Vom Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai findet bundesweit die Woche der Meinungsfreiheit statt. Wir haben deshalb mit Heinz Ostermann gesprochen, dem Inhaber der Buchhandlung Leporello in Berlin-Rudow. Ostermann wurde bereits mehrfach Ziel von Anschlägen (wir berichteten hier und hier).
BuchMarkt: Vor gut vier Jahren haben Rechtsradikale die Scheiben Ihrer Buchhandlung eingeworfen. Danach wurde zweimal Ihr Auto angezündet. Wie fühlten Sie sich nach den Anschlägen?
Heinz Ostermann: Der Anschlag auf die Buchhandlung kam nicht völlig überraschend. Rudow liegt im Süden von Neukölln. In unserem Bezirk haben wir immer wieder Probleme mit der rechten Szene. Solche Anschläge sind hier leider vorstellbar. Am meisten haben mich die beiden Angriffe auf mein Fahrzeug getroffen. Es war ein Schock, als mich die Polizei nachts aus dem Schlaf klingelte. Wie fanatisch kann man sein? Leporello ist keine linke Buchhandlung, sondern eine ganz normale Sortimentsbuchhandlung.
Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Ihre Buchhandlung Ziel eines Anschlags wurde?
Hintergrund ist vermutlich, dass ich 2016 zusammen mit anderen die Initiative „Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“ gegründet habe. Anlass war der politische Rechtsruck in der Gesellschaft. Damals war die AfD mit rassistischen Parolen gegen Flüchtlinge und Muslime ins Abgeordnetenhaus eingezogen. Mit einer Veranstaltungsreihe wollten wir uns gegen Rassismus und Diskriminierung positionieren.
Was ging ihnen nach den Anschlägen durch den Kopf?
Die Rechten wollten mich mundtot machen. Damals dachte ich nicht, dass sie mich persönlich treffen wollten. Diese Einschätzung hat sich – ebenso wie die gesamtgesellschaftliche Situation – geändert. Mit dem Mord an Walter Lübcke und dem Attentat von Hanau ist die Lage brisanter geworden.
Haben die Anschläge Ihren Alltag verändert?
Es ist nicht so, dass ich jetzt mit Angst durch die Gegend laufe. In dem Fall würde ich die Klappe halten. Mir war schnell klar, dass ich an die Öffentlichkeit gehen musste. Öffentlichkeit ist der beste Schutz.
Welche Konsequenzen haben Sie aus den Anschlägen gezogen?
Ich bin politisch noch aktiver geworden. Es gab ja noch weitere Anschläge auf engagierte Demokraten und Politiker des Bezirks. Die Betroffenen habe ich zu Gesprächen eingeladen und daraus ist die Initiative „Rudow empört sich“ entstanden. Wir sind seit 2018 aktiv, um Öffentlichkeit für ein demokratisches und vielfältiges Gemeinwesen zu schaffen. Wir haben verschiedene Veranstaltungen (Offene Tafeln, Musikfest, Open-Air-Filmabend etc.) durchgeführt, die sehr gut angenommen wurden. Diese positive Resonanz bestärkt uns in unserer Arbeit. Durch regelmäßige Aktionen wollen wir Menschen im Kiez ins Gespräch bringen und sensibilisieren. Wir müssen alle Flagge zeigen.
In diesem März, im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus, hat „Rudow empört sich“ eine Menschenkette für Menschenrechte organisiert. Woher nehmen Sie die Kraft, trotz aller Einschüchterungsversuche nicht einzuknicken?
Den Gefallen werde ich den Rechtsradikalen nicht tun. Es ist wichtig, dass wir den Mund aufmachen. Buchhandlungen sind ein Ort des öffentlichen Diskurses und Leporello hat auch schon früher Veranstaltungen gemacht, die nicht allen gefallen haben. Zum Beispiel war der kleine jüdische Lichtig Verlag öfters bei mir zu Gast. Damals habe ich vorab mit der Polizei gesprochen. Lange Zeit ist nie etwas passiert. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Entwicklung dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen.
Was haben Sie aus den Anschlägen gelernt?
Es kommt darauf an, nicht zu kuschen und die Öffentlichkeit zu suchen. Wir dürfen den Rechten nicht das Feld überlassen. Der Schaden hielt sich bei mir in Grenzen – auch dank der Spendenbereitschaft. Ich habe sehr viel Unterstützung bekommen und Solidarität erfahren, unter anderem vom Börsenverein und von meinen Kunden. Von staatlicher Seite gibt es mittlerweile finanzielle Unterstützung für Betroffene, etwa in Form von Opferfonds.
Haben Sie zum Schluss noch einen passenden Buchtipp?
Lesenswert ist sicher Alice Hasters Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten. Rassismus ist eine Erfahrung, die wir Weißen uns gar nicht vorstellen können.
Die Fragen stellte Margit Lesemann