Erinnerungen an den Träger des Astrid Lindgren Memorial Awards und einen der international renommiertesten Bilderbuchkünstler Wolf Erlbruch

Wolf Erlbruch

Der Künstler Wolf Erlbruch ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Dies teilt der Peter Hammer Verlag mit: „Wir trauern um unseren Autor, Illustrator und langjährigen Wegbegleiter Wolf Erlbruch, der am 11.12.2022 im Alter von 74 Jahren in Wuppertal gestorben ist. Der Träger des Astrid Lindgren Memorial Awards zählt zu den international renommiertesten Bilderbuchkünstlern.
Die von ihm illustrierte Geschichte Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat, wurde 1989 zum Startpunkt seiner Karriere als Buchillustrator und markierte gleichzeitig den Anfang des Kinderbuchprogramms im Peter Hammer Verlag. Mit 17 Bilderbüchern, 20 Ausgaben seines Kinderzimmerkalenders und zahllosen Covern prägte er das Gesicht des Verlages über Jahrzehnte und setzte künstlerische Maßstäbe. Der Verlag verdankt Wolf Erlbruch unendlich viel.“

Der Verlag Carl Hanser erklärt: „Mit ihm verlieren wir einen Künstler mit unverwechselbarer Bildsprache, der nicht nur als herausragender Zeichner, sondern vor allem als innovativer Gestalter und Illustrator durch seinen ungewöhnlichen Umgang mit Technik und Bildmaterial bis heute stilbildend für jede neue Generation ist.“

Ulrich Störiko-Blume, der in seiner Zeit als Leiter des Kinderbuchprogramms bei Hanser mit Wolf Erlbruch zusammenarbeiten durfte, erinnert sich an ihn:

Ach, Wolf Erlbruch! Wie traurig, dass dieser großartige Illustrator keine Bilder mehr anfertigt! Und wie tröstlich ist die Vorstellung, dass sich Wolf Erlbruch jetzt mit Astrid Lindgren darüber austauschen kann, wie das war, als er 2017 den Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis verliehen bekam! Eine unvergessliche Beobachtung und ein unvergessliches Erlebnis kommen mir in den Sinn.

Wer je in seinem Atelier in Wuppertal zu Besuch war, wird es wissen. Da stand nicht nur ein Arbeitstisch, da standen mehrere, jeder überladen mit Skizzen und Papierbögen (oder schon fertigen Bildern?) für ein anderes Projekt. Und neben dem Arbeitstisch jeweils ein riesiger Papierkorb. Voller Bilder, vom Meister als nicht gelungen betrachtet, weg damit! Wenn man einen verstohlenen Blick auf diese Studien werfen konnte, bedurfte es einiger Selbstdisziplin, nicht die eine oder andere herauszuziehen. Aber den Meister fragen, ob … Nein, wenn er mit seinen eigenen Sachen nicht zufrieden war, wieso sollte ich mir da anmaßen, danach zu fragen. So sind wahrscheinlich hunderte, tausende von Entwürfen, Skizzen und Schnipseln für immer verlorengegangen. Macht nichts, denn zum großen Glück für uns alle sind ja zahlreiche Bücher von ihm in der Welt, und es ist nur zu wünschen, dass sie das auch bleiben.

Eines der verrücktesten mir in Erinnerung gebliebenen Buchprojekte ist „Die Katzen von Kopenhagen“, ein posthum entdeckter Kurztext von James Joyce („The Cats of Copenhagen“), für den Hanser die deutschen Rechte erworben hatte. Die erste Frage war: Wer übersetzt das? Ein klarer Fall für Harry Rowohlt, der am Telefon ziemlich grummelte, dass dieser irische Autor vielfach überschätzt werde und er da ganz andere Favoriten habe. Aber am folgenden Morgen kam per Fax die Übersetzung. Mindestens so herrlich schräg wie das Original.

