Autor Andy Neumann und Verleger Armin Gmeiner über das Benefiz-Projekt "Es war doch nur Regen?!" „Wie kaum ein anderer Verlag sind wir den Regionen Deutschlands verbunden“

Am 6. Oktober 2021 erschien mit Es war doch nur Regen!? ein etwas anderes Buch im Gmeiner-Verlag. Darin verarbeitet Andy Neumann seine Erlebnisse während und nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Entstanden ist ein ganz persönliches „Protokoll einer Katastrophe“, in dem er ehrlich und eindrücklich vom vorherrschenden Chaos sowie über die zu bewältigenden Herausforderungen erzählt. Wir haben beim Autor und bei seinem Verleger Armin Gmeiner nachgefragt:

Was gab den Anstoß, ihre Erlebnisse in einem Buch zu verarbeiten?

Andy Neumann (© Axel Hausberg, www.axelphoto.de)

Andy Neumann: Das waren Menschen, die meine Facebook- Protokolle lasen. Diese Protokolle hatte ich seit der ersten Nacht online gestellt, um das Geschehen und meine Erlebnisse zu verarbeiten. Ich fand eine breite Leserschaft, aus der heraus mich nach wenigen Tagen die ersten aufforderten, doch ein Buch aus all dem zu machen. Den inneren Anstoß gab mir dann die Idee, dass man mit den Gewinnen aus dem Buch eine Menge Gutes tun könnte hier an der Ahr.

Fiel es Ihnen schwer, über das Erlebte zu schreiben?

AN: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich brauchte das Schreiben ja zur Verarbeitung, um all das zu verdauen, was einem psychisch eine Menge hässlicher Folgen hätte einbringen können. Mir ist später natürlich aufgefallen, wie nackt man sich mit einem solchen Buch macht, wenn all diese mitunter intimen Momentaufnahmen an eine noch breitere Öffentlichkeit gelangen. Aber da war es mir dann auch egal. Letztlich ist es doch ein Stück der eigenen Zeitgeschichte, die sollte man auch so offen wie möglich verarbeiten.

Das Buch entstand innerhalb von sieben Wochen. Wie ließ sich dies so schnell umsetzen?

AN: Zum einen trug natürlich sehr dazu bei, dass ich durch die Protokolle bereits einen sehr ordentlichen Bestand hatte, auf dem ich aufbauen konnte. Dennoch wäre es im Rahmen eines „normalen“ Prozesses niemals möglich gewesen, in einer solchen Geschwindigkeit auf den Markt zu gehen. Meine Lektorin Claudia Senghaas hat wohl kaum weniger Überstunden geschoben als ich, das ist mal sicher. Sie hat quasi 1:1 lektoriert, was ich ihr an neuem Stoff liefern konnte, so haben wir den Prozess massiv verkürzt und waren einen Tag nach meinem letzten Wort fertig. Ein Höllenritt für uns beide, aber er hat sich gelohnt.

Hätten Sie gerne auch andere Betroffene im Buch zu Wort kommen zu lassen?

AN: Das wäre eine schöne Idee gewesen, Geschichten gibt es tausende an der Ahr, die es wert wären, erzählt zu werden. Aber die Zeit dazu gab es einfach nicht. Ich bin gespannt, eines Tages werden sicher andere „nachlegen“, da ist mit meinem Buch lange noch nicht auserzählt, was hier passiert ist.

Was möchten Sie mit Ihrem Buch bewirken?

AN: Ursprünglich wollte ich drei Dinge: zum einen das Geld, das ja nicht nur ich, sondern der Verlag bis zu einer hohen Auflage ebenfalls spenden möchte. Damit können wir gezielt soziale Projekte hier an der Ahr fördern, da schweben mir auch schon Organisationen, Vereine und Initiativen vor. Zum zweiten wollte ich eine Möglichkeit schaffen, das öffentliche und mediale Interesse an unserer Region nachhaltig zu bewahren und zu wecken. Mit einem Buch habe ich ja nicht nur wochenlang, sondern bis weit in das nächste Jahr hinein die Chance, Aufmerksamkeit für uns alle hier zu generieren. Zum dritten dachte ich mir, dass die Menschen, die nicht aus dem Tal kommen und das Buch lesen, so zumindest im Ansatz nachvollziehen können, wie es den Menschen hier ging. In dem Wissen, dass meine nicht mal eine der schlimmeren Geschichten ist. Das scheint mir gelungen.

