine dramatische Zeit –  sportlich wie politisch. Er selbst sagt: „Mich reizte die Erinnerung an eine Zeit, in der noch in Utopien gedacht und vieles Neue ausprobiert wurde. Das fehlt mir in der heutigen Zeit. Und natürlich geht es um einen legendären Fußball.“ Anlass für Fragen an den Autor:

BuchMarkt: Worum geht es in dem Buch?

Bernd-M. Beyer: Anhand der Fußballsaison 1971/72 wird ein Schlaglicht auf den Fußball und die westdeutsche Gesellschaft vor fünf Jahrzehnten geworfen. Es war eine dramatische Zeit – sportlich wie politisch. Der Bundesligaskandal erschütterte das Land, die Nationalelf um Beckenbauer und Netzer spielte Zauberfußball im Wembley-Stadion und wurde Europameister, Bundeskanzler Willy Brandt überstand das Misstrauensvotum, die RAF hielt Deutschland in Atem, und die Rockband Ton Steine Scherben lieferte den Sound für Aufbruch und Protest.

 

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Wie entstand die Idee, darüber ein Buch zu schreiben?

Als Fußballautor betrachte ich das sportliche Geschehen immer vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen. Im Buch 71/72 habe ich das sozusagen auf die Spitze getrieben: Spieltag für Spieltag, also Woche für Woche, werden die Ereignisse parallel betrachtet. Weil sich das Geschehen auf beiden Ebenen im gleichen Zeitraum dramatisch zuspitzt, lässt sich diese Zeitgeschichte spannend erzählen.

Wer sind die „Träumer“ die im Untertitel des Buches erwähnt werden?

Zwei ganz unterschiedliche Protagonisten führen die Leser*innen durch die Saison: das Fußballgenie Reinhard „Stan“ Libuda und den Polit-Rocksänger Rio Reiser. Beide sind Träumer ganz unterschiedlicher Art. Libuda träumt von der Geborgenheit der Zechenhaussiedlung, in der er aufwuchs, und von einer heilen Fußballwelt. Rio verfolgt den Traum einer besseren, gerechteren Welt und sucht nach neuen Lebensentwürfen. Beide stehen damit für die Widersprüche in einer Gesellschaft, die sich im Umbruch befindet.

Was liegt Ihnen denn besonders am Herzen bei diesem Thema?

Mich reizte die Erinnerung an eine Zeit, in der noch in Utopien gedacht und vieles Neue ausprobiert wurde. Das fehlt mir in der heutigen Zeit. Und natürlich geht es um einen legendären Fußball, der sich nach Kriterien von Ästhetik und Kreativität bemessen hat und nicht nach den angeblich deutschen Tugend Kampfkraft und Willen.

Welche Leserschaft möchten Sie mit dem Buch erreichen?

Menschen, die sich für Fußball und Politik interessieren – und das tun viele – erhalten in dem Buch einige spannende Geschichtsstunden. Bei den Älteren wird das lebhafte Erinnerungen wecken. Und die Jüngeren werden staunen, welche Dramen sich damals abgespielt haben – auf dem Fußballplatz und auch außerhalb der Stadien.

Und der Buchhändler, mit welchem Argument kann der das Buch im Laden ideal verkaufen?

Es ist das ideale Geschenk für fußballinteressierte Partner*innen, für Töchter, Söhne, Freund*innen. Und es wird nachhaltig empfohlen durch begeisterte Rezensionen beispielsweise in der Süddeutschen Zeitung, in der Frankfurter Rundschau, im Deutschlandradio Kultur oder in der ard-Sendung titel-thesen-temperamente. Aber nicht nur das Feuilleton empfiehlt das Buch, sondern ebenso die Publikationen und Internet-Foren von Fans.

Welche drei Wörter beschreiben das Buch ideal?

Fußball, Rock und Rebellion.

Und privat, was lesen Sie da gerne?

Ich arbeite mich gerne durch historische Sachbücher und Biografien. In der Belletristik liebe ich ausladend erzählte Stoffe, wie etwa die Romane von David Mitchell (Der Wolkenatlas, Die Knochenuhren u.a.). Weil ich während der Pandemie viel Zeit zum Lesen habe, knöpfe ich mir hin und wieder auch die leicht verstaubten Klassiker aus meinem Bücherregal vor. Zuletzt waren an der Reihe: Krieg und Frieden, Die Buddenbrooks und Der Untertan. Aber so oder so: Es muss ein „richtiges“ Buch sein. E-Books liegen mir nicht.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie dennoch gerne geantwortet?

Auch für mich war die Recherche zu dem Buch eine Reise in die Vergangenheit. Ich habe die Zeit als junger Mensch selbst erlebt. Und einige Male fragte ich mich:

Entspricht mein heutiger Blick auf jene Zeit auch meinem damaligen?

Hier können Sie dies nun tun:

Natürlich ist der Blickwinkel ein anderer, denn wenn man mitten im Geschehen steckt, erfasst man die historische Dimension nicht. Mir ist heute klar, wie tief damals die Gesellschaft gespalten war: im einen Extrem die Altnazis, die noch immer (oder wieder) an den Schaltstellen der Macht saßen, übrigens auch im Fußball und gerade beim DFB. Auf der anderen Seite die aufbegehrende Jugend, die radikal links eingestellt war und in Teilen zur Militanz neigte. Tiefe Gräben lagen auch zwischen den etablierten Parteien, denn die CDU/CSU attackierte den sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt mit einer Diktion, die wir heute der AfD zuordnen würden. Dabei war es vor allem der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, der durch seine Integrität, seine antifaschistische Biografie und sein Charisma dafür sorgte, dass die Bundesrepublik im Ausland an Renomee gewann und dass die kritische Jugend sich nicht zu weit von dieser Gesellschaft distanzierte.

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