Bernhard Schmid über die Probleme von Karl May mit dem Buchhandel „Wir wollen den Buchhandel für Karl May zurück erobern“

Ab Februar und damit nach 20 Jahren Pause erscheinen  die unverwechselbaren grünen Karl May-Bände wieder im Taschenbuch. Der Karl-May-Verlag erhofft sich dadurch „eine Wiederaufnahme nicht nur im allgemeinen Buchhandelssortiment, sondern auch in diversen Nebenmärkten, denn die Nachfrage nach Karl May ist immer noch da“, wie sein Verleger sagt. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit Bernhard Schmid:

Bernhard Schmid: „Die Taschenbücher sollen ermöglichen, dass wir wieder neue Leserschichten und eine neue Karl-May-Fan-Generation gewinnen können – dies hoffentlich gemeinsam mit und auch zum Wohle des Buchhandels“ (c) Foto: Barbara Herbst

BuchMarkt: Karl May und der Buchhandel – das ist seit Jahren ein schwieriges Thema, der Handel will nicht so wie Sie?

Bernhard Schmid: Ja, leider will er ganz und gar nicht, wir können nicht genügend über den Buchhandel klagen (natürlich einige treue Kunden ausgenommen), obwohl wir uns doch jahrzehntelang als reinen Buchhandelsverlag und vor allem als „Partner des Buchhandels“ gesehen haben. Und dabei waren alle unsere Bemühungen und Aktionen immer auf den Buchhandel ausgerichtet.

Worauf zielen denn Ihre Bemühungen?

Wir kämpfen vor allem bei den – heute meist jüngeren – Buchhändler/Innen gegen das Vorurteil, ‚Karl May sei out‘ und nicht mehr zeitgemäß.

Ist das denn nicht so?

Nein, ganz das Gegenteil ist der Fall, z. B. boomen die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg und Elspe und haben jedes Jahr mehr Zuschauer. Selbst die erfolgreiche Westernstadt Pullman City spielt ab diesem Jahr Winnetou. Ausstellungen, Vorträge, eine erste eigene „Karl-May-Messe“ usw. bereichern 2019 die Kulturszene. Die These ‚Karl May sei out‘ wurde bereits seit den 1950er-Jahren immer wieder aufgestellt …

Obwohl es den Verlag und die Bücher immer noch gibt …

… und wir sie seitdem mit dem Verkauf von über 50 Millionen Bänden widerlegt haben. Karl May wird gelesen, wir schreiben nach wie vor schwarze Zahlen.

Und trotzdem hört man immer wieder aus dem Buchhandel: „Karl May – danach wird bei uns nicht gefragt!“

Puh, da bekomme ich Hautausschlag und ein Kribbeln in der Nase! Warum sollte man extra in die Buchhandlung kommen und fragen, wenn man erstens weiß, dort steht kein Karl May (bzw. nicht der richtige Band), und wenn man heute zweitens alles online ruckzuck nach Hause geliefert bekommt. Das wäre sicher anders, wenn Karl-May Kompetenz im Laden sichtbar wäre.

Sie machen also Ihren Umsatz mit Amazon? 

Zu einem Teil ja und natürlich auch mit anderen Versendern, weil der Buchhandel hier eine Chance auslässt. In unserem Online-Karl-May-Shop beschweren sich immer wieder Kunden, dass sie Karl May nicht vor Ort bekommen. Warum überlässt man hier dem Onlinehandel freiwillig das Feld?

Liegt das daran, dass der Handel nur an Neuheiten interessiert ist?

Das verstehe ich schon, aber ich behaupte, die Zukunft des Buchhandels liegt vor allem in der Möglichkeit des Kunden, im Sortiment zu stöbern – für den eigenen Bedarf und insbesondere für Geschenke. Und Karl May wurde all die Jahre in erster Linie an jugendliche Leser verschenkt und diese Geschenke kauft man eben aus meiner Sicht immer noch am liebsten im Buchhandel.  Und wenn dann kein Karl May da ist ...

Was ist denn Ihr Argument?

Es gibt nach wie vor kaum einen besseren Wiedererkennungseffekt als bei unseren berühmten grünen Bänden der Gesammelten Werke. Und es besteht dann auch immer die Chance, dass einer wieder danach fragt. „Karl-May-Leser sind Ihre treuesten Kunden“ war auch mal eine Werbeaussage von uns. Heute heißt es oft seitens des Handels, Karl May „kaufen nur ältere Herren“ (das ist aber schon seit 100 Jahren so) und als Reaktion wurde Karl May zunächst von der Jugendbuchabteilung in die Belletristik verschoben (wo natürlich keine Geschenkbücher für die Jugend gekauft werden, dann könnte man auch die Pappbilderbücher umsortieren). Durch die Fehlplatzierung folgte ein Umsatzrückgang. In der (falschen) Konsequenz wurde der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache dann oftmals komplett aus dem Buchhandel verbannt.

Ich weiß, Sie ärgern sich darüber, dass es anderen Jugendklassikern nicht so geht.

Ja, bei vielen Besuchen in deutschen Buchhandlungen im vergangenen Jahr fand ich bei Jugendbuchklassikern häufig die Werke „Robinson Crusoe“, „Onkel Toms Hütte“ oder „Tom Sawyer“. Nichts gegen diese Bände, aber ich bin überzeugt, „Winnetou I“, „Der Schatz im Silbersee“ und „Durch die Wüste“ haben immer noch höhere Verkaufszahlen – und das ohne Präsenz in den meisten Buchhandlungen!

Was ist Ihre Theorie, warum das so ist?

Ich glaube, dass heute im Buchhandel vieles wichtiger geworden ist als Inhalte und man sich, auch wenn das kein Buchhändler zugeben wird, mit der Versorgung durch die großen Verlage und/oder die Barsortimente zufriedengibt. Ein kleiner Verlag wie wir bleibt dabei wie so viele andere unabhängige Verlage eben auf der Strecke.

Ist das wirklich so?

Ein gutes Beispiel dafür ist auch unser aktueller Versuch in der Fantasy mit der Reihe „Karl Mays Magischer Orient“. Wir arbeiten hier mit Unterstützung der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar und den Bestsellerautoren Tanja Kinkel und Bernhard Hennen. Trotzdem finden wir im Buchhandel kaum Beachtung und vor allem keine Präsenz vor Ort. Ich kann das nicht verstehen.

Liegt es bei Karl May am falschen Ladenpreis? 

Obwohl ich ein absoluter Verfechter höherer Buchpreise bin, können ausgerechnet wir als Kleingewicht in der Branche hier nicht vorpreschen. Unsere Gesammelten Werke sind für ihre aufwendige Qualität (Leinenband mit Fadenheftung, extra gedrucktem aufgeklebtem Deckelbild, Gold-, Schwarz- und Blindprägung, bedruckten Vor- und Nachsätzen) mit 22,- € zwar immer noch eher preisgünstig, aber leider zeigt sich, dass im Jugendbuch für Geschenke die magische Preisgrenze wohl doch noch bei unter 20,- € liegt.

Jetzt verstehe ich den wahren Hintergrund für die Neuauflage der Taschenbücher. 

Die neuen Karl-May-Taschenbücher: Ab Februar erscheinen die unverwechselbaren grünen Bände wieder im Taschenbuch. Der Verlag konzentriert sich dabei zunächst auf die sieben Bestseller: „Durch die Wüste“, „Durchs wilde Kurdistan“, die ersten beiden „Winnetou“-Bände sowie „Unter Geiern“, „Der Schatz im Silbersee“ und „Der Ölprinz“. In der Neuausgabe wird das allseits bekannte Design der grünen Bände übernommen, wobei die Taschenbücher mit einer Goldfolie in der Optik der Gesammelten Werke veredelt werden

Ja, sie sollen ermöglichen, dass wir wieder neue Leserschichten und eine neue Karl-May-Fan-Generation gewinnen können – dies hoffentlich gemeinsam mit und auch zum Wohle des Buchhandels. Das hat früher gut funktioniert, als es parallel die Gesammelten Werke und die Ueberreuter-Taschenbücher sowie die TOSA-Warenhausausgaben gab.

Wir war das damals zu Stande gekommen?

Ursprünglich brachte ab 1960 der Wiener Verlag Carl Ueberreuter eine lizenzierte Taschenbuch-Reihe von „Karl Mays Gesammelten Werken“ heraus. Dabei verbanden die beiden Verlage nicht nur wirtschaftliche Beziehungen, sondern die Verlegerfamilie Schmid (Karl-May-Verlag) und die damalige Eigentümerfamilie Salzer (Ueberreuter) pflegten auch eine jahrelange Freundschaft.

Sie meinen also, Karl May kann man heute noch erfolgreich verkaufen?

Neben unserem Optimismus, damit den klassischen Buchhandel für Karl May zurückzugewinnen, wollen wir damit auch versuchen, den Bahnhofsbuchhandel oder Nebenmärkte für Karl May wieder zu erobern. Davon, dass die Karl-May-Inhalte auch heute noch Jugendliche erreichen können, sind wir fest überzeugt und machen auch einschlägige positive Erfahrungen. Daher bieten wir bereits seit einiger Zeit Leseproben vom „Schatz im Silbersee“ an – übrigens der erheblich bessere Einstieg für junge Leser von 8-10 als „Winnetou I“. Der Buchhandel kann natürlich auf einen neuen Heilsbringer bzw. Hype à la „Harry Potter“ warten, wir aber können nur empfehlen, auch auf Altbewährtes wie Karl May zu setzen, was all die Jahre ein sicheres Fundament war und konstante Umsätze gebracht hat, während bei der unendlich erscheinenden Anzahl von Neuerscheinungen doch viele Luftblasen dabei sind.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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