Was mich aber am meisten beeindruckte, hatte ich gar nicht auf dem Schirm: dass Menschen hier aus der Region das Buch lesen und es ihnen auf irgendeine Weise hilft! Ich habe inzwischen so viel unglaublich schönes Feedback bekommen, von Nachbarn angefangen bis hin zu fremden Menschen, die bei Lesungen auf mich zukamen und sich bedankten oder mir über die Sozialen Medien schrieben, das ist absolut überwältigend. Für mich die größte Wirkung von allen!

Und wie haben Sie auf die Anfrage von Andy Neumann reagiert?

Armin Gmeiner (© Gmeiner-Verlag)

Armin Gmeiner: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit Jochen Große Entrup zusammenstand und er mich fragte, ob wir uns dieses Projekt zutrauen würden. Uns war von vorherein klar, dass es für alle Beteiligten in unserem Verlag eine Herausforderung sein würde, einen solchen Schnellschuss zu realisieren. Aber das Schicksal der Flutopfer, worunter auch einige unserer Autoren sind, hat uns derart bewegt, dass wir spontan zugesagt haben.

Das Buch musste schnell auf den Markt gebracht werden. Welche Herausforderungen waren damit verbunden?

AG: Zum Zeitpunkt der Entscheidung war unser Lektorat mit dem Frühjahrsprogramm 2022 voll ausgelastet. Es war uns also bewusst, dass es eine große Sonderbelastung für alle Abteilungen in unserem Hause darstellt. Dass wir das Buch unter diesen Umständen innerhalb von sieben Wochen auf den Markt bringen konnten, vor allem in Zeiten knapper Druckressourcen, ist eine großartige Leistung.

„Es war doch nur Regen!?“ stieg direkt in die Spiegel-Bestsellerliste ‚Sachbuch Taschenbücher‘ ein und kletterte zwischenzeitlich auf Platz 6. Haben Sie mit so einer großen Resonanz gerechnet?

AG: Angesichts der breiten Berichterstattung waren wir anfänglich etwas vorsichtig mit der Höhe der Druckauflage. Insbesondere an der Ahr erzielt das Buch einen phänomenalen Erfolg. Wir mussten die Buchhandlung am Ahrtor mit mehreren Paletten hintereinander beliefern. Jessica Bälz, die ihre Buchhandlung notgedrungen in ihrem Wohnhaus einrichten musste, leistet hier großartige Arbeit. Wir haben innerhalb eines Monats sechs Auflagen beauftragt, da wir zwischenzeitlich 20.000 Vormerker hatten. Ein großes Problem waren jedoch die knappen Kapazitäten bei den Druckereien. Die Lieferzeiten von normalerweise zehn Werktagen erhöhten sich plötzlich auf vier Wochen. Stand heute sind endlich alle Vormerker ausgeliefert und wir sind für das Weihnachtsgeschäft ausreichend bevorratet.

Der Gewinn aus dem Buchverkauf kommt sozialen Projekten im Ahrtal zugute. Ein wichtiges Zeichen?

AG: Nach der Flutkatastrophe war die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung enorm groß. Die Solidarität, die Flutopfer erfahren haben, hat uns alle sehr beeindruckt. Dennoch besteht die Gefahr, dass Menschen nicht genügend Hilfe bekommen. Unser Anliegen ist es, in Zusammenarbeit mit Andy Neumann, Projekte zu unterstützen, die von den Hilfsorganisationen nicht erfasst werden.

Kann man bei „Es war doch nur Regen!?“ von einem Herzensprojekt sprechen?

AG: Wie kaum ein anderer Verlag sind wir den Regionen Deutschlands verbunden. Die Flutkatastrophe war ein Ereignis, das viele Regionen schwer getroffen hat. Daher fühlten wir uns unserem Autor gegenüber verpflichtet, dieses Schicksal transparent zu machen. Umso erfreulicher ist die große Resonanz auf dieses Projekt.

Mit Karin Joachim ist noch eine weitere Gmeiner-Autorin von der Flut betroffen. Auch mit ihr haben Sie eine Aktion gestartet.

AG: Ja, bereits im August haben wir zusammen mit Karin Joachim und Andy Neumann eine Spendenaktion für die Flutopfer ausgerufen. Von jedem verkauften Buch der beiden Autoren spenden wir einen Euro an die Hochwasserhilfe der Kreisverwaltung Ahrweiler. Auch unsere Autoren unterstützen sich gegenseitig. So hat der Aachener Autor Olaf Müller gemeinsam mit der Buchhandlung Schmetz eine Benefizlesung zugunsten von Karin Joachim veranstaltet. Es ist schön, so viel Solidarität zu erleben.

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