Die nächste Frage, nachdem der deutsche Text nun vorlag, war die Illustration. „Joa, ganz lustiger Text, versuch ich mal“, meinte Wolf Erlbruch. Die Entwürfe kamen bald, wir im Verlag waren begeistert, das Buch wurde noch kurzfristig ins nächste Programm eingeplant. Es war am Samstagnachmittag auf der Frankfurter Buchmesse, kurz vor der Vertreterkonferenz, als mich ein Anruf von Wolf Erlbruch ereilte mit der Nachricht: „Das kann ich so nicht machen, das wird nix.“ Kaum war der Schrecken so richtig in mich gefahren, kam auch schon der Nachsatz: „Ich habe da eine Idee für etwas völlig anderes.“ – „Kann man das schon sehen?“ – „ Klar, kommen Sie vorbei.“ Ich setzte mich ins Auto und fuhr umgehend nach Wuppertal.

Dort gab es erst einmal einen köstlichen stärkenden Tee, liebevoll bereitet von Brigitte Erlbruch. Und dann der Blick auf die neuen Bilder. „Ich finde, das muss man so gestalten, dass auch Kinder ihren Spaß haben!“ (Kleine Anmerkung: Immerhin geht es in der skurrilen kleinen Geschichte um so überaus korrekte Vorgänge wie Polizisten, die Zigarre rauchend und Buttermilch trinkend im Bett liegen, statt ihren Dienst zu verrichten.) Wir schauten das an, und es war schnell klar: So wird es! Wolf Erlbruch war einer, der immer nochmal neu interpretiert, neu gedacht, neu gezeichnet hat. Was für eine Freude, mit einem solchen Illustrator gearbeitet zu haben!“

Wolf Erlbruch, 1948 in Wuppertal geboren, studierte Grafik-Design, war anschließend freiberuflich in der Werbebranche tätig und publizierte Illustrationen in internationalen Magazinen, u.a. in Esquire, GQ Magazine New York, Stern, Transatlantic und twen. Er erhielt mehrfach den Preis für Illustration des Art Director Club (ADC) in New York.
Als 1984 sein Sohn Leonard zur Welt kam, begann er, Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. 1990 folgte er der Berufung zum Professor an die Fachhochschule Düsseldorf, wo er bis 1997 Illustration lehrte. Von 1997 bis 2009 war er Professor an der Bergischen Universität Wuppertal, von 2009 bis 2011 an der Folkwang Universität der Künste in Essen.
Erlbruch veröffentlichte mehr als 30 Bilderbücher, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden, sowie 20 Ausgaben des berühmten Kinderzimmerkalenders. Für sein Werk wurde der Künstler vielfach ausgezeichnet: Das Bärenwunder erhielt 1993 den Deutschen Jugendliteraturpreis, 2003 wurde er mit dem Gutenbergpreis der Stadt Leipzig geehrt, im selben Jahr wurde ihm der Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk und der Von-der-Heydt-Preis der Stadt Wuppertal zuerkannt. 2006 gewann er den Hans Christian Andersen Preis, 2014 wurde er mit dem e.o. Plauen-Preis geehrt.
2017 verlieh der schwedische Kulturrat Wolf Erlbruch die höchstdotierte internationale Auszeichnung im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur, den Astrid Lindgren Memorial Award.

Kommentare (2)
  1. Ich erinnere mich an die Ausstellungseröffnung am 5.6.2007 von Illustrationen Wolf Erlbruchs in der Internationalen Jugendbibliothek München. Mir wurde durch meine Nachfolgerin Christiane Raabe die Ehre zuteil, dem Pubikum den Text zu „Frau Meier und die Amsel“ vorzulesen, während Erlbruch ihn als Schnellzeichner mit einem Filzstift auf großen Papierbögen erneut illustrierte – ohne Zweifel ein einmaliges Erlebnis!
    Andreas Bode, ehemals Direktor der IJB

    • Dieses Erlebnis, lieber Andreas, hatte ich 2008 auch mit Wolf, beim internationalen literaturfestival berlin. Da hat er in meinem Programm, in dem er zu Gast war, „Frau Amsel…“ live illustriert. Ein All-time-Festival-Highlight, wie mir viele viele Besucher:innen und Kolleg:innen später begeistert vorschwärmten. Und für mich eine der grossen Begegnungen, die ich mit einem Künstler und Menschen hatte. Wolf Erlbruch ziehen lassen, ist schwer. Wie gut, dass wir seine Bilder und Bücher haben.
      Miriam G. Möllers, Programmleiterin ilb 2002-2008